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Das Obergericht in unserer Kirchenverwaltung

Aus der Oktober 1929-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Als einst mehrere Christliche Wissenschafter über die Form der Verwaltung in unserer Bewegung—über den von Mary Baker Eddy im Kirchenhandbuch dargelegten Begriff von Gesetz — berieten, erhob sich die Frage, ob unsere Bewegung nennenswerte Fortschritte machen könnte, wenn nicht vorgesehen wäre, daß die Kirchenmitglieder darüber entscheiden, ob die mit der Verwaltung Beauftragten dem Kirchenhandbuch gemäß handeln. Daß unsere Führerin keine Beratungsoder Verhandlungsstelle zur Auslegung oder Anwendung der Satzungen vorsah, ist ein auffallendes Merkmal ihrer Kirchenverfassung. Die zuweilen geäußerte Ansicht, daß die endgültige Entscheidung in den Händen der Kirchenmitglieder ruhen sollte, wie dies bei Staatsund gesellschaftlichen Körperschaften gewöhnlich der Fall ist, ist nicht haltbar, da die Mitglieder im Gegensatz zum allgemeinen Brauch nicht die Satzungen im Kirchenhandbuch aufstellten. Das Handbuch stammt von Mrs. Eddy, der allein alle darin nicht ausdrücklich jemand anderem übertragene Befugnis zusteht.

Die Frage wird uns vielleicht klarer, wenn wir die Form weltlicher Regierungen im allgemeinen betrachten. Bei verständnisvoller Prüfung der Regierungsformen erkennt man, daß drei voneinander getrennte Abteilungen notwendig sind: die Gesetzgebung, die Verwaltung und das Gerichtswesen. Staatsrechtsgelehrte erklären, daß die Verschmelzung dieser drei naturgemäß voneinander unabhängigen Abteilungen zu einer Körperschaft Gewaltherrschaft im Staate bedeuten würde. Erfolgreiche Regierungen haben dies erkannt und sind, sofern sie die drei Abteilungen voneinander getrennt und gesondert aufrecht erhalten haben, erfreulich gediehen. Es gibt wohl kein besseres Beispiel dieses anerkannten Vorbildes als die Regierungsform der Vereinigten Staaten von Amerika.

Die Regierung der christlich-wissenschaftlichen Bewegung weist dieselben auffallenden Merkmale auf, die erfolgreiche weltliche Regierungsformen kennzeichnen, nur mit einer — später zu betrachtenden — einzigartigen Veredlung, die sie von allen menschlichen Formen unterscheidet und ihre Fortdauer gewährleistet. Wir finden, daß der gesetzgebende Teil der Regierung unser Kirchenhandbuch ist, eine einfache Aufstellung von Gesetzen oder Vorschriften, die wegen ihrer Vollständigkeit nie einer Änderung bedürfen werden, und die nur durch den geistigen Weitblick ihrer Urheberin möglich waren. Die Verwaltung unserer Kirchenregierung ruht in den Händen des aus fünf Personen bestehenden christlich-wissenschaftlichen Vorstandes. Wo aber finden wir die gerichtliche Machtbefungnis, die immer als Hüterin der Freiheit und des Schutzes vor Gewaltherrschaft gegolten hat? Unser Handbuch sieht nichts Geschriebenes dafür vor. Im Vollbewußtsein der Vollständigkeit der christlich-wissenschaftlichen Bewegung, in der für jedes Bedürfnis Vorsorge getroffen und jeder Notlage zuvorgekommen ist, werden wir nicht vergebens nach diesem Gerichtswesen suchen. Es ist vorhanden und ist zum Wohle unserer Sache in reger Tätigkeit.

Unsere verehrte Führerin war keine Rechtsgelehrte, und doch übertraf ihre Kenntnis der zum Schutze der Bewegung nötigen Gesetzesvorschriften die Weisheit der in ihrem Berufe geschulten, wissenschaftlich ausgebildeten Rechtsgelehrten. Daß sie zu entscheidenden Zeiten in der Geschichte der Bewegung dabei beharrte, daß, wie sie von ihrem geschulten, Gesichtspunkte aus sah, gewisse Gesetzesregeln bestehen müßten, wurde durch erfolgreiches Forschen ihrer Rechtsbeistände belohnt. Seit sie uns verlassen hat, war der ganze Bau der Gewalt eines beispiellosen Sturms ausgesetzt; aber er überstand schließlich den Sturm und steht nun in gelassener Ruhe da.

Unsere Führerin erkannte die der Kirchenregierung drohende Gefahr, die ein aus Kirchenmitgliedern bestehender Gerichtshof oder eine Verhandlungsstelle für Erörterungen und Auseinandersetzungen in sich birgt, wo das Recht der Auslegung und Anwendung unseres Handbuchs diesen Mitgliedern zusteht. Sie machte jedoch eine bedeutsame Entdeckung, indem sie klar erkannte, was die Aufsteller der Verfassung unseres Landes von ihrem weltlichen Standpunkte aus nicht sahen, nämlich, daß „das Gericht der Wahrheit”, wie sie in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 437) selber erklärt, „in Gegenwart der göttlichen Gerechtigkeit, vor dem Richter unseres höheren Gerichtshofs, dem Obergericht des Geistes”, geistig tatsächlich besteht.

Hier haben wir also die richterliche Gewalt, das Obergericht des Geistes, den endgültigen Schiedsrichter der Wahrheit über den Irrtum, Dieser Gerichtshof des Geistes heißt die Leidenden und Betrübten willkommen. Alle geistig Armen und Begrenzten haben freien Zutritt; vor ihm kommen die aufrührerischen Sinne zum Schweigen. Gerechtigkeit herrscht in seinen Hallen. Zuversicht und Friede erfüllen sein Heiligtum. Hier vernimmt das lauschende Ohr die Worte: „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht”. Sein Rechtsbeistand und Ratgeber ist die die Wahrheit verkündende Christusidee. Er handhabt das Gesetz geistiger Vollkommenheit, wonach der Stoff weder Erkenntnisvermögen noch Empfindung hat, und keine Wesenheit ist, die man haben oder verlieren kann; wonach das Gemüt alles und der Mensch das geliebte Kind der göttlichen Liebe ist. Die unwiderrufliche Entscheidung lautet auf Gesundheit und geistige Vollkommenheit. Wer nach Gerechtigkeit hungert, wird hier gespeist und gesättigt.

Unsere Führerin hat dieses Obergericht des Geistes in jener unvergeßlichen sinnbildlichen Darstellung, die auf Seite 430 in Wissenschaft und Gesundheit beginnt, ausgelegt. Die Entfaltung dieser Idee im menschlichen Bewußtsein kann mit einem Berge verglichen werden, dessen Spitze sich scharf und klar aus dem Nebel erhebt, während sein Fuß noch in Wolken gehüllt ist. In Gedanken des sterblichen Sinnes gehüllt, mögen wir die Größe dieses geistigen Anblicks nur schwach erkennen, bis ein Beweis der Überwindung von Krankheit oder Sünde sein Vorhandensein in den sich teilenden Wolken klar enthüllt. Sein Gesetz erstreckt sich auf den Menschen und das Weltall. Allumfassend und allmächtig regiert es alles, von der zarten Blume bis zu den in weiter Ferne kreisenden Gestirnen. Dies ist das Obergericht der christlich-wissenschaftlichen Kirche.

Es besteht kein Grund zur Furcht vor der Herrschaft einer leidenschaftlichen Menge oder einer listigen Minderheit, kein Grund zur Furcht, daß dieser Gerichtshof mit mangelhaftem Schutz und Kunstkniffen des sterblichen Gemüts umgeben werde. Er kann durch keinen Angriff verletzt werden. Seine Urteile sind sicher und seine Verordnungen fehlerfrei. Der bescheidenste Bittsteller kann seinen Fall vor dieses Gericht der Gerechtigkeit bringen; und selbst dann, wenn die Frage die Wohlfahrt unserer Sache betreffen sollte, „ist einer auf Gottes Seite eine Mehrheit”. Es deckt, wenn angerufen, den Irrtum auf und fällt das Endurteil. Sein Arm ist mächtig; sein Wort erreicht die Enden des Weltalls. Was sind die Folgen? Fast das jüngste Mitglied dieser Kirche kann sich erinnern, gesehen zu haben, daß seine mächtige Kraft wirkt. Jahrelange Arbeit gegen die Bewegung wurde durch die Tätigkeit dieses geistigen Gerichtes aufgedeckt. Schon viel ist über den Begriff Gesetz geschrieben worden. Scharfsinnige Lehren und Beweisführungen haben diesen oder jenen Gedanken als die Quelle des Gesetzes bezeichnet. Die viel erörterte Frage, ob das Gesetz aus menschlicher Machtherrschaft oder aus menschlichem Brauch hervorgehe, wird immer noch erwogen. Aber durch diese geistig gesinnte Lehrerin Mary Baker Eddy wurde uns die Antwort, die die Probe im Kampf bestanden hat. Ihre Worte legten wie die Worte Mose’s den Grund zu der geistigen, nicht weltlichen Auffassung des Gesetzes.

Können wir gegenüber dem in unserem Handbuch enthaltenen Gesetz, das geistigen Ursprungs ist und sich selber durchsetzt, uns anmaßen, das Obergericht des Geistes seiner Macht zu entkleiden und das göttliche Gesetz durch menschliche Meinungen zu ersetzen? Halten wir für nötig, was zuweilen für nötig erachtet wurde,— nämlich, das Handbuch für die Bewegung auszulegen? Eine Urkunde wie unser handbuch bedarf zwar der Auslegung, und seine Bestimmungen müssen auf die menschlichen Bedürfnisse angewandt werden; aber das muß jeder, der die göttliche Führung sucht, durch Gebet für sich tun, sei er Kirchenbeamter oder Mitglied. Unsere Führerin hat etwas hierauf Anwendbares gesagt (Miscellaneous Writings, S. 265): „Verschiedenerlei Meinungen in der Wissenschaft sind schädlich. Alle müssen ein Prinzip und dieselbe Regel haben; und alle, die dem Prinzip und der Regel folgen, haben nur eine Meinung darüber”.

Wo ein Kirchenmitglied oder ein Kirchenbeamter vom Standpunkte seiner höchsten Beweisführung aus handelt, muß das Ergebnis Gott überlassen werden. Wenn es dem Rechten näher kommt als dasjenige eines andern, wird es schließlich allgemein anerkannt werden. Die Achtung vor unseren Beweisen muß auf Gegenseitigkeit beruhen. Unsere rechte Unterstützung wird einem andern helfen, seinen besten Beweis zu erbringen; und so stützen wir im Kampf mit dem Irrtum die Hände unserer Arbeiter, wie vor alters die Hände Mose’s gestützt wurden, um den Feind zu besiegen. Wer für das Handeln nicht verantwortlich ist, hat die Aufgabe, die Bewegung dadurch zu unterstützen, daß er sich beständig im stillen durch „des Gerechten Gebet”, das „viel vermag, wenn es ernstlich ist”, an das Gericht des Geistes wendet. Folgende Worte unserer Führerin können aus ihren Schriften nie entfernt werden, und sie sollten für unsere Haltung stets maßgebend sein (in dems. Buch, S. 130): „Der christlich-wissenschaftliche Vorstand hat des Tages Last und die Hitze getragen, und man sollte nicht erwarten, daß er solche Riesenaufgaben, wie er sie vollbracht hat, ohne einen einzigen Fehler hätte ausführen können. Wer andere richtet, sollte wohl wissen, wovon er spricht. Wenn recht tun der Beweggrund ist und die meisten Handlungen eines Menschen richtig sind, sollte man es vermeiden, auf vergangene Fehler hinzuweisen. Die größte Sünde, die man gegen sich selber begehen kann, ist, einem der, Geringsten‘ Gottes unrecht tun”.

Nur wer Direktor Der Mutter-Kirche war, kann wissen, was es heißt, eine solche Stellung vor einer tadelsüchtigen und zuweilen feindseligen Welt zu bekleiden. Als Kirchenmitglieder oder Kirchenbeamte nehmen wir den uns angemessen wichtigen Platz in der geistigen Auswirkung der Kirchenregierung ein. Wir schulden einander Liebe, Dankbarkeit und Unterstützung. Wegen ihres Zusammenarbeitens hat unsere einträchtig wirkende Regierungsform schon die Bewunderung und Billigung weltbekannter Männer hervorgerufen. Diese Anerkennung beruht darauf, daß wir jetzt schon sehen, was die Welt noch sehen lernen muß: daß der letzte Richter aller menschlichen Handlungen das Obergericht des Geistes ist. Dem zweifelnden Thomas war nur das wirklich, was er mit den Augen sehen und mit den Händen fühlen konnte. So verhält es sich auch mit dem ängstlichen Denken, das Schutzmaßnahmen mehr weltlicher Art für unsere Bewegung fordert. Wir brauchen nur eingedenk zu sein, daß das Haupterfordernis unseres Glaubens der Beweis ist, daß die geistige Kraft den Widerstand weltlicher Annahmen überwindet, und daß diese Entdeckung das große Geschenk der Christlichen Wissenschaft an die Welt ist.

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