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Unter dem Gesetz leben

Aus der Oktober 1929-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Zu den merkwürdigen falschen Auffassungen, die die Handlungen der Menschen beeinflussen, gehört der Glaube, daß Freiheit und Gesetzesmißachtung ein und dasselbe seien. In der Sportwelt waren bei einem gewissen Spiel viele Mißbräuche eingerissen, die die vordem herrschende Freude am ehrlichen Spiel zerstört hatten. Daher stellte eine Gruppe verantwortlicher Personen Regeln auf, wodurch nach ihrer Ansicht Gerechtigkeit und jener edle Anstand im Sport zum Ausdruck kommen würde, der den Zuschauern Gefallen am Spiel bereitet, da sie es nicht als Kampf ansehen, sondern als das, was es sein soll, nämlich eine Bekundung menschlichen Lebens und menschlicher Tätigkeit in einem durch gerechtes Vorgehen geregelten Wettstreit. Nachdem die Regeln veröffentlicht waren, erklärte eine Gruppe derer, die die hohen Ziele des Sports nicht verstanden: „Hier sind die Regeln; wie können wir sie umgehen?”

Nebenbei sei bemerkt, daß die goldene Regel, die bis zu den höchsten menschlichen Angelegenheiten hinauf maßgebend ist, Kindern im Bereiche ihres Spiels verständlich gemacht werden kann. Unter richtiger Anleitung erkennen sie, wie edel Rücksichtnahme, Redlichkeit, Wahrhaftigkeit und Ehrenhaftigkeit sind. Viele, die gelernt haben, sich beim Spiel gut aufzuführen, stehen später im Leben ganz natürlich für redliches Vorgehen ein. Sie legen ehrenhaftes Betragen, klaren Gerechtigkeitssinn und jene so bewundernswerte Eigenschaft des Verstehens an den Tag, die im ganzen Leben in gerechtem Vorgehen zum Ausdruck kommen.

Wie kommt es, daß so viele Menschen Freiheit mit Zügellosigkeit verwechseln? Sie wollen anderen gerade das zufügen, was sie, wenn ihnen zugefügt, aufs äußerste bekämpfen würden, und sie glauben, im Leben damit durchzukommen, daß sie andere schädigen, während sie selber den Folgen entgehen.

Tatsache ist jedoch, daß man in Gesetzlosigkeit keine Freiheit findet; wenn aber das Gesetz Gottes, das das Gesetz des Guten ist, ins Herz geschrieben ist, gehorcht man ihm unwillkürlich, und es herrscht Freiheit unter dem Gesetz. Unglückselige menschliche Zustände rühren größtenteils von der Ungewißheit darüber her, was die anderen tun werden. Das einfachste Beispiel, das einem dabei wohl einfällt, ist der gegenwärtige Verkehr so vieler Kraftwagen auf unseren Landstraßen. Es gibt einige einfache Regeln, die, wenn befolgt, allen das Gefühl der Sicherheit geben würden. Tausende von Fahrern beachten genau, was anderen zukommt. Aber es gibt Menschen, die denken, sie gewinnen etwas, wenn sie sich über die Rechte anderer hinwegsetzen, und sie fühlen sich erhaben, wenn sie andere stören und beunruhigen können. Wo dagegen die Handlungen auf lauteren Beweggründen beruhen und mit allgemein anerkannten Verhaltungsregeln übereinstimmen, kann menschliches Tun und Treiben in Ruhe vor sich gehen, und es stört so wenig wie das wohlgeordnete Spiel, in dem Kinder ihre Kraft, Gesundheit und Freude ausdrücken.

Die Wahrheit über die Sache ist, daß das Gesetz des Guten und das Gesetz der Freiheit ein und dasselbe sind. Es steht dem Menschen frei, Gutes zu tun, ohne dafür zu leiden; er hat das Recht, seinen Platz einzunehmen, ohne darin belästigt zu werden. Es ist sein Vorrecht, seine Geräte und Werkzeuge zu gebrauchen, ohne daß sie ihm gestohlen werden. Sein Leben sollte frei sein von Haß in allen seinen Erscheinungsformen — vom Neid und von der Eifersucht bis zum Mord. Sein Heim sollte geachtet, sein Dienst für die Menschen anerkannt werden. Und dieser ganze Schutz und diese Ermutigung sollten vorherrschen, weil er selber anderen Menschen zuerst das gibt, was seines Erachtens ihre Harmonie fördern wird, wobei er selbstverständlich erwartet, sich ihres entsprechenden Wohlwollens zu erfreuen. Man darf wohl sagen, daß es in den menschlichen Beziehungen keine Frage gibt, die so verwickelt wäre, daß man durch Beachtung der goldenen Regel nicht Licht in sie hineinbringen könnte, und durch Gehorsam gegen die goldene Regel wird das Licht zunehmen, bis die Lösung klar zu Tage tritt.

Es ist indessen zu beachten, daß dieses zweite, dem „vornehmsten Gebot im Gesetz” folgende Gebot ohne die Grundbedingung des Gehorsams gegen das erste Gebot Jesu nicht begriffen oder verstanden werden kann. Er entkleidete die Gebote ihrer Grundsatzform und kleidete sie in die Forderung eines rechten und ununterbrochenen Gesinnungszustandes: „Das vornehmste Gebot vor allen Geboten ist das:, Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Gott; und du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte und von allen deinen Kräften‘. Das ist das vornehmste Gebot. Und das andere ist ihm gleich:, du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst‘. Es ist kein anderes Gebot größer denn diese”.

Die unausbleibliche Folge des Verharrens in dieser Haltung gegen Gott ist, wie Paulus zeigt, die Entdeckung der rechten Haltung gegen die Menschen. Er drückt dies im Briefe an die Römer mit folgenden Worten in verneinender Form aus: „Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe des Gesetzes Erfüllung”. Die alten Gebote verboten ausdrücklich, anderen Menschen Böses zuzufügen; aber Liebe zu Gott bewirkt, daß im Denken christlicher Menschen Beweggründe, die etwas Unerlaubtes veranlassen, überhaupt nicht aufkommen. Wir finden, daß der bejahendere Satz des Paulus: „Wer den andern liebt, der hat das Gesetz erfüllet”, wahr ist, mit andern Worten: Wer sein eigenes wahres Wesen entdeckt hat und es unwillkürlich zum Ausdruck bringt, befolgt Gottes Gesetz der Liebe. Was für eine sonderbare Verdrehung der Tatsache ist daher die von einigen Gelehrten und vielen Umstürzlern aufgestellte Behauptung, daß es Freiheit sei, wenn man anderen Menschen Böses zufüge! Der grausame Gebrauch des Schwertes rächt sich so oft am Täter, daß der Ausspruch: „Wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen”, nachgerade sprichwörtlich geworden ist.

Eine der gesegneten Folgen des Verständnisses des Freiheitsgesetzes, das die Christliche Wissenschaft dem Schüler entfaltet, ist die Entdeckung, daß einem, wenn man im freudigen Bewußtsein des Verständnisses der göttlichen Liebe diese Erleuchtung und diese Glückseligkeit so widerspiegelt, daß andere Menschen geheilt werden, von anderen Liebe und Trost und Dankbarkeit zuteil wird, so daß man in Zeiten der Not vielfach und vermehrt das zurückempfängt, was man gegeben hat. Werden diejenigen, die echte Christliche Wissenschafter werden, nicht zur Erkenntnis eines wunderbaren Erbes erhoben, nämlich zu „der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes”? Wie ermutigend unsere Führerin Mrs. Eddy an einem 4. Juli sprach, als sie sagte (Miscellaneous Writings, S. 251): „Denket an dieses Erbe! Der Himmel unmittelbar hier, wo Engel wie leichter gekleidete Menschen sind, und Menschen wie eine Stunde lang beschwerte Engel sich frei machen und das Gute, das sie wollen, tun und das Böse, das sie nicht wollen, nicht tun”.

Welcher Schwierigkeit begegnen wir, wenn wir uns bemühen, in den Schranken des Gesetzes zu bleiben und uns seinem wohltätigen Einfluß zu fügen? Mit andern Worten: Es scheint eine angeborene Abneigung zu bestehen, unsern Eigenwillen, unsern Stolz und unsere Pläne, unser Urteil und das Gefühl, anderen überlegen zu sein, anfzugeben. Wir sehen vielleicht das Vorbild und finden Gefallen daran und reden darüber; solange wir aber nicht an die Notwendigkeit, unsere rechte Beziehung zu dem göttlichen Gemüt wieder aufzunehmen, erinnert werden, kann das Bewußtsein verdunkelt werden, woraus falsches Handeln hervorgeht, das Leiden zur Folge hat. Im Briefe des Jakobus finden wir eine treffende Schilderung derer, die bloß willige Hörer des Worts sind, d.h. die das Gesetz billigen, aber nicht befolgen. Sie sind, wie er sagt, gleich einem Mann, der sein Angesicht im Spiegel beschaut und sofort vergißt, was er gesehen hat. Hesekiel klagte über die Menschen seiner Zeit, die sich anscheinend mit bloßem Anhören der Worte des Propheten begnügten. Er sagte: „Siehe, du mußt ihnen sein wie ein liebliches Liedlein, wie einer, der eine schöne Stimme hat und wohl spielen kann. Also werden sie deine Worte hören, und nicht darnach tun”. Wir müssen viel mehr tun als die Christliche Wissenschaft billigen und ihre Forderungen flüchtig befolgen. Das befreiende Gesetz der Liebe muß so wirken, daß es uns beständig glücklich macht, weil wir beständig gütig sind. „Wer aber durchschaut in das vollkommene Gesetz der Freiheit und darin beharrt und ist nicht ein vergeßlicher Hörer, sondern ein Täter, der wird selig sein in seiner Tat”.

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