Es besteht kein Zweifel darüber, daß sich alle Menschen ohne Unterschied sehnen, Gewißheit zu erlangen nicht nur über die Fortdauer des Daseins sondern auch über die Fortdauer der Wesenseinheit des einzelnen,— Gewißheit über die Unsterblichkeit des einzelnen. Dieses allgemein unter den Sterblichen herrschende Verlangen spricht jedoch für die Fortdauer einer geläuterten Auffassung vom Sein, eines Daseins, das von den Zuständen, die die Weltlichkeit aufzuerlegen scheint, ganz getrennt ist. Als Christus Jesus die Annahme seiner Mitmenschen, daß er durch das Tor, das Tod genannt wird, gegangen sei, überwand, bewies er für immer die Tatsache, daß das Leben fortdauernd ist. Durch seine Auferstehung und Himmelfahrt vernichtete er nicht nur für immer die Möglichkeit, daß die Annahme, die Tod genannt wird, den Menschen zerstören könne, sondern zeigte auch, daß durch das Verständnis des Lebens die Fortdauer der wahren Wesenseinheit des Menschen bewiesen wird. So wurde er der Wegweiser, der den Weg weist, auf dem das ewige Leben erlangt wird.
Die Erfahrung des Meisters auf dem Berg der Verklärung, als er in Begleitung des Jakobus, des Petrus und des Johannes Mose und Elias sah, bestätigt ebenfalls ohne Zweifel, daß die Einzelwesenheit unvergänglich ist,— daß die Wesenseinheit immerwährend ist. Die Erklärungen der Mrs. Eddy hierüber sind kristallklar; sie hinterlassen im Gemüt des Lesers keinen Zweifel, daß alle Ideen Gottes in ihren einzelnen Wesensarten immerdar erhalten bleiben, daß sie unvergänglich und immerwährend sind. Sie schreibt auf Seite 70 des Lehrbuchs „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”: „Das göttliche Gemüt erhält alle Identitäten klar erkennbar und ewig, vom Grashalm an bis zum Stern”.
Dies könnte kaum bestimmter ausgedrückt werden. Jede Idee des Gemüts ist ewig, unzerstörbar, und überdies beharrt jede in ihrer besonderen Wesensart. Nie kreuzt sie den Pfad einer andern, nie verliert sie durch Vermischung mit einer andern ihre Wesenseinheit, sondern bleibt immerdar „klar erkennbar und ewig”. Dies trifft für alle Ideen Gottes zu, von der geringsten bis zur größten, selbst von dem Menschen, der zusammengesetzten Idee, die, wie wir verstehen lernen, alle geringeren Ideen des Gemüts in sich schließt. Was für eine größere Gewißheit könnten wir haben, daß der Mensch immerdar seine eigene Wesenseinheit behält, daß sein Einzelwesen nie verloren geht oder beeinträchtigt noch verändert wird, ausgenommen durch die Entfaltung, die jede Idee des Gemüts kennzeichnet!
Wenn die Wesenseinheit als die Einheit und Fortdauer aller Eigenschaften, aus denen das Einzelwesen besteht, erkannt wird, wird man verstehen, daß der Mensch für immer als das Bild und Gleichnis Gottes eingesetzt ist. Damit soll aber nicht gesagt werden, daß die menschliche Persönlichkeit fortbestehe,— das ist etwas ganz anderes; aber die Christliche Wissenschaft gibt uns die volle Gewißheit, daß das Bewußtsein unvergänglich ist, bis die vollkommene Idee durch den Umwandlungsvorgang enthüllt ist. Unsere Führerin macht es sehr klar, daß man durch die Erfahrung dessen, was Tod genannt wird, nicht mit einem Male in die Erkenntnis des wahren Zustandes des Menschen versetzt wird. Vollkommenheit wird vielmehr nur in dem Verhältnis gewonnen, wie das falsche Bewußtsein und alle irrigen Annahmen abgelegt werden. Das Bewußtsein wird nicht augenblicklich — plötzlich —, sondern allmählich umgewandelt. Und da „der Baum da liegen wird, auf welchen Ort er fällt”, so ist die Erfahrung, die Tod genannt wird, kein Freund, sondern „der letzte Feind”, der zu überwinden ist, und führt an und für sich nicht das Himmelreich herbei. Der einzige Vorgang, durch den diese Wiedergeburt stattfindet, ist das Ersetzen des Irrtums durch Wahrheit in unserem Denken, auf welcher Daseinsstufe die Notwendigkeit auch immer eintreten möge. Und der endgültige Beweis ist erst dann erbracht, wenn alle körperlichen Annahmen aufgegeben sind und der Mensch in seiner wahren Wesensart erscheint, als der wahre Sohn Gottes, frei von jeder Eigenschaft, die nicht von dem göttlichen Vater-Mutter, der Liebe, stammt.
Wie klar doch Davids Erkenntnis war, als er schrieb: „Ich aber will schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit; ich will satt werden, wenn ich erwache, an deinem Bilde”! Wenn die ganze körperliche Annahme beiseite gelegt ist, tritt der geistige Mensch, d.h. der Mensch in seiner vollkommenen Wesenseinheit, in Erscheinung. Die Umwandlung vollzieht sich immer im Bewußtsein. Des Menschen wahre Wesenseinheit wird nicht durch Vervollkommnung des Stoffs oder durch dessen Vergeistigung erreicht,— weit entfernt davon —, sondern in dem Verhältnis, wie die Falschheit der körperlichen Annahmen erkannt wird, wird sie zerstört, nicht mehr als Wirklichkeit angesehen. Dann wird der Mensch, die vollkommene Idee, enthüllt. Diese Enthüllung vollendet die Erlösung, das Freisein von allen irrigen Annahmen. Die Erfahrung, die Tod genannt wird, wirkt in dem Vorgang der Aufrichtung der wahren Wesenseinheit des Menschen nicht mit. Wäre dem so, so wäre er ein Freund, ein Wohltäter.
Geistiger Fortschritt kann selbst auf der menschlichen Daseinsebene so groß sein, daß er den Glauben an Leben im Stoff, an Verstand im Stoff ausmerzt. Ist dies erreicht, so verschwindet unfehlbar die Folgerung eines Glaubens an Leben im Stoff, eines Glaubens an Tod im Stoff, und das Bewußtsein wird ohne die Erfahrung, die Tod genannt wird, den Umwandlungsvorgang fortsetzen, bis des Menschen wahre Wesenseinheit erscheint. Wenn Mrs. Eddy das unveränderliche Wesen des Menschen bespricht, zeigt sie das Mittel, wodurch des Menschen Wesenseinheit aufgerichtet werden kann, nämlich durch das Aufgeben des Glaubens, daß Gemüt im Stoff sei, daß dem Stoff Verstand innewohne, und daß er Wesenheit sei. Laßt uns nur einen Schöpfer anerkennen und zwar Gott! Dann wird das Gleichnis Gottes als geistiges Gleichnis gesehen werden. Auf Seite 217 in Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy: „Es ist unmöglich, daß der Mensch durch das Verständnis, welches die Wissenschaft verleiht, seine Identität verliert; und die Vorstellung einer solchen Möglichkeit wäre noch sinnwidriger als die Folgerung, daß die individuellen musikalischen Töne in der Quelle der Harmonie verloren gehen”. Was für eine Gewißheit von des Menschen ewigem harmonischem Dasein diese Worte doch übermitteln! Das Begreifen ihrer hohen Bedeutung ist ein sicheres Mittel gegen Furcht und gegen alle Besorgnis um die Zukunft; denn des Menschen vollkommene Wesenseinheit als das Kind der unendlichen Liebe ist auf ewig aufgerichtet. Sicher könnten sich die Sterblichen keine größere Gewißheit von des Menschen geistigem Wohlbefinden in dem ewigen Jetzt wünschen. Weil Gott des Menschen Leben ist, ist des Menschen Dasein so immerwährend wie Gott selber.