Unerschütterlichkeit ist eine Eigenschaft geistigen Verständnisses, die unerschütterliche Hoffnung und unerschütterlichen Glauben in sich schließt. Die mannigfachen Argumente des fleischlichen Gemüts, die rechtes Erwarten zu schwächen oder unsern sittlichen Maßstab herabzusetzen trachten, können in unser Bewußtsein nicht eindringen, wenn unerschütterlicher Gehorsam gegen das Gute den Zugang bewacht. Der Psalmist rügt den Mangel an Standhaftigkeit, wenn er sagt, daß „ihr Herz nicht fest war und ihr Geist nicht treulich hielt an Gott”. Wer es sich zur Gewohnheit macht, unerschütterlich an Gott, das Gute, zu denken, widerspiegelt die Kraft des göttlichen Prinzips. Aber Gedanken, die von Gott, dem Guten, abirren, sind unvermeidlich wankelmütig, von der Wahrheit abweichend, ohne Prinzip, treulos. Wer geistig standhaft sein will, muß daher seinen mentalen Ausblick klar und treu gegen Gott erhalten; und dies erfordert, daß man das Denken vom Augenschein der körperlichen Sinne abwendet.
In dem Falle des von Geburt an Lahmen heißt es in der Apostelgeschichte, daß als Paulus „ihn ansah und merkte, daß er glaubte, ihm möchte geholfen werden, sprach er mit lauter Stimme: Stehe aufrecht auf deine Füße! Und er sprang auf und wandelte”. Bei dieser Heilung herrschte auf beiden Seiten unerschütterliches Vertrauen. Weder Paulus noch der Lahme waren furchtsam oder ungläubig. Beide waren von lebendigem Glauben beseelt. Daher muß aller Unglaube, alles, was den unerschütterlichen Glauben und das Erwarten des Guten im Ausüber und im Patienten schwächen könnte, aus dem Bewußtsein ausgeschieden werden, sonst verhindert es den Beweis. Paulus achtete fraglos mehr auf den geistigen Glauben des Lahmen als auf dessen körperliches Gebrechen. Ist dann daran zu zweifeln, daß das, was Paulus unerschütterlich wahrnahm, gerade das Gegenteil des anscheinend verkrüppelten Körpers eines Sterblichen war? War es nicht die reine, vollkommene und vollständige Idee des Menschen, das Gleichnis des Gemüts und nicht das Ungleichnis der Materie, was Paulus unverwandt im Auge behielt?
Wer da glaubt, es fehle ihm an Glauben, zu heilen oder geheilt zu werden, muß diese fleischliche Einflüsterung sofort und vollständig zurückweisen. Wie geschieht dies? Durch Erklären und Erkennen, daß der Glaube eine vom Geist stammende geistige Eigenschaft ist, und daß er daher sowohl unbegrenzt als auch unerschütterlich ist; denn die Wahrheit wird vom Irrtum nicht berührt.
Mrs. Eddy schreibt: „Der wissenschaftliche, heilende Glaube ist ein errettender Glaube. Unerschütterlich hält er das große und erste Gebot: ‚Du sollst keine anderen Götter neben mir haben‘— keine andere als die geistige Hilfe der göttlichen Liebe” (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 153). Hier zeigt unsere Führerin den Zusammenhang zwischen heilendem Glauben und unerschütterlichem Gehorsam gegen die Forderungen des göttlichen Prinzips, wie sie im ersten Gebot ausgedrückt sind.
Damit der Christliche Wissenschafter in Anfechtung standhaft bleiben kann, müssen seine Gedanken bei Gott, dem Guten, bleiben und dürfen nicht davon abirren; so umgibt die göttliche Liebe, der große Hirte, den wahren Denker auf allen seinen Wegen. Standhaftigkeit wird in dem Verhältnis gestärkt und gefördert, wie sie sowohl bei wichtigen als auch bei geringfügigen Gelegenheiten geübt und angewandt wird.
Schüler der Christlichen Wissenschaft müssen sich vor der Einflüsterung schützen, daß, obgleich man einen Beweis in der frohen Erwartung eines schnellen und befriedigenden Ergebnisses beginnen mag, der Glaube allmählich abnehmen und Enttäuschung die Hoffnung vermindern könne, wenn diese Ergebnisse ausbleiben sollten. Wer auf diese Einflüsterung des Irrtums hört, läßt sein Denken vom ersten Gebot abirren. Die Unerschütterlichkeit und der Gehorsam des Christlichen Wissenschafters gehen aus der Unverrückbarkeit des göttlichen Prinzips hervor. Unerschütterlichkeit ist als geistig anzusehen; sie ist daher von angreifenden Einflüsterungen des Mißerfolgs oder schwacher Erwartung gänzlich unbeeinflußt.
Der Verfasser des Briefs an die Hebräer legte sowohl die Notwendigkeit als auch die Quelle der Unerschütterlichkeit dar, als er schrieb: „Wir sind Christi teilhaftig geworden, so wir anders das angefangene Wesen bis ans Ende fest behalten”. Hoffnung und Glaube, alle Beweise nehmen durch Erhaschen eines Schimmers vom wirklichen Wesen Gottes und des Menschen ihren Anfang; und wenn wir auf Christus, die Wahrheit, sehen, die unser geistiges Vertrauen erweckt hat, wird dieses bis zum Ende jedes Beweises unverwandt fest bleiben. Wer die Wahrheit, die keine Widerwärtigkeit, keine Begrenzung, keine Unvollkommenheit kennt, in seinem Denken beharrlich widerspiegelt, kann nicht anders als standhaft sein. Denn im wahren Bewußtsein gibt es nichts, was einen von der Betrachtung des unendlich Guten abwenden könnte: keine Furcht, keine Sünde, kein Murren wegen Unzufriedenheit,— nichts, was die Schafe Seiner Weide veranlassen könnte, von der unendlichen Hürde der göttlichen Liebe abzuirren.
An was sonst könnte man sich um Erlösung wenden als an die Christliche Wissenschaft, die allein die beweisbare Vollkommenheit und das Einssein Gottes und Seiner Schöpfung vollständig offenbart? In der Erkenntnis, daß die Wahrheit über den Irrtum siegt, schrieb unsere Führerin in „Miscellaneous Writings” (S. 267): „Das hörbare und stumme Wehklagen des Bösen schadet nie den Wissenschaftern, die sich der Nichtigkeit des Falschen und der Obergewalt des Rechten unerschütterlich bewußt sind”.
