Im Lichte der Erklärung der Mrs. Eddy, daß „der einzig wahre Ehrgeiß ist, Gott zu dienen und dem Menschengeschlecht zu helfen” (Botschaft an Die Mutter-Kirche für das Jahr 1902, S. 3), können wir nicht ehrgeizig genug sein. Das Alltagsleben keines Menschen braucht farblos, zwecklos zu sein. Durch Anwenden der Christlichen Wissenschaft kann es zweckdienlich, fruchtbar und durch diesen heiligen Ehrgeiz geheiligt werden.
Oft drängt sich jedoch an Stelle von wirklichem Ehrgeiz ein in rein materieller und persönlicher Richtung eifrig betriebener Ehrgeiz ein und nimmt, besonders nach Ansicht derer, die den Lebensunterhalt verdienen, die erste Stelle ein. Das heißt nicht, daß man nicht einem ehrbaren und gewinnbringenden Beruf nachgehen soll. Da aber der Mensch geistig, nicht materiell ist, heißt es, daß man als erstes Ziel geistigen Fortschritt im Auge haben soll. Vor allen Dingen sollte man bestrebt sein, sich über Sünde, Sorge, Eifersucht und Hast zu erheben und sich die Eigenschaften, die das Bild und Gleichnis Gottes kennzeichnen und einen himmelwärts führen, zu eigen zu machen.
Der Christliche Wissenschafter, der seine Berufspflichten erfüllt und für sich und seine Familie verdient und dennoch das Vorbild der Heiligkeit, der Freude, der Weisheit, der Genauigkeit, der Ordnung vor Augen behält, braucht keine Einschränkung, kein Verarmen, keine Arbeitslosigkeit durch Altern, keine beschränkte Gelegenheit zu befürchten; denn das größere Gesegnetsein befriedigt alle geringeren Bedürfnisse, wie unser Meister immer lehrte und bewies.
Jesus brachte einen von Selbstverherrlichung unbefleckten Ehrgeiß zum Ausdruck, als er sagte: „Vater, ... verkläre deinen Sohn, auf daß dich dein Sohn auch verkläre”. Er sagte, daß unser Licht leuchten soll, damit Gott durch die in Seinem Namen vollbrachten Werke verherrlicht werde. Durch dasselbe Aufgeben des Selbst legte unsere Führerin jedes weltliche und persönliche Verlangen ab und konnte sagen: „Ich habe jetzt einen Ehrgeiz und eine Freude”, und sie fügt hinzu: „Hegt man aber Ehrgeiz unweise, so wird man dafür gestraft” (Miscellaneous Writings, S. 281). Männern, Frauen und strebsamen jungen Leuten bliebe mancher Mißerfolg und mancher Kummer erspart, wenn sie ihr Verlangen nach Erfolg und Weiterkommen damit rechtfertigen könnten, daß sie diese immer mit ihrer eigenen Vergeistigung und mit selbstlosem Dienst für Gott und das Menschengeschlecht verbinden, mit andern Worten, wenn sie ihre Beweggründe beständig erweiterten und veredelten und das Gute anderer ebenso wie ihr eigenes suchten.
Wahrer Ehrgeiz trachtet nicht nach Bevorzugung. Und doch mißverstanden sogar die Jünger sein Wesen; denn es steht geschrieben: „Es erhob sich auch ein Zank unter ihnen, welcher unter ihnen sollte für den Größten gehalten werden”. Man sollte nicht danach trachten, in den Augen der Welt für groß oder erfolgreich „gehalten” zu werden. Nur Gottähnlichkeit ist wahrhaft groß, und sie wird durch geistige Demut und Hingebung des Denkens im Verein mit persönlicher Selbstlosigkeit erlangt. Falscher Ehrgeiz versuchte die Mutter der beiden Jünger, den Meister um einen Ehrenplatz für sie zu bitten. „Da das die zehn hörten, wurden sie unwillig über die zwei Brüder”. Wetteifer vernichtet Eintracht; denn er beruht auf dem Glauben an Begrenzung. Wetteifer kennt keine Heiligkeit, und es bedarf keines Wetteiferns in der Heiligkeit. Allen Menschen sind Intelligenz und wahre Eigenschaften zugänglich, und sie können sie nach Belieben ausdrücken. Geistige Ideen können nicht untätig sein, und dem Arbeiter, der reines Herzens und fleißig ist, braucht es nie an rechtmäßiger und einträglicher Beschäftigung zu fehlen.
Das echte Wachstum, das der Christliche Wissenschafter sich wünscht, würde vereitelt, wenn es einen Beigeschmack von dem Verlangen nach Bekleidung hervorragender Stellungen hätte. Metaphysisch gesprochen ist unsere Stellung die Einstellung unseres Denkens Gott gegenüber, das Maß unserer Treue gegen das göttliche Prinzip. Dies ist unser Standpunkt. Hegen wir im stillen dieses wahre Ideal, so werden wir kein Verlangen haben, uns in Stellungen, die von Ermächtigten oder durch Wahl der Kirchenmitglieder übertragen werden, hineinzudrängen oder hineindrängen zu lassen. Beachten wir die Ermahnung unserer Führerin: „Habe keinen Ehrgeiz, keine Neigung, kein Ziel außer der Heiligkeit” (in dems. Buche, S. 154), so finden wir, daß unsere Laufbahn, unsere menschlichen Verbindungen, die Entwicklung unserer Pläne und die Befriedigung unserer zeitlichen Bedürfnisse dem Gesetz und der Herrschaft des göttlichen Gemüts unterstehen. Heiliger Ehrgeiz entzweit also die Glieder der Menschenfamilie nicht, sondern einigt sie darin, daß sie Gottes Willen auf Erden zum Wohle nicht bloß der wenigen sondern aller tun, weil Gott in der Tat das All in allem ist.
In jener heiligsten Stunde, bei dem Abendmahl, erhob der Meister das Denken seiner Jünger, damit sie Größe nicht in Machthaberschaft oder Ältestenwürde sondern in umfangreicherem Dienen sehen sollten. Das Trachten nach heiligem Ehrgeiz ist immer eine Hilfe für diejenigen, mit denen wir bei unserer täglichen Beschäftigung in Berührung kommen; denn das Wesen wirklicher Arbeit ist Zusammenarbeit, nicht Wetteifer. Heiliger Ehrgeiz ist ruhig, lauter, mutig, läßt sich nie von Hindernissen aufhalten, sondern strebt dem Ziel der Gottähnlichkeit zu. Der Geist eines solchen Ehrgeizes atmet aus den Worten des Psalmisten: „Ich will satt werden, wenn ich erwache, an deinem Bilde”.
