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Das „Jetzt” des Heilens

Aus der Mai 1931-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Christlichen Wissenschafter gebrauchen das Wort „Beweis” so häufig, daß sie leicht in den Irrtum verfallen können, es oberflächlich anzuwenden. Das Wort ist tief bedeutungsvoll und bringt den Hauptzweck unserer Arbeit in der göttlichen Metaphysik zum Ausdruck, nämlich, die Probe, ob wir Gott und den Menschen richtig verstehen. Dieses richtige oder geistige Verständnis hebt uns aus dem Tiefland des Materiellen heraus zu der Höhe, wo wir mit geistigem Auge sehen, und wo wir uns über die sagenhaften Wirkungen unserer falschen Vorstellungen von einem körperlichen Leib und einer körperlichen Umgebung erheben können,— jener falschen Vorstellungen, die manchmal angenehm, manchmal schmerzhaft scheinen, aber immer falsch sind. Es offenbart die Umgebung des geistigen Bewußtseins, in der sich das Dasein freudig, frei und wahr erweist. Das ist es, was den Christlichen Wissenschafter zu seiner Arbeit antreibt, und dessen Erfüllung der Beweis ist.

Bei gewissenhafter und fleißiger Anwendung der Lehre der Christlichen Wissenschaft ist die Lösung jeder menschlichen Aufgabe so unfehlbar gewiß wie die richtige Lösung einer Rechenaufgabe, wenn die Regeln richtig befolgt werden. Scheint eine Aufgabe schwierig und zieht sich ihre Lösung in die Länge, so liegt es daran, daß die Gesetze Gottes, des Guten, mißverstanden oder nicht richtig angewandt werden.

Es ist schon viel darüber geredet worden, wie wünschenswert augenblickliches Heilen ist. Zuweilen scheint es, als ob Ergebnisse langsam zustande kommen, was zeitweise zu Entmutigung führen kann, die den Zustand nur verschlimmert und die Heilung um so mehr verzögert erscheinen läßt. Das ist zum großen Teile dem falschen Glauben an Zeit und Raum zuzuschreiben, die nur das sterbliche Gemüt für notwendig hält, weil es eine unwahre Vorstellung von der Wirklichkeit hat, die es falsch auslegt und Materie nennt. Es hat den Anschein, als ob wir durch Raum von Gott getrennt seien, und daß Zeit erforderlich sei, diese Falschheit zu berichtigen. Eine der ausgeprägtesten Wirkungen eines annähernden Verständnisses des Geistes, Gottes, ist die entsprechende Befreiung von dem begrenzenden Begriff von Zeit und Raum. Gott, die unbedingte Wahrheit, braucht weder Zeit noch Raum, Seine Schöpfung wahrzunehmen, die Er vom unendlich Kleinen bis zum unendlich Großen insgesamt als eine harmonische und ewige vollkommene Idee sieht.

Das Wort „augenblicklich” bedeutet etwa dasselbe wie das Wort „jetzt”, und das ewige „Jetzt” der Gegenwart Gottes bekundet beständig Vollkommenheit. Wenn wir dies nur klar sehen könnten, so wären unsere Probleme gelöst, und wir würden für die Tatsache, daß die Vollkommenheit immer gegenwärtig ist, dadurch einen Beweis liefern, daß wir uns weigerten, zuzugeben, daß Vollbringen von Zeit abhänge. Wenn wir im Zusammenhang mit einer Aufgabe an Zeit denken, ziehen wir gerade durch diesen Gedanken die Heilung im Bewußtsein über eine mutmaßliche Zeitspanne von Stunden oder Tagen hin. Was in dieser Hinsicht im sterblichen Gemüt vor sich zu gehen scheint, läßt sich ungefähr durch eine Begebenheit im Traume während des Schlafes darstellen. Angenommen, es schlafe jemand in Gegenwart eines Freundes ein. Er träumt, er werde verwundet. Er spricht im Schlafe, so daß sein Freund von der vermeintlichen Not weiß, ihn aus dem Schlafe weckt und dadurch augenblicklich die Trugvorstellung von der „Wunde” zerstört. Nun kann man bekanntlich etwas träumen, was sich über einen großen Zeitraum zu erstrecken scheint, obwohl der Schlaf vielleicht nur einen Augenblick dauert. Der Schläfer kann träumen, er leide seit Monaten, er kann sich wundern, warum seine Heilung so langsam erfolgt, und das alles während des Augenblicks, wo sein Freund im Begriffe ist, ihn aufzuwecken. Ein Augenblick sogenannten wachen Bewußtseins genügt, diesen ganzen Anschein von Dauer auszulöschen, die in Wirklichkeit nicht bestand, obgleich sie dem Träumer offenbar augenscheinlich war.

Wir legen der Behauptung, daß ein völliges Verstehen der Unwirklichkeit oder des Nichtbestehens materieller Zeit und materiellen Raumes augenblickliches Heilen zur Folge hätte, vielleicht zu wenig Bedeutung bei. Es mag uns zu übersinnlich scheinen, um es jetzt erreichen zu können. Daher dürfte es weise sein, diese Seite der Wahrheit als Hilfe für unsere befreiende Arbeit zu betrachten und, wie es oft ratsam ist, uns bei unserem geistigen Fortschritt mit Milch für Kinder zu begnügen. Dies zwingt uns die Frage auf: Was sollen wir tun, um göttlich augenblickliches Heilen menschlich bewußt zu beweisen? Gibt es einen unmittelbareren Weg als beharrlich zu denken — ununterbrochen zu wissen,— daß alles wohl „ist”, nicht wohl „sein wird”? Dieses vergeistigte Denken ist in der Geschichte von der Sunamitin im 4. Kapitel des 2. Buchs von den Königin überzeugend veranschaulicht. Dieses Weib hatte ihren einzigen Sohn verloren, und in ihrer Not eilte die Mutter zu Elisa, dem Manne Gottes, und bat ihn um Hilfe. Als sie sich auf den Weg zu Elisa machte, sagte sie zu ihrem Mann: „Es ist gut”. Als Elisa sie kommen sah, sandte er ihr zum Gruße seinen Diener entgegen und ließ sie fragen, „ob's ihr und ihrem Mann und Sohn wohl gehe”. Und dieser wunderbaren Mutter, die scheinbar ihres größten Besitzes, ihrer höchsten Freude, beraubt war, war gerade bei diesem schmerzlichen Verluste die göttliche Erleuchtung zuteil geworden, daß sie antworten konnte: „Wohl”, nicht: „Es wird wohl gehen”. Ihre herrliche Antwort ist eines der eindrucksvollsten Beispiele plötzlicher Erleuchtung in der ganzen Heiligen Schrift. Uns allen tut jener wissenschaftliche Übergang vom menschlichen Hoffen zum göttlichen Erkennen des immer gegenwärtigen Guten — die Änderung des Denkens von dem „wird sein” zu dem „ist”— not, um dahin zu kommen, daß wir augenblicklich erfolgreiche metaphysische Arbeit tun.

Die Menschen pflegen allgemein das Gute in der Zukunft zu erwarten. Wie oft sagen wir zu uns selber und zu anderen: „Nur nicht nachlassen, es wird schon recht werden”. Wir sagen wohl zu einem Kranken, den wir ermutigen wollen: „Sie sind auf dem Wege der Besserung”, oder: „Sie werden gesund werden”. Wir bemühen uns vielleicht, jemand, der Schwierigkeit hat, Beschäftigung zu finden, mit den Worten zu trösten: „Wenn Sie den Mut nicht sinken lassen und ihre Arbeit recht tun, werden Sie den rechten Platz finden”. Ist denn, wie die Christliche Wissenschaft lehrt, der Mensch nicht die geistige Idee Gottes und daher immer an seinem rechten Platze im göttlichen Gemüt, in Gott? Dann sollten wir in Gedanken nicht bei der entgegengesetzten Annahme weilen. Wie sehr wir uns doch, wenn wir eine christlich-wissenschaftliche Behandlung geben, vor dieser sterblichen Denkgewohnheit hüten müssen, das Gute, das wirklich in der Gegenwart vorhanden ist, in der Zukunft zu erwarten! Fortwährend behaupten: „Es geht mir jeden Tag besser”, hieße vom christlich-wissenschaftlichen Gesichtspunkte aus einfach, daß der Mensch nicht jetzt das Bild und Gleichnis Gottes sei, sondern daß er es vielleicht werden könne, wenn das sterbliche Gemüt geschickt genug arbeitet. In der Bibel heißt es nicht: Der Mensch soll sich durch Eigenwillen und geschicktes Denken zum Bild und Gleichnis Gottes machen, sondern es heißt: Gott schuf den Menschen zu Seinem Bild und Gleichnis. Es ist unmöglich, dieser ewig vollkommenen Schöpfung etwas hinzuzufügen oder etwas von ihr wegzunehmen.

Denken wir über die lehrreiche Geschichte von Jakob und der Himmelsleiter im 28. Kapitel des 1. Buchs Mose nach! Anscheinend bereitete sich Jakob ein Nachtlager unter freiem Himmel und legte einen Stein zu seinen Häupten. Dann träumte ihm von einer Leiter, auf der Engel aufund niederstiegen. Das scheinbare In-Berührung-Kommen mit dem Himmel durch materielles Raumdurchschreiten und materiellen Zeitaufwand der Engel veranschaulicht treffend die irrige Vorstellung der Welt von der Beziehung des Menschen zur Gottheit. Mit Jakobs Erwachen schwand die Trugvorstellung der Trennung von Gott. Er wurde sich plötzlich der herrlichen Wahrheit der vertrauten Gegenwart Gottes bewußt. Dieser Offenbarung der Wirklichkeit gab er Ausdruck mit den Worten: „Gewiß ist der Herr an diesem Ort, und ich wußte es nicht”. Was für ein Riesenschritt von der alten Bestrickung der Eigenliebe zu dem Bewußtsein der Allgegenwart der göttlichen Liebe! An dieser Stelle seiner Wanderung vom Sinn zur Seele muß Jakob erkannt haben, daß Gottes erhabene Güte immer zugänglich ist.

Daß es uns schwer fällt, mit Jakob zu sehen, daß „der Herr an diesem Ort ist”, beruht größtenteils auf dem falschen Glauben, daß der Mensch materielle sei und sich in einer materiellen räumlich-zeitlichen Welt von Ort zu Ort bewegen müsse; daß er einen sterblichen, körperlichen Leib habe, der manchmal gesund, manchmal krank ist. Gefühl ist anerkanntermaßen ein menschlicher Bewußtseinszustand. Wir scheinen das Gefühl oder das Bewußtsein von einem materiellen Körper zu haben, und wenn dieses Bewußtsein sagt, er sei krank oder erschöpft, so glaubt es, daß es so sei, und es bedarf anscheinend einer Spanne Zeit zur Berichtigung. Wahres Heilen ist nun ausschließlich Vergeistigung des Bewußtseins. Ist es dann nicht klar, daß das Denken, das ganz von dem Verlangen nach körperlicher Heilung erfüllt ist, gerade durch dieses Verlangen ganz im Materiellen aufgeht und genau das hervorbringt oder verkörpert, was es zu vermeiden sucht? Das verlegt die Vergeistigung des Denkens natürlich in die Zukunft.

Es ist selbstverständlich, daß wir unsere auf Vergeistigung gerichteten Anstrengungen dadurch hemmen können, daß wir uns zuviel mit dem Gedanken abgeben, irgend eine materielle Wirkung müsse unsere metaphysische Arbeit begleiten oder ihr folgen. Was für eine Erleichterung es doch ist, zu wissen, daß wir unsere Last vor der göttlichen Wahrheit niederlegen und „ein Lied davontragen” können! Wie froh macht doch die Erkenntnis, daß das Reich Gottes das Reich selbstloser Liebe und rechten Denkens ist, daß es unsere Aufgabe ist, uns und andere jetzt in diesem Reiche zu sehen! Dann sehen wir, daß wir die göttliche Liebe widerspiegeln, und wir können den Glauben an Materie durch geistiges Erkennen der Allheit und Unendlichkeit Gottes aufgeben lernen.

Einer der vielen ausgesprochenen Unterschiede zwischen christlich-wissenschaftlichem Arbeiten und dem Verfahren der sogenannten Suggestion tritt bei dieser Gegenüberstellung des „ist” und des „wird sein” zutage. Sehen wir uns die Anweisung genauer an, die Johannes uns für das Heilen gibt: „Die völlige Liebe treibt die Furcht aus”. Der Christliche Wissenschafter geht an die Arbeit, diese tiefe Wahrheit praktisch und gehorsam anzuwenden, und zwar dadurch, daß er anerkennt und versteht, daß „die völlige Liebe” die Offenbarwerdung Gottes ist, daß sie eine unmittelbare Gegenwart, nicht bloß die Verheißung einer zukünftigen Gegenwart ist.

Das heißt, daß der Wissenschafter zu erkennen sucht, daß der gegenwärtige Augenblick von selbstloser Liebe, der Widerspiegelung der göttlichen Liebe, erfüllt ist. Diese Erkenntnis treibt die Furcht und ihre Folgen Krankheit, Trübsal oder Begrenzung aus, während Suggestion geradezu mit Furcht und deren Kundwerdungen arbeitet und bestrebt ist, durch das sogenannte menschliche Gemüt die Vorherrschaft Gottes, der vollkommenen Liebe, an sich zu reißen. Suggestion versucht durch Blendung und Umschweif das Austreiben selber zu besorgen, kann es aber nicht. Das menschliche Gemüt kann Furcht nie ohne Hilfe beseitigen, aus dem einfachen Grunde, weil es, wenn es mit Furcht zu tun hat, sie nicht als Verneinung erkennt.

Das sterbliche Gemüt mit seinen hypnotischen Einflüsterungen, seinen Anstrengungen, Böses von heute in künftig Gutes umzuwandeln, versteht nicht, daß es selber unwirklich ist, und erwacht daher nicht aus seinen eigenen Trugvorstellungen. Mrs. Eddy hat dies auf Seite 186 und 187 des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuchs „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” klar dargelegt mit den Worten: „Das sterbliche Gemüt befindet sich in Unwissenheit über sich selbst, sonst könnte es sich niemals selbst betrügen. Wenn das sterbliche Gemüt wüßte, wie es besser sein könnte, dann würde es besser sein. Da es an etwas außerhalb seiner selbst glauben muß, erhebt es die Materie als Gottheit auf den Thron. Das menschliche Gemüt ist von Anbeginn ein Götzendiener gewesen, hat andere Götter gehabt und an mehr als das eine Gemüt geglaubt. Da die Sterblichen nicht einmal das sterbliche Dasein begreifen, wie unwissend müssen sie über das allwissende Gemüt und Seine Schöpfungen sein”.

Wenn wir die göttliche Tatsache der Allgegenwart, der Allmacht und der alles umschließenden Liebe Gottes behaupten, schlagen wir den Weg ein, der unseren Scheinschwierigkeiten unmittelbar ein Ende macht. Unsere liebe Führerin hat diesen ganzen Gedanken kurz in die Worte gefaßt (in dems. Buche, S. 428): „Die große geistige Tatsache muß ans Licht gebracht werden, daß der Mensch vollkommen und unsterblich ist, nicht sein wird”.

O welch eine Freude, einen Tag lang so zu leben, daß wir unsern Vater-Mutter Gott stündlich verherrlichen! Dies bedeutet, daß wir Seine unendliche Güte kennen und Ihm für Seine unbegrenzte Fülle und Liebe danken. Der Psalmist singt: „Denn du, Gott, hörst meine Gelübde; du belohnst die wohl, die deinen Namen fürchten”. David erkannte sein gegenwärtiges Erbe, er wußte, daß Gott immer bei ihm war, und daß er auf Sein Kommen nicht zu warten brauchte.

So mächtig ist dieses wissenschaftliche Verständnis der innigen Gegenwart der Liebe, daß es uns geradezu die Türen des Himmels öffnet. Wir beten dann nicht mehr, daß etwas geschehen oder zustande kommen möge, sondern daß sich unser Blick erweitere, so daß wir sehen können, was die unendliche göttliche Liebe schon vorgesehen hat, was uns in dem Reiche jetzt gehört.

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