Die Menschen suchen fortwährend Mittel und Wege zur Verlängerung und Erhaltung des Lebens. Vielfach wenden sie jedoch materielle Verfahren an, weshalb ihre Anstrengungen nicht zu dem gewünschten Erfolg führen. Sie wenden materielle Mittel an, weil sie glauben, das Leben sei materiell oder körperlich und organisch. Wäre es wahr, daß das Leben materiell sei, so wäre es ebenso wahr, daß den Menschen mit materiellen Mitteln geholfen werden könnte. Die Christliche Wissenschaft zeigt aber, daß es unmöglich ist, daß die Schöpfung dem einen Schöpfer, dem Geist, Gott, unähnlich ist und ihm widerspricht.
Die Christliche Wissenschaft erläutert und beweist, daß es in Wirklichkeit keine Materie gibt, und daß die Ansprüche der sogenannten Materie auf Kraft, Leben, Wahrheit, Intelligenz und Substanz Sagen, falsche Vorstellungen von geistigen Tatsachen, sind. Die sogenannte Materie besteht als wahre Wesenheit nicht. Sie hat daher kein Leben, das erhalten oder verlängert werden könnte. Durch Zerstörung des Glaubens, daß es intelligente Materie gebe, wird nicht das Leben zerstört, sondern die Tatsache bewiesen, daß das Leben Gott ist, daß es unzerstörbar und ewig ist; und durch diese Tatsache wird die in einmütigem Wirken und Fortschritt zum Ausdruck kommende wahre Bekundung des Lebens offenbar. Diese Tatsache zeigt auch, daß der geistige Mensch als Bild und Gleichnis Gottes beständig, unaufhörlich Gott, das reine, unsterbliche Leben, widerspiegelt. In dem Maße, wie man diese große geistige Tatsache versteht und selbstlos handelt, widerspiegelt man Gott, die göttliche Liebe, und das heißt wahrhaft leben.
Johannes schreibt in seinem 1. Briefe: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm”, und Bibelkenner geben zu, daß dies wahr ist. Infolge des Glaubens an eine materielle Schöpfung haben sich die Sterblichen jedoch veranlaßt gefühlt zu glauben, der Mensch, der Sprößling der schöpferischen Liebe, könne Furcht und Haß zum Ausdruck bringen. Ein solcher Schluß ist offensichtlich falsch; denn die Liebe könnte weder Haß, Furcht, noch irgend etwas, was zu fürchten wäre, schaffen; der Geist könnte nicht die Materie schaffen, das Gute könnte nicht das Böse hervorbringen, noch könnte das Leben sein Gegenteil, den Tod, verursachen oder im Tode enden. Eine Wirkung muß bekanntlich mit ihrer Ursache im Einklang stehen. Wenn Gott die Liebe ist, wie Johannes sagt, und wenn Gott das Leben ist, dann ist die Liebe das Leben.
Ein Christlicher Wissenschafter befand sich einst in einer sehr peinlichen Lage, in der er viel Tadel und Verurteilung über sich ergehen lassen mußte. Er hatte nichts Unrechtes getan, weshalb er versucht war, andere zu verurteilen, daß sie im Unrecht seien. Dann kam ihm der Gedanke, daß er als Christlicher Wissenschafter bestrebt sein müsse, jeden Menschen so zu sehen, wie er in Wirklichkeit ist. Weiter kam ihm zum Bewußtsein, seine sogenannten Feinde lieben heiße den Glauben, daß es Feinde zu fürchten oder zu hassen gebe, zerstören. Vor dieser Erkenntnis verlor das Traumbild sehr bald seine Scheinwirklichkeit, und die Folge war eine bessere Auffassung von wahrer Freundschaft.
Als unser geliebter Meister und Wegweiser sagte: „Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch untereinander liebet”, zeigte er, wie wichtig es ist, das erste Gebot zu halten, indem man nichts denkt, was der Liebe unähnlich ist. Und Mary Baker Eddy, unsere verehrte Führerin, sagt in ihrem Gedicht „Liebe” (Gedichte, S. 7): „Die Liebe allein ist das Leben”. Ihre Erklärung weicht von dem Ausspruch des Johannes nicht ab und legt außerdem Nachdruck auf die Wichtigkeit der Ermahnung Christi Jesu. Es ist bezeichnend, daß unsere Führerin wie der Meister und sein geliebter Jünger in Übereinstimmung mit dieser Lehre lebte.
Wenn „Gott Liebe ist”, wie Johannes sagt, und wenn „die Liebe allein das Leben ist”, wie unsere Führerin geoffenbart hat, dann heißt lieben leben; und wir widerspiegeln nicht wahrhaft das eine Leben, wir leben nicht wahrhaft, wenn wir nicht lieben. Lieben heißt nicht, daß wir Böses oder Irrtum irgend welcher Art übersehen sollen. Es heißt aber, daß wir nur dann wahrhaft lieben, wenn wir das scheinbar Böse in unserem Denken als nichts sehen, uns weigern zu glauben, daß Böses ein Teil des wirklichen Menschen sei oder je Gewalt über ihn habe. Sehr oft zeigen wir unsere Liebe am besten dadurch, daß wir Unrechttun laut und im stillen zurechtweisen, daß wir es ablehnen, mit solchen, die vorsätzlich Böses tun, Gemeinschaft zu haben, und daß wir uns weigern, dem falschen Anspruch des Bösen gegenüber eine duldsame Haltung einzunehmen.
Christus Jesus sagte: „Das ist aber das ewige Leben, daß sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen”. Und Gott als die Liebe erkennen — sich nur der Liebe bewußt sein und die Liebe widerspiegeln — ist wahrlich „das ewige Leben”. Es ist einleuchtend, daß nichts Materielles uns befähigen kann, mehr zu lieben und somit mehr zu leben. Und ebenso einleuchtend ist es, daß nichts Materielles uns abhalten kann, so zu lieben und zu leben. Der ganze Sachverhalt läßt sich kurz dahin zusammenfassen, daß reichlich lieben reichlich leben und immerdar lieben immerdar leben heißt.
