Der wirkliche Mensch ist das Kind Gottes, die die göttliche Liebe widerspiegelnde vollkommene Idee des göttlichen Gemüts. Jeder Mensch sollte daher Gott lieben und nach geistiger Nahrung und geistiger Erleuchtung Verlangen haben. Dies gilt ohne Rücksicht auf Rassenzugehörigkeit, Umgebung oder Glaubensanschauungen. Die Maske falscher Persönlichkeit, heidnische und weltliche Lehren, falsche Vorstellungen vom Wesen Gottes und des Menschen mögen das Einströmen geistigen Lichtes in das Bewußtsein der Menschen zu hindern scheinen; aber dies ist nur scheinbar. Denn nur der geistige Mensch ist wirklich. Wird der Christus, die Wahrheit, recht empfangen, so wird er das verfinsterte Bewußtsein früher oder später durchdringen und mit der heilenden Kraft geistigen Verständnisses erleuchten.
Bietet daher der Christliche Wissenschafter dem forschenden Denken die Christliche Wissenschaft der, sei dieses Denken vorher heidnisch oder in menschliche Philosophie und schulmäßige Theologie verstandesmäßig versunken gewesen, sei es das Denken des Juden oder des Ungläubigen, so muß er seine gottverliehene Weisheit anwenden und die Wahrheit dem Empfänger so darbieten, daß ihre göttliche Art offenbar wird. Unser geliebter Meister lehrte seine Jünger das Evangelium predigen; aber er warnte sie auch, die Wahrheit dem unempfänglichen Denken darzubieten. „Und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen, auf daß sie dieselben nicht zertreten mit ihren Füßen”, erklärte er. Zweifellos kann das Evangelium auf rechte Art so geschickt und so überzeugend dargeboten werden, daß das hörende Ohr die Botschaft erfaßt und das empfängliche Herz erklärt: „Mein Herr und mein Gott”, wie einst der zweifelnde Thomas ausrief.
Das Ergründen der Verfahren, nach denen das heilende Evangelium der Wahrheit in den in der Bibel berichteten Fällen dem menschlichen Denken dargeboten wurde, ist in der Tat lehrreich. Beachten wir, wie Christus Jesus den zwei Jüngern auf dem Wege nach Emmaus den Christus erklärte! Der Meister war verraten worden, die Gefangennahme, das Verhör, die Flucht der Jünger, die Kreuzigung, die Auferstehung, das alles hatte stattgefunden. Die nach Emmaus wandernden zwei Jünger waren zweifellos infolge von auf sie einstürmenden Zweifeln und Fragen beunruhigt. Da kam der auferstandene Meister und wandelte mit ihnen. Und wir lesen im Evangelium des Lukas, daß er „anfing von Mose und allen Propheten und legte ihnen alle Schriften aus, die von ihm gesagt waren”. Was geschah dann? „Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn”. Dann „verschwand” der körperliche Jesus „vor ihnen”.
Beachten wir, wie der Meister zu Werke ging! Er begann mit Mose und den Propheten, um sie zu lehren und in ihrem Denken diese Lehren mit seiner Sendung in Zusammenhang zu bringen. Warum? Weil diese Jünger in den Schriften des Alten Testaments unterwiesen worden waren. Sie hatten sich zu der mosaischen Offenbarung bekannt. Jesus begann daher folgerichtig mit den Lehren Mose’s und der Propheten. Diese Lehren boten ihm eine feste Grundlage im Bewußtsein der beiden Jünger, von der der Meister mit seiner Auslegung der Ereignisse und der Lehren der neuen christlichen Offenbarung, in deren Mittelpunkt er selber stand, ausgehen konnte. Wie aufmerksam die Jünger lauschten! Wie ihr Herz berührt wurde! „Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, da er mit uns redete auf dem Wege, als er uns die Schrift öffnete?” So wurde in ihrem Bewußtsein die natürliche Aufeinanderfolge der herrlichen Lehre des Alten und des Neuen Testaments und die Offenbarung der Einheit Gottes und des Menschen festgelegt.
Unter vielen anderen Beispielen ist beachtenswert, wie Philippus dem Bericht in der Apostelgeschichte gemäß das Evangelium darbot. Philippus sah, daß der Kämmerer aus Mohrenland nicht verstand. Auch diesem fehlte der logische Zusammenhang zwischen der alten und der neuen Offenbarung. Daher die eindringliche Frage des Philippus: „Verstehest du auch, was du liesest?” Auf die verneinende Antwort behandelte Philippus das Problem auf der Grundlage der Stelle im Propheten Jesaja, die der Kämmerer gerade las, legte die Schrift aus und machte ihm klar, daß der Messias in Christus Jesus gekommen sei. Der Kämmerer glaubte dies, und der Erlösungsplan entfaltete sich ihm.
Beachten wir auch die Weisheit des Paulus zu Athen! Er begegnete dort dem verstandesmäßigen, in gelehrter Besprechung geschulten Denken, das nicht durch Folgern vom mosaischen oder christlichen Standpunkt aus zu erreichen war. Wahrscheinlich sah sich Paulus vor die Frage gestellt: Wo kann ich einen Anknüpfungspunkt, einen gemeinsamen Boden finden, auf dem sie mit mir übereinstimmen und mir Gelegenheit bieten, sie auf dem Wege des Lichts höher zu führen? Er wußte, daß es in ihrem Denken einen Punkt geben mußte, über den sie nicht hinauskamen, wo er ihnen auf annehmbare Art begegnen konnte, und von wo aus er mit ihnen über Gott, das Weltall und den Menschen sprechen konnte. Paulus hatte keine Eile; er wartete seine Zeit ab. Da sah er einen Altar: „Dem unbekannten Gott”. Hier bot sich ihm Gelegenheit, dies war die offene Tür; denn diese Inschrift bestätigte die Armut ihrer heidnischen Annahmen, ihr Gottesbedürfnis. Von der Grundlage dieses Bedürfnisses aus folgerte Paulus mit den Athenern und verkündigte ihnen in jener wunderbaren Rede, die dem christlichen Denken aller nachfolgenden Jahrhunderte eine Hilfe war, den wahren Gott.
Als Mary Baker Eddy ihre Entdeckung der Christlichen Wissenschaft in die Öffentlichkeit brachte, waren ihr dabei zwei wichtige Umstände eine gewaltige Hilfe: erstens, daß ihre Entdeckung auf den Lehren der Bibel beruhte, zweitens, daß ein großer Teil der Menschheit sich in gewissem Grade zu den Lehren der Bibel bekannte. Somit war das für ihre Lehre der göttlichen Wissenschaft und deren heilende Wirkung schon vorbereitete Feld für die Ernte reif. Da sich ihre Lehren auf die Bibel gründeten, konnte sie das christliche Denken erreichen und zu jenen höheren Entfaltungen der Wahrheit führen, die die Allheit Gottes und die Nichtsheit der Materie und des Bösen lehren. Es ist beachtenswert, daß sie zu Anfang ihrer Arbeit über Bibelstellen predigte, und in „Miscellaneous Writings” hat sie uns unter der Überschrift „Bibellektionen” Teile einiger ihrer Predigten hinterlassen. Wie Jesus auf dem Wege nach Emmaus hat auch sie die Christliche Wissenschaft auf der Grundlage von Mose und den Propheten und außerdem von Christus Jesus und den Jüngern ausgelegt. Sie hatte sowohl die mosaische als auch die christliche Offenbarung als Grundlage für ihre Lehren.
Da ihre Entdeckung oder Offenbarung der Christlichen Wissenschaft auf der Bibel beruht, zu der sich die Christenheit bekennt, sah sie vor, daß auch die Lektionspredigten in allen christlich-wissenschaftlichen Kirchen „ausgewählte Stellen aus der Bibel mit entsprechenden Abschnitten aus dem christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch” (christlich-wissenschaftliches Vierteljahrsheft) sein sollen, und Ergebnisse haben ihre Weisheit in umfassendem Maße bewiesen. Diese Verbindung der Bibel mit dem christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch in den Lektionspredigten bei den Sonntagsgottesdiensten und beim Vorlesen in den Mittwochabendversammlungen hat das Gedeihen der christlich-wissenschaftlichen Bewegung gesichert und gestärkt. Die Christlichen Wissenschafter sind in der Tat dankbar, daß ihrer Führerin Mrs. Eddy die Erkenntnis der Vollständigkeit des Gewandes Christi, die allein die Völker erlösen kann, geoffenbart wurde. Ihre Erkenntnis kommt am besten in ihren eigenen Worten zum Ausdruck: „Das Christentum Christi ist die Kette des wissenschaftlichen Seins, welches zu allen Zeiten wiedererscheint, sich in seiner unverkennbaren Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift behauptet und alle Zeiten in dem Plan Gottes vereinigt” (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 271).
Es ist von großem Wert, darauf hinzuweisen, daß die Lehren und Erklärungen der Christlichen Wissenschaft auf der Bibel beruhen. Wo das menschliche Denken sich den unvertrauten christlich-wissenschaftlichen Erklärungen der Christlichen Wissenschaft vielleicht widersetzen würde, gibt es häufig nach, wenn diese Erklärungen auf Grund der Bibel und besonders der Worte und Werke Christi Jesu erläutert werden. Das unaufgeklärte Denken mag z.B. die Lehren der Christlichen Wissenschaft von der Unwirklichkeit der Materie leugnen. Schenkt es aber den Lehren Jesu Glauben und Verehrung, so wird es Jesu Erklärung: „Das Fleisch ist nichts nütze” beachten, wenn es darauf hingewiesen wird.
Ferner könnte gegen die Lehren der Christlichen Wissenschaft betreffend das im Kirchenhandbuch (Art. VIII, Abschn. 6) vorgesehene Sich-schützen gegen „aggressive mentale Suggestion” Einspruch erhoben und in Abrede gestellt werden, daß solche Lehren biblisch berechtigt seien. Aber Christus Jesus warnt im 10. Kapitel des Evangeliums des Johannes seine Jünger, auf der Fremden Stimme — aggressive mentale Suggestion — zu horchen, und erklärt, daß die Schafe nur die Stimme des Hirten — des Christus — hören, sie kennen und ihr folgen. Hat der Sucher die biblische Grundlage des christlich-wissenschaftlichen Denkens erlangt, so ist er bereit, die erleuchteten Lehren der Christlichen Wissenschaft anzunehmen.
Um für weise Darbietung der Evangeliumsbotschaft die Grundlage des Denkens zu erkennen, ist klares geistiges Schauen erforderlich. Der Christliche Wissenschafter, der andere zur Annahme der Christlichen Wissenschaft führt, muß den geistigen Einblick, menschliche Gedanken zu lesen, erlangen; und dazu ist geistiges Wachstum erforderlich. Dann kann er die Wahrheit liebevoll darbieten und freudig erwarten, daß vor ihrer durchdringenden Kraft die strittigen Punkte im menschlichen Bewußtsein vergehen werden, so daß der neue Jünger ungehindert den klaren Pfad einschlagen kann.
Wie kann z.B. ein Sonntagsschullehrer in Übereinstimmung mit diesem Gedankengang die Aufmerksamkeit einer Klasse Knaben fesseln und in ihnen das Verlangen nach geistigem Verständnis wecken? Sie haben häusliche Probleme, Schulprobleme, körperliche Probleme. Sie haben das Verlangen, etwas zu tun und zu vollbringen. Zeigen wir ihnen, wie die Christliche Wissenschaft die Probleme für sie lösen und sie führen kann! Entdeckt ein Knabe, daß die Christliche Wissenschaft ihn durch rechtes Denken auf dem Spielplatz beschützt, ihm bei seinen Prüfungen hilft, ihn vor Haß und Ungerechtigkeit bewahrt und ihn freundlicher und rücksichtsvoller macht, so wird sie ihm wertvoll. Er sieht, daß die Christliche Wissenschaft in seine täglichen Angelegenheiten hineinpaßt; er nimmt sie dann an; ihre Lehren werden ein Teil seines täglichen Lebens.
Ein Geschäftsmann kümmert sich vielleicht nicht viel um Religion; aber seine Geschäftsangelegenheiten interessieren ihn gewöhnlich sehr, und scheinbare Schwierigkeiten im Geschäft können ihm Kummer und Sorgen bereiten. Falls ihm die Christliche Wissenschaft angeboten wird, erwacht sein Interesse, wenn ihm gezeigt wird, daß schlimme Zustände nicht von Gott sind und durch das Verständnis der Christlichen Wissenschaft überwunden werden können. Er hört bereitwillig auf ihre Botschaft und ist bestrebt, zur Berichtigung aller menschlichen Irrtümer Einblick in ihre Verfügbarkeit zu erlangen. So kommt das Wort Gottes zu ihm, um in seinem Bewußtsein als erhebende, erlösende Kraft zu wohnen.
Weil Mrs. Eddy die Botschaft der Christlichen Wissenschaft weise und in Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift dargeboten hat, „demonstriert das Christentum durch das apostolische Werk des Austreibens von Irrtum und des Heilens von Kranken aufs neue das Leben, das Wahrheit ist, und die Wahrheit, die Leben ist” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 97).
