Unsere geliebte Führerin schreibt (Miscellaneous Writings, S. 185): „Das Aufgeben dessen, woraus der sogenannte materielle Mensch besteht, und das Anerkennen und Erlangen seiner geistigen Wesenseinheit als Kind Gottes ist die Wissenschaft, die die Schleußen des Himmels öffnet, aus denen das Gute in jeden Kanal des Seins hineinströmt”. Die ernste Arbeit, die Wahrheit dieser wunderbaren Erklärung zu erkennen, nimmt ihren Anfang damit, daß man beständig bestrebt ist, in Ausdrücken des Geistes zu denken, während man einstweilen anscheinend genötigt ist, materiellem Denken gemäß zu handeln. Das heißt, daß man sich harmonisch unter den Menschen bewegt und dennoch in Bewußtsein das Wirkliche und das Unwirkliche klar auseinanderhält.
Wir lernen verstehen, daß das Verzichten auf ein rein materielles Vergnügen bedeutet, daß man dem Schmerz der unvermeidlichen Nichterfüllung seines Versprechens entrinnt. Wir lernen in der Christlichen Wissenschaft die Annahme intelligenter Materie vernichten und im geistigen Sinn weilen, den nur das erfreut, was Gott gefällt. Diese Freude ist beständig, weil sie nicht von Persönlichkeit sondern vom Prinzip abhängt; es ist die Freude des Christus, der unsere Freude vollständig macht. Wenn das Denken von Eigenliebe und Eigenwillen frei wird, werden wir für die Segnungen von Gott empfänglich, die an Lieblichkeit und wahrer Befriedigung alles übertreffen, was wir uns je haben träumen lassen.
Das wahre Wesen der Betätigung des Christentums ist Selbstzucht um anderer willen. „Ich heilige mich selbst für sie, auf daß auch sie geheiligt seien in der Wahrheit”, könnte man den Grundton des Wirkens Jesu nennen. „Für sie” sollte unser Wahlspruch sein, wenn wir das wahre Selbst suchen, das uns aus der Knechtschaft zu reineren Freuden führt. Wer die Freude der Selbstverleugnung um des allumfassenden Guten der Menschheit willen verstehen lernt, vermehrt seine Schätze täglich durch wohlgemutes, liebevolles Dienen. Das wissen nur diejenigen, deren lebhaftes Erfassen wahrnimmt, daß die eine unendliche Liebe alle in ein unendliches Segnen und Wirken einschließen muß. Wenn die Widerspiegelung der allumfassenden Liebe in unseren Herzen erstrahlt, werden wir uns der Schwachen und Strauchelnden annehmen und uns bemühen, ihre Lasten zu erleichtern und sie zu erwecken und zu heilen. Denn die Liebe Gottes ist grenzenlos, allumfassend. Wie geduldig der große Meister die Zuneigungen seiner Jünger von der menschlichen Persönlichkeit wegzulenken und sie zu lehren suchte, daß nicht das Äußerliche und Persönliche, sondern das Geistige und Ewige ihr höchster Schatz ist, und daß das Verzichten auf das Persönliche um des Geistigen willen nur Freude bringt!
Die göttliche Liebe strahlt unparteiisches Wohlwollen aus, indem sie nicht nur die menschlichen Neigungen mit Selbstlosigkeit und Reinheit beseelt, sondern auch Lieblichkeit und Licht in jene Beziehungen bringt, in denen wenig Rücksichtnahme oder Liebe zu herrschen schien. Der Grad unseres wahren Liebens bestimmt den Grad unseres rechtschaffenen Lebens. Entsagung ist immer die Frucht der Liebe, die die Liebe widerspiegelt. Wir geben nur den falschen Sinn von Liebe, von Leben, von Glück, von Vermögen und Besitz auf, die alle endlich sind und sogar das menschliche Gefühl enttäuschen.
Mit der Liebe als der Ursache, der Quelle aller wirklichen Wirkung, Mittel und Ziele erheben wir uns aus materiellen Träumen zum Erfassen der Tatsache, daß der Mensch mit unbeeinträchtigter Freude und Vollkommenheit vollständig ausgestattet ist. Wie ermutigend es ist, zu wissen, daß diese Anstrengung nicht selbstsüchtig ist! Jeder, der irgend etwas tut, um sein Denken zu vergeistigen, hilft der Welt; denn durch sein aufopferndes Bemühen wird nicht er allein, sondern die ganze Menschheit entsprechend reicher. Das Beispiel eines Schülers, der sich ernstlich bemüht, gottähnlicher zu werden, ist ein starker Ansporn für andere, desgleichen zu tun; denn er strahlt in gewissem Maße wahren Frieden und wahre Freude aus.
Über den Grad des von uns geforderten Fleißes kann nicht der geringste Zweifel herrschen. Dieser Fortschritt ist kein Vorgang mit Unterbrechungen; er muß Tag für Tag und Schritt für Schritt durch stets erneutes Bemühen vor sich gehen. An Stelle von zeitweiligem gutem Denken muß anhaltendes gutes Denken treten, und dieses Trachten muß die Hauptsorge, ja, der Hauptzweck unseres Lebens sein. Der Prophet verkündigt die Versicherung Gottes: Ihr werdet mich suchen und finden ... so ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet”. Zuweilen mag es anscheinend einen Kampf kosten; aber der Kampf ist nicht von Gott auferlegt. Es ist ein durch die falschen Annahmen des sterblichen Gemüts selbstauferlegter Kampf. Warum sollten wir die aufzuwendende Mühe bereuen, wenn Friede und Freude das Ergebnis ist? Warum sollten wir uns an den Glauben an ein sterbliches Selbst klammern, wenn uns Selbstverleugnung zu der Erkenntnis führt, daß wir Gottes Kinder sind?
Dieses Bemühen bereitet keinen Kummer, sondern Freude, weil jeder christusähnliche Gedanke, jede Erklärung der Wahrheit uns hilft, wirklichen Fortschritt zu machen. Die Freude, die durch Entsagung kommt, bedeutet eine Offenbarung von Gott und eine Umwandlung des Denkens. Der Christus wird uns offenbar, und der Pfad zum Aufstieg wird klarer. Das neu erweckte Bewußtsein des Einsseins mit dem Vater erhebt und erfrischt uns so sehr, daß das Leben etwas Neues und Wunderbares wird und unser Fuß Schritt hält mit der Weise eines neuen Liedes, eines Liedes des Dankes für die Gelegenheit, sich dadurch selbst zu verleugnen, daß man liebt, durch Dienen wächst und durch Geben empfängt.
Die wunderbare Liebe des Vaters gießt ihre Glückseligkeit und ihren Freudenschimmer über das ganze Weltall aus, und es kann keinen Raum für Traurigkeit geben, da das Aufgeben des Unwirklichen Freude bringt. Wir finden, daß wir uns von einer Wüste einem blühenden Garten zuwenden, daß wir eine drükkende Last gegen die Schwingen des Glaubens und der Liebe austauschen, und daß die Freude des sich erhebenden Denkens allen Sinn von Opfer auslöscht. Das heißt wahrlich mehr als Sieger sein; es heißt alles gewinnen und nichts, was wirklich ist, verlieren.
Freuen wir uns, daß wir die wunderbare Bewegung der Christlichen Wissenschaft, für die wir arbeiten, lieben, und lasset uns sicher sein, daß wir keinen persönlichen Gewinn oder Ruhm suchen! Lasset uns ohne den leisesten Zweifel wissen, daß in Gottes Weltall nichts Böses geschehen ist, nichts Böses geschieht noch geschehen wird, weil Gott, das Gute, immer gegenwärtig ist und der wahren Erkenntnis der göttlichen Tatsachen gemäß keine unharmonischen Ereignisse irgend welcher Art stattfinden oder je geschehen können. Es kann daher nichts Tatsächliches geben, das man aufzugeben braucht, oder worauf man zu verzichten hat. Der Mensch Gottes hat nicht darauf zu warten, daß etwas stattfindet, daß etwas zustande kommt, da alles Gute besteht und es nichts Böses gibt.
Dringen wir in diesem freudigen Erwachen zielbewußt vorwärts, so erkennen wir, daß sich ein neues Selbst entfaltet, daß wir einen neuen Himmel und eine neue Erde erleben, und daß die Christliche Wissenschaft durchaus nicht bloß theoretisch, sondern praktisch und beweisbar ist. Wirkliche Freude bereitet das Verzichten auf alles, was die Erkenntnis unserer göttlichen Sohnschaft und eifrigen, liebevollen Gehorsam gegen diese Erkenntnis hindern könnte. Es ist nicht immer leicht, auf dem Wege aus der Wüste heraus zu gehen. Dieser Weg ist immer gerade und schmal; doch können wir versichert sein, daß er uns, wenn wir ihn einhalten, in das Land der Verheißung, den Himmel der Harmonie führt.
Wenn das Licht Gottes hell in unser Bewußtsein scheint, sind keine materiellen Schatten darin. Es können keine darin sein, wenn wir nicht zulassen, daß die falschen Sinne dem Sonnenschein, dem Licht und der Harmonie, den Weg versperren. Wenn wir den Blick standhaft auf Gott richten und mit Ihm auf dem von Ihm gewiesenen geraden und schmalen Wege gehen, vergehen die Schatten einer falschen Auffassung vom Selbst, und wir „freuen uns mit unaussprechlicher und herrlicher Freude”.
Mrs. Eddy schreibt in „Miscellaneous Writings” (S. 238): „Unser Leben muß die rechte Antwort auf folgende Fragen geben, dann ist es schon gesegnet: Hast du dem Selbst entsagt? Bist du treu? Liebst du?”
Es ist unmöglich, ein Volk, das die Bibel liest, mental oder sozial zu versklaven.—
