Freundschaft als Idee des Gemüts ist eine der köstlichen Gaben Gottes für Seine Kinder. Sie ist ewig, unveränderlich und strahlt in dem widergespiegelten Licht der vollkommenen Liebe. Das Verständnis ihres wahren geistigen Wesens hebt alle menschlichen Beziehungen höher und ist jedermann erreichbar. So verstanden, erhebt uns Freundschaft über Selbstsucht, Einsamkeit und Begrenzung zu nützlichem Dienst, Freude und Freiheit. Sie ruft die edelsten Eigenschaften in uns wach und Hilft uns das wahre Sein verstehen. Wie die Frühlingsblumen die Wiesen in herrlichen Farben prangen lassen, so erheitert und erfreut wahre Freundschaft das Herz, das rein genug ist, sie zu hegen; und wie die Blumen Licht brauchen, so bedarf auch sie des Sonnenscheins der Liebe.
Das Wort „Freund” kommt von einem angelsächsischen Zeitwort her, das „lieben” bedeutet. Aber Freundschaft ist so allgemein mißbraucht und verdreht worden, daß unsere verehrte Führerin Mary Baker Eddy in „Rückblick und Einblick” (S. 80) geschrieben hat: „Die Erde kennt keine größeren Wunder als die Vollkommenheit und ungebrochene Freundschaft”.
Christi Jesu Lebenszweck war, der Menschheit die unendliche Freundschaft Gottes zugänglich zu machen. Durch seine Widerspiegelung der göttlichen Liebe war der Meister der größte Freund der Welt, und er wiederum lehrte seine Nachfolger, wie sie wahre Freunde werden konnten. Als Wirkung seines Denkens strahlte er Freundlichkeit aus, und als er den Aussätzigen, den Sünder oder den Bettler sah, ging er nicht „vorüber”. Liebreich und erbarmungsvoll machte er Blinde sehend, tröstete er Traurige und führte solche, die nach Gerechtigkeit dürsteten, zu Quellen lebendigen Wassers. Das Wohl der Menschheit stand in seinem Denken an erster Stelle, und er riet seinen Nachfolgern, anderen ein Freund zu sein, indem er ihnen versicherte: „Ihr seid meine Freunde, so ihr tut, was ich euch gebiete”. Er anerkannte keine Bande des Fleisches; aber er war den Notleidenden ein Freund. Er nannte seine Jünger nicht Diener sondern Freunde. Er bewies im Garten Gethsemane die Überlegenheit der Liebe über Haß und nannte Judas „Freund”. Und er erwies sich als Freund der ganzen Menschheit, als er sich am Kreuz opferte, damit Gottes Zweck und Plan besser verstanden würde.
Das Verlangen, ein Freund zu sein, führt uns dazu, das Selbst aufzugeben und das göttliche Prinzip, die Liebe, auszudrücken. Wir können ganz gut damit beginnen, daß wir uns selber Freunde sind. Über uns selber und andere so denken, wie Gott Seine Kinder kennt, befreit uns von Selbstverdammung, Selbstbegrenzung, Selbstbedauern, und erhebt unser Denken zu der Erkenntnis, daß alle die von dem Vater unzertrennlichen Söhne Gottes sind. Wenn wir unser Gemüt mit Gedanken der Wahrheit und der Liebe erfüllen, sind Geduld, Treue, Wahrhaftigkeit, Freigebigkeit, Freudigkeit und andere Eigenschaften der Beweggrund unseres Handelns, und in dem Maße, wie wir sie bekunden, können wir die gleiche Erfahrung wie Abraham machen, der mit Gott redete und als Sein Freund bekannt war. Dieses Schätzen der Freundlichkeit Gottes heilt uns von dem unbefriedigten Sehnen, persönlich geliebt und verstanden zu werden. Es erzeugt einen neuen Geist des Liebens, und wir werden demütig und erbarmungsvoll, wenn wir eine selbstlosere Liebe füreinander bekunden.
Das Selbst vergessen und ein Freund werden, heißt am Vernichten alles Bösen und am Erlösen der Welt überaus wichtigen Anteil nehmen. Es heißt Dienstfertigkeit und Treue zu Grundfaktoren in unserem Leben machen. Dann erfreuen wir uns jenes inneren Friedens, den das sterbliche Gemüt weder geben noch nehmen kann. Es bedeutet eine Gelegenheit, das Wohlwollen zu pflegen, das Jesus aufzurichten suchte. Das Selbst vergessen und ein Freund sein, bedeutet geistiges Wachstum im täglichen Leben. In dem Maße, wie wir geben, empfangen wir. Wahre Freundschaft dauert fort, auch wenn die Hoffnung schwindet und der Mut erlischt; und in Demut danken wir Gott für den Geist der Freundschaft.
Wer glaubt, sein Leben sei grau und düster, sollte danach streben, allen ein Freund zu sein. Dann wird er in seinem Bemühen, die geistigen Eigenschaften der Freundschaft in die Tat umzusetzen, sein eigenes Alltagsleben bereichert finden. Denn wir müssen Freundschaft im Reiche des Geistes suchen, wenn sie von Dauer sein soll. Sie muß stets aufrichtig und rücksichtsvoll sein; sie muß eher befreien als beherrschen; sie muß eher zusammenarbeiten als an sich reißen oder aufzehren. Jeder Tag bietet neue Gelegenheit, die Freundschaft zu stärken, in der sowohl Freude und Heiterkeit zu teilen sind als auch wortloses Verstehen und geduldiges Zuhören zu ihrem Recht kommen müssen. Dieser Austausch hat den Segen der Schönheit geistiger Reinheit.
Es ist leicht, sich mit einem Freund zu befreunden; aber Jesus lehrte uns, daß wir uns auch mit einem Feind befreunden müssen. Was für eine Freude, einen Feind als Freund zu gewinnen! Wenn wir unser Denken zu der Wahrheit des Seins erheben, finden wir die Harmonie und Vollkommenheit des wirklichen Wesens unseres sogenannten Feindes, und wenn wir beharrlich an diese Eigenschaften denken vergeht der Sinn der Feindschaft, und der Mensch der Schöpfung Gottes wird offenbar. Zeit und Umstände ändern unsere menschlichen Beziehungen; aber wenn auch die Sterblichen kommen und gehen mögen, Freundschaft, die auf das Prinzip gegründet ist, wird von Wechsel- oder Verlustannahmen nicht berührt. Ist sie auf diese geistige Grundlage gegründet, so findet sie jeden Augenblick Ausdruck. Freundschaft muß sich über die Angriffe Eifersucht, Neid oder Mißverständnis erheben. Sie ist vielen Anfechtungen und Prüfungen ausgesetzt, und wir müssen die Güte unserer Freundschaften durch unsere auf das Prinzip gegründete Treue beweisen. So können wir das Trennungsargument, das Freundschaft zu vernichten trachtet, dadurch heilen, daß wir uns die Segnungen ins Gedächtnis rufen, die uns ein wahrer Sinn von Freundschaft schon eingebracht hat.
Von Jahrhundert zu Jahrhundert wird die Menschheit besser verstehen lernen, daß Mary Baker Eddy eine Freundin der ganzen Welt war. Sie hatte den Geist christlichen Dienens, der sich der Menschheit annahm. Sie war eine barmherzige Samariterin, die vernichtete Hoffnungen wieder aufleben ließ und die Kranken und Niedergeschlagenen mit einer Liebe heilte, die von geistigem Verständnis eingegeben war.
Die Botschaft der Christlichen Wissenschaft erstreckt sich über den ganzen Erdball und führt Leute aus hohen und niederen Ständen, die bestrebt sind, die mächtige Sache weiterzuführen, zusammen. Wenn wir den menschlichen Begriff von Freundschaft aufgeben und die göttliche Idee erfassen, lernen wir in unseren Kirchen einmütig zusammenarbeiten, und unsere Geistesverwandtschaft und Einigkeit nehmen zu. Im Bewußtsein jedes Wissenschafters muß ein Sinn von Freundschaft herrschen, der rein genug ist, sich über Persönlichkeit zu erheben und jede von jedem Mitglied bekundete gute Eigenschaft zu schätzen. Kraft seiner Kirchenmitgliedschaft kann jeder einzelne beweisen, daß er dem Ruf des Meisters folgt: „Kommet her zu mir”. Die wahre Idee Freundschaft erkennt die zwischen Gott und Seinen Ideen bestehende Einigkeit und weiß daher, daß unsere Kirchen auf ewig in der unumstößlichen Liebe geborgen sind.
Die Christliche Wissenschaft ist die Grundlage allumfassender Gemeinschaft, die uns durch Gotteserkenntnis vereinigt. Im Propheten Jesaja wird uns verheißen: „Die Herrlichkeit des Herrn soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen”. Heute arbeiten und beten viele in der Welt für diese Kundwerdung. Gott will, daß alle Seine Kinder in Freundschaft leben, und keine falsche Annahme kann Seinen Plan vereiteln. Daher wird die Welt durch wahre Freundschaft erlöst werden; denn nur geistige Freundschaft kann die Gesittung aufrecht erhalten. Nur sie wird die Völker befähigen, eine neue Welt gestalten zu helfen, in der es weder Furcht noch Haß, weder Habgier noch Verdacht, weder Unehrlichkeit noch Hinterlist gibt. Freundschaft wird die Völker in dem einen gemeinsamen Guten vereinigen, wo die zu Krieg führenden Wege auf ewig geschlossen sind. Die Vielgötterei und die vielen Glaubenslehren werden aufhören, und der eine allumfassende vollkommene Freund, Gott, wird als allerhaben bewiesen werden.