Auf Seite 494 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” lesen wir einen Satz, der als Inschrift auf den Wänden vieler christlich-wissenschaftlicher Kirchengebäude benützt ist, und der schon unzähligen Menschen Hilfe und Ermutigung gebracht hat. Dieser Satz von Mary Baker Eddy, der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, lautet: „Die göttliche Liebe hat immer jede menschliche Notdurft gestillt und wird sie immer stillen”.
Manche junge Schüler der Christlichen Wissenschaft haben sich wohl schon gefragt, wie oder auf welche Art die göttliche Liebe menschliche Bedürfnisse stillt, da sie sich doch nur ihrer eigenen Vollkommenheit und der Vollkommenheit ihrer Schöpfung — des Menschen und des Weltalls — bewußt ist. Offensichtlich kann im unendlichen Gemüt, in der göttlichen Liebe, kein Sinn der Notdurft bestehen, auch kann die geistige Schöpfung der Liebe weder Mangel noch Unvollständigkeit kennen. Wenn daher Notdurft vorzuliegen scheint, kann sie nur im sogenannten menschlichen Gemüt sein.
Dann erhebt sich die Frage: Was tut dem menschlichen Gemüt not? Die Menschheit bedarf der Heilung, der Befreiung, der Erlösung. Furcht z.B. ist eines der Dinge, von denen die Menschheit erlöst werden muß. Was vernichtet Furcht? Das Bewußtsein der Allgegenwart und Allmacht der Liebe. Der Apostel Johannes schrieb (1. Joh. 4, 18): „Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibt die Furcht aus”. Man sieht also, daß die göttliche Liebe, in der es keine Furcht gibt, ihre Allheit durch inspirierte Schriften enthüllt und so Furcht aus dem menschlichen Bewußtsein austreibt und eine schreiende Not stillt.
Ferner bedarf das menschliche Gemüt, das der Erkenntnis geistiger Vollständigkeit ermangelt, des Bewußtseins der Vollkommenheit, worin wahre Gesundheit oder Harmonie besteht. Und wie ist dieses Bedürfnis zu befriedigen? Mrs. Eddy hat diese Frage auf Seite 307 in „Miscellaneous Writings” mit einem kurzen Satz beantwortet. Dieser lautet: „Gott gibt dir Seine geistigen Ideen, und diese wiederum geben dir, was du täglich brauchst”. Da Gott, das göttliche Gemüt, durch eine Unendlichkeit immer gegenwärtiger und immer zugänglicher geistiger Ideen zum Ausdruck kommt, ist es also klar, daß das menschliche Bedürfnis auf diese Art befriedigt wird. Mit andern Worten, wer sich durch die Lehren der Christlichen Wissenschaft bewußt wird, daß die unbegrenzte Fülle der vollkommenen geistigen Ideen des Gemüts immer gegenwärtig ist, kann nicht mehr an das wirkliche Bestehen von Mangel oder Beschränkung irgend welcher Art glauben. Dieses wahre Bewußtsein bekundet sich in der menschlichen Erfahrung als ausreichende Versorgung mit dem Nötigen, und so wird das menschliche Bedürfnis befriedigt.
Materielle Veranschaulichungen sind in der Regel nicht ganz befriedigend. Daher erweist es sich oft als weise, den Plan zu befolgen, den Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther empfiehlt: „Geistliche Sachen geistlich zu richten”. In Erwägung der Frage: „Wie kann die göttliche Liebe eine Notdurft stillen, der sie sich nicht bewußt ist?”, dürfte es jedoch hilfreich sein, sich folgender Veranschaulichung zu bedienen. Nehmen wir an, die Sonne wisse nichts von den Welten, auf die sie scheint. Trotzdem wird jedem Planeten unseres Sonnensystems die Wohltat des Lichts der Sonne zuteil, weil es ihr Wesen ist zu scheinen. So wird die der Sonne zugekehrte Erdoberfläche durch ihre Strahlen erwärmt und beleuchtet. Ebenso kennt die göttliche Liebe die Probleme des menschlichen Daseins nicht; aber es ist ihr Wesen, sich unparteiisch auszudrücken, und alle, die ihr Denken der allumfassenden Liebe als dem Prinzip der Harmonie zuwenden und sich an ihr Gesetz halten, finden, daß sie entsprechend gesegnet werden.
Nehmen wir an, das menschliche Bedürfnis sei bessere Gesundheit, was oft der Fall ist. Wie befriedigt die göttliche Liebe dieses Bedürfnis? Die Liebe, lehrt die Christliche Wissenschaft, ist das göttliche Gemüt, und auf Seite 251 in Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy, daß „das göttliche Gemüt vollkommen macht, daß es durch die Wahrheit auf das sogenannte menschliche Gemüt wirkt und es dazu bringt, allen Irrtum aufzugeben und zu erkennen, daß das göttliche Gemüt das einzige Gemüt ist, sowie der Heiler von Sünde, Krankheit und Tod”. Könnte es eine bessere oder verständlichere Erklärung des Verfahrens oder des Vorgangs geben, wodurch das unsterbliche Gemüt, die göttliche Liebe, Krankheit heilt und so eine weitere menschliche Notdurft stillt?
Vielleicht das größte menschliche Bedürfnis ist, daß die Sterblichen von Sünde geheilt werden. Denn im allgemeinen ist das, was als Sünde bezeichnet wird, sei es in offenkundigen oder heimtückischen Formen, oft die Ursache nicht nur sogenannter körperlicher Krankheit, sondern auch vieler anderer Erscheinungsformen der Disharmonie. Wie kann man dann von Sünde in einer oder aller ihrer Formen geheilt werden? Wie soll man sich über die Annahmen Eifersucht, Neid, Habgier, Begierde, Schuld, Selbstverdammung, Selbstbedauern und die unzähligen anderen mit einem materiellen, sterblichen Sinn des Daseins verknüpften Übel erheben? Wiederum gibt uns unsere Führerin die Antwort und zeigt uns, wie diese größte menschliche Notdurft gestillt wird; denn auf Seite 469 in Wissenschaft und Gesundheit schreibt sie: „Irrtum wird durch die große Wahrheit ausgerottet, daß Gott, das Gute, das einzige Gemüt ist, und daß das angebliche Gegenteil des unendlichen Gemüts — Teufel oder Böses genannt — nicht Gemüt, nicht Wahrheit ist, sondern Irrtum, ohne Intelligenz oder Wirklichkeit. Es kann nur ein Gemüt geben, weil es nur einen Gott gibt. Wenn die Sterblichen auf kein anderes Gemüt Anspruch erheben und kein anderes Gemüt annehmen würden, dann würde die Sünde unbekannt sein”.
So lernen wir durch die Christliche Wissenschaft verstehen, warum die göttliche Liebe „jede menschliche Notdurft” dadurch stillt, daß sie dem menschlichen Bewußtsein die Tatsache offenbart, daß es in der unumschränkten Wahrheit keine Notdurft zu stillen gibt, daß es in Wirklichkeit keinen unerfüllten Wunsch, keinen Sinn der Unvollständigkeit oder Unvollkommenheit, keine Freudlosigkeit oder Disharmonie, keine Sünde, keine Krankheit, keinen Tod gibt. Die Behauptung, daß der Mensch —Gottes Widerspiegelung — einer dieser irrigen Annahmen unterworfen sei oder je war, ist nicht wahr und stammt nicht von der göttlichen Liebe, in der der Mensch ewiges, harmonisches Dasein hat. Das Verständnis der unveränderlichen Vollkommenheit des Menschen, des Sohnes Gottes oder der Idee des göttlichen Gemüts, ist der Christus, die Wahrheit, die von Jesus bewiesen wurde. Und sein geliebter Jünger schrieb: „Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, daß Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, daß wir durch ihn leben sollen”.
