Als Johannes der Täufer im Zweifel war, ob Christus Jesus der verheißene Messias sei, sandte er zwei seiner Jünger zu ihm, um ihn zu befragen. Jesus gab zu verstehen, daß er es sei, und zur Bestätigung erwähnte er die Wunder, die er vollbracht hatte. Durch sein geistiges Verständnis wurden die Blinden sehend, konnten die Lahmen gehen, wurden die Aussätzigen rein, erlangten die Tauben das Gehör, standen die Toten auf, wurde den geistig Armen — den von Herzen Demütigen — das Evangelium gepredigt (Matth. 11, 5). Die Werke, die er vollbracht hatte, sollten den Täufer von dem größten Ereignis in der menschlichen Geschichte, dem Kommen des Messias, überzeugen.
Viel Geheimnisvolles hat sich um das Leben Jesu und die von ihm vollbrachten Heilwunder gewoben. Viele haben versucht, seine Werke durch die Annahme zu erklären, daß Gott ihn mit geistiger Kraft besonders ausstattete. Sie haben ihn ganz richtig als einen angesehen, dessen Leben makellos — rein, gerecht, sittlich mutig, liebevoll, tief erbarmungsvoll — war, der Gott von ganzem Herzen und seinen Nächsten wie sich selber liebte. Und da sie so von ihm dachten, haben sie gefolgert, daß Gott ihn als eine Person auserwählt und ihm, als Person, eine viel größere geistige Kraft verliehen habe als irgend jemand anders.
Diese immer noch herrschende Art, von Jesus zu denken, anerkennt richtig des Meisters unübertroffene Güte und Kraft; aber sie gibt keine Erklärung für seine geistige Begabung, und zwar deshalb, weil sie nicht auf dem richtigen Verständnis Gottes und des Menschen beruht. Wer an dieser Ansicht festhält, denkt von Gott nach dem Muster eines menschlichen Wesens und glaubt, daß Er wie ein menschliches Wesen handle, während doch Gott nach der Christlichen Wissenschaft das unveränderliche Prinzip, das unendliche Gemüt oder der unendliche Geist ist.
Jesus dachte nicht in der soeben beschriebenen Weise von sich. Geheimnisvolles war seinem Wesen fremd. Er verstand den Vater zu gut, um Ihn innerhalb des Endlichen zu begrenzen. Jesus war der intelligenteste Mensch, der je lebte, weil er mehr als irgend jemand anders das unendliche göttliche Gemüt widerspiegelte. Er wußte, daß Gott sein Vater war — daß er der Sohn Gottes war. Er wußte auch, daß Gott der Vater aller Menschen ist — daß alle Menschen in ihrem wirklichen Selbst die Söhne Gottes sind.
Die Christliche Wissenschaft erklärt also die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen, zwischen dem Vater und dem Sohn. Sie lehrt, daß Gott das unendliche Gemüt ist; daß Er, da Er das Gemüt ist, sich in Ideen ausdrückt, und daß der Mensch daher die Idee, das Bild oder die Widerspiegelung des Gemüts ist. Der Meister wußte diese Wahrheiten und erkannte sie klarer als irgend jemand, der je auf Erden lebte.
Ferner enthüllt die Christliche Wissenschaft, daß der Mensch als die Widerspiegelung Gottes die Eigenschaften des vollkommenen Gemüts einschließlich der göttlichen Kraft widerspiegelt. Jesus bewies dies in erstaunlichem Grade, in einem seinem Verständnis entsprechenden Grade. Da sein Denken nie von der Wahrheit abwich, da sein Bewußtsein von Liebe überströmte und die Intelligenz des vollkommenen Gemüts ausdrückte, lehrte er andere die Wahrheiten des Geistes und übte zum Beweis dessen, was er lehrte, die geistige Kraft aus, die er besaß, indem er die Kranken heilte und Sünde überwand. Mit andern Worten, Jesus bewies sein Verständnis der idealen Wahrheit, des Christus — der Wahrheit, die Mrs. Eddy auf Seite 583 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” folgendermaßen erklärt: „Christus. Die göttliche Offenbarwerdung Gottes, die zum Fleisch kommt, um den fleischgewordenen Irrtum zu zerstören”.
Der Christus, die geistige Idee Gottes, die Jesus verstand und die ihn befähigte, Krankheit und Sünde zu heilen, ist der Menschheit immer zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu Gebote gestanden. Von dem Christus, mit dem er sich wesenseins erklärte, sagte Jesus: „Ehe denn Abraham ward, bin ich” (Joh. 8, 58). Es war der Christus, der Abraham aus dem Lande seiner Väter führte und ihn befähigte, „ein Freund Gottes” zu werden. Es war der Christus, der Noah und seinen Haushalt errettete, der Jakob beschützte, der Joseph Weisheit gab, der Mose die Kenntnis des unwandelbaren Sittengesetzes verlieh, der die hebräischen Propheten in ihrem Kampf gegen die Bosheit mit dem Bewußtsein der Gegenwart Gottes inspirierte. Alle diese Seher verstanden etwas von dem Wesen Gottes, etwas von der geistigen Wahrheit, etwas von der geistigen Idee oder dem Christus. Und der Christus, den sie verstanden, war ihr Erlöser.
Paulus schreibt in seinem Brief an die Philipper (K. 4, 13): „Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus”. Die Erkenntnis der geistigen Wahrheit stärkte ihn bei seinem großen Werk der Verbreitung des Evangeliums. Es war dieselbe geistige Wahrheit, die dem Meister, den er liebte und ehrte, die Kraft gegeben hatte, die er gegen den Feind — die Materialität oder das Böse — so glänzend ausübte. Die ideale Wahrheit — der Christus — erleuchtete und führte den Apostel in seiner ganzen Laufbahn segensreicher Selbstaufopferung für andere. Die ideale Wahrheit — der Christus, die Wahrheit — erleuchtete alle anderen Apostel bei ihren heldenmütigen Anstrengungen, die Lehren des Christentums in der ganzen Welt zu verbreiten.
Der Christus ist heute wie zur Zeit der Apostel bei uns, steht heute genau wie damals zur Verfügung, zu heilen und zu erlösen. „Christus ist die ideale Wahrheit, die da kommt, um Krankheit und Sünde durch die Christliche Wissenschaft zu heilen, und die Gott alle Kraft beimißt” (Wissenschaft und Gesundheit, S. 473). Und die christlich-wissenschaftliche Bewegung verkündigt dies der ganzen Menschheit. Der Christliche Wissenschafter weiß, daß er ohne das Verständnis Gottes und Seines Christus, der geistigen Idee oder der idealen Wahrheit, weder Krankheit noch Sünde heilen könnte. Aber in der ganzen Welt findet heute Heilung statt — Heilung von Krankheit, Sünde, Kummer und Schmerzen — und zwar vollständig durch die Kenntnis geistiger Wahrheit.
Der unpersönliche Erlöser, der ideale Christus, die Wahrheit, wurde Mrs. Eddy geoffenbart, als ihr irdisches Leben infolge eines Unfalles bedroht war und sie durch den Christus geheilt wurde. In „Miscellaneous Writings” (S. 180) schreibt unsere Führerin nach Erwähnung ihrer Entdeckung der Christlichen Wissenschaft im Jahre 1866: „Eine liebe alte Dame fragte mich: ‚Wie kommt es, daß Sie uns wiedergegeben sind? Ist Christus wieder auf die Erde gekommen?‘ ‚Christus hat uns nie verlassen‘, erwiderte ich; ‚Christus ist die Wahrheit, und die Wahrheit — der unpersönliche Erlöser — ist immer hier‘”.
Die Sterblichen müssen aus dem Traum des Lebens in der Materie mit seinen irrigen Sünden- und Krankheitsannahmen aufwachen, und nur das Verständnis der geistigen Wahrheit kann dieses Erwachen bewirken. Aber Christus, Gottes vollkommene geistige Idee, steht immer zur Verfügung, da Gott immer gegenwärtig, ist. Sie muß nur verstanden und angewandt werden, damit die geistige Auferstehung stattfindet. Als Jesns von dem Christus sprach, sagte er (Matth. 28, 20): „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende”.
