Ein Wanderer hatte eine Bergeshöhe erreicht. Ganz unerwartet entfaltete sich vor seinen entzückten Blicken ein Panorama, das ihn alle Mühe des Aufstiegs vergessen ließ. Viele Dörfer und Ansiedelungen lagen tief unter ihm, und er erblickte ein im Sonnenschein und in der Fülle leuchtender Herbstfarben ruhendes Land, dessen Schönheit und Frieden ihn ansprachen.
Als Schüler der Christlichen Wissenschaft empfand er aber diesen Anblick nicht bloß als harmonisches Bild; denn ein tieferer Sinn entfaltete sich ihm. Er gedachte der Worte, die Gott zu Abram sprach: „Hebe deine Augen auf und siehe von der Stätte an, da du wohnst, gegen Mitternacht, gegen Mittag, gegen Morgen und gegen Abend. Denn alles das Land, das du siehst, will ich dir geben und deinem Samen ewiglich. ... Darum so mache dich auf und ziehe durch das Land in die Länge und Breite; denn dir will ich’s geben”.
Abram wurde viel Gutes verheißen, und unendliche Fülle offenbarte sich ihm; aber er mußte bereit sein, sie zu empfangen. Das Gebot lautet: „Hebe deine Augen auf und siehe von der Stätte an, da du wohnst”. Abram hätte nur wenig erhalten, wenn er nicht weit geschaut hätte, oder mit andern Worten, wenn seine Augen für das Erkennen des Reichtums und der unendlichen Güte Gottes geschlossen gewesen wären. Sein Verständnis der Gegenwart und der Wirksamkeit des Guten zugunsten aller war schon in Selbstlosigkeit zum Ausdruck gekommen, als er seinem Neffen Lot die Wahl des Landes überließ und zu ihm sagte: „Steht dir nicht alles Land offen? Scheide dich doch von mir. Willst du zur Linken, so will ich zur Rechten; oder willst du zur Rechten, so will ich zur Linken”. Abram verstand zweifellos, daß ihm durch die bevorzugte Lage des Eigentums seines Neffen nichts genommen werden konnte. Lot erwählte sich die wasserreiche Gegend am Jordan, die er vom sterblichen Standpunkt aus für vorteilhaft und begehrenswert hielt. Aber Abram konnte infolge seiner Großmut nichts verlieren. Sein Land war ihm durch göttliche Führung zuteil, und zwar seinem geistigen Verständnis entsprechend. Sein weitblickendes und edles Denken nahm später in großer Fülle und Segen äußere Form an.
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