Die Sterblichen stehen manchmal in außergewöhnlichem Maße im Banne überlieferter Annahmen. Man denke z. B. an die herrschende Annahme der verhältnismäßig kurzen Dauer des menschlichen Daseins auf Erden. Es wird allgemein geglaubt, daß wenige hundert Jahre alt werden, daß die Lebenszeit der meisten Leute nicht mehr als „siebzig Jahre” sei.
Was muß die Wirkung—erstens die mentale Wirkung und zweitens die körperliche Wirkung—auf diejenigen sein, die sich durch diese falsche Meinung des sterblichen Gemüts irreführen lassen? Wenn ihr nicht durch geistige Wahrheit entgegengewirkt wird, wird sich der einzelne unvermeidlich ihrer Forderung, daß er den herkömmlichen Weg der Menschheit gehen soll, fügen. Und sein Leib wird dieser mentalen Verfassung entsprechen. Kraft und Frische werden ihn verlassen; Schwäche wird über ihn kommen und dann—„der letzte Feind”. Es ist ein ergreifendes Bild, dieses Bild menschlicher Hinfälligkeit, das aber, wissenschaftlich gesprochen, vollständig falsch ist.
Aber trotz der Tatsache, daß die Sterblichen durch unzählige Geschlechter hindurch an eine begrenzte irdische Daseinsdauer geglaubt und daher geerntet haben, was sie in ihrem Bewußtsein beherbergten, hat die Mehrzahl dem, was als das Unvermeidliche angesehen wurde, immer energischen Widerstand geleistet. Sie haben die Ungerechtigkeit der Annahme gefühlt und haben sich dagegen aufgelehnt. Aber wie ihr entgegenzutreten, wie sie zu überwinden ist—das war immer die Frage! Die Alchimisten glaubten einst, das menschliche Dasein durch eine materielle Substanz unbestimmt verlängern zu können, und sie suchten emsig nach „dem Lebenstrank”. Aber ihr Forschen blieb erfolglos. Manchmal hören wir heutzutage von Theorien, die in uns den Glauben zu erwecken suchen, daß das Leben sehr verlängert werden könne, nachdem der materielle Körper genügend bearbeitet oder mit gewissen Chemikalien behandelt sei. Aber alle solche materiellen Theorien werden den Weg der Theorie vom „Lebenstrank” gehen—in Vergessenheit geraten.
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