Unter den vielen biblischen Verheißungen ist eine in der Bergpredigt besonders hilfreich. Sie gilt denen, die reines Herzens sind, von denen Christus Jesus sagte: „Sie werden Gott schauen”. Gott schauen — ist dies nicht das Ziel, wonach wir streben? Gott schauen — ist dies nicht das Schauen der Vollkommenheit, das wir erlangen wollen? Manche mögen dies für zu schwierig und übersinnlich halten. Ach, sie können beruhigt sein! Jesu Verheißung ist nicht zweideutig. Sie kann heute von denen verwirklicht werden, die sich ernstlich darum bemühen.
Dank der Lehren in unserem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” von Mary Baker Eddy können wir die Bedeutung geistigen Schauens und seine Anwendung erfassen. Über „die geistigen Sinne des Menschen” schreibt unsere geliebte Führerin auf Seite 486 in Wissenschaft und Gesundheit: „Ihre Wirklichkeit und Unsterblichkeit beruhen im Geist und im Verständnis, nicht in der Materie — daher ihre Fortdauer”. Aus dieser Erklärung ist leicht zu ersehen, daß wahres Schauen oder geistige Wahrnehmung — eine Fähigkeit des Geistes, die der Mensch durch Widerspiegelung besitzt — durchaus nicht von der Materie abhängt und daher nicht von ihr beeinträchtigt werden kann. Vollkommenes Schauen, das Gott dem Menschen gegeben hat, ist eine reine, vollkommene und ewige Fähigkeit, die das allsehende Gemüt widerspiegelt. Geistiges Schauen ist also mentales Wissen, wahres Wahrnehmen, geistiges Verstehen. Dieses Schauen oder diese wahre Anschauung des Menschen als Widerspiegelung des Geistes, der Liebe, heilt durch die Kraft des göttlichen Gemüts.
Auf Seite 476 und 477 in Wissenschaft und Gesundheit lesen wir über das geistige Schauen: „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erscheint. In diesem vollkommenen Menschen sah der Heiland Gottes eigenes Gleichnis, und diese korrekte Anschauung vom Menschen heilte die Kranken”. Unser Meister sah in der Wissenschaft den Menschen ganz gewiß nicht mit den körperlichen Augen als das Bild seines Schöpfers, d.h. als reine und vollkommene geistige Idee, sondern mit jener geistigen Fähigkeit, die von Gott kommt, und die wahres Schauen oder Wahrnehmen ist. Dieses Schauen des Wirklichen heilt Krankheit und zerstört Sünde, Damit wir Christliche Wissenschafter heilend und erneuernd wirken können, müssen wir unbedingt die Erkenntnis oder die wahre Anschauung von Gottes geistiger Schöpfung erlangen, die des Menschen Vollkommenheit und daher die Vollkommenheit seiner geistigen Sinne in sich schließt.
Wie können wir das Verständnis der Vollkommenheit Gottes und Seiner Schöpfung erwerben und anwenden? Christus Jesus selber gab uns die Antwort, als er sagte, daß die, die reines Herzens sind, „Gott schauen werden”. Reines Herzens sein ist also offenbar ein Zustand, der mit wahrem Schauen zusammenhängt. Hier berühren wir den Kern der Frage. Eine Wörterbucherklärung des Begriffs „rein” lautet „frei von Vermischung, ... ohne Zusatz”. Beschreibt das nicht die Vollkommenheit und Unsterblichkeit Gottes, gerade das Wesen des göttlichen Gemüts und seiner Ideen, die grundlegende Eigenschaft des Geistes? So erkennen und verstehen also die, „die reines Herzens”— reines Denkens — sind, den einen Geist, das eine Gemüt, den einzigen Schöpfer und Seine eine und einzige Schöpfung. Sie können auch nicht einen Augenblick die Vorstellung einer Vermischung von Geist und Materie, Gut und Böse, Wahrheit und Irrtum zugeben.
Bei der Arbeit der geistigen Erneuerung, des Hauptziels der Christlichen Wissenschaft, stellt unsere hingebungsvolle Führerin Reinheit an erste Stelle der erforderlichen Eigenschaften, wenn sie schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 241): „Reinheit ist der Eckstein alles geistigen Bauens”. Reinheit ist also der Ausgangspunkt beim Vergeistigen des Bewußtseins und beim metaphysischen Arbeiten. Durch Reinheit erreichen wir das Verständnis des wahren Seins.
Um ein reines Herz oder ein reines Denken zu haben, müssen wir unser Bewußtsein beständig reinigen, d.h. jeden Glauben aufgeben, der seinen Ursprung in einem materiellen Sinn der Schöpfung hat; kurz, unser Bewußtsein gegen alle mentalen Unreinheiten schützen, die das sterbliche Gemüt jeden Tag vorbringt. In dem Verhältnis, wie unser Denken gereinigt wird, wird christlich-wissenschastliches Heilen bekundet. Eine solche Reinigung führt zu jener Selbstvergessenheit, jener Selbstverleugnung, die uns mit der göttlichen Liebe, der Quelle der Erleuchtung, verbindet. Geistiges Schauen gewährt uns einen Schimmer des neuen Himmels und der neuen Erde. Durch geistiges Schauen können wir wie Jesus die geistigen Tatsachen statt des materiellen Scheins sehen. Dadurch nehmen wir schließlich die strahlende und wohltätige Wirklichkeit wahr, daß der Mensch zugleich mit Gott besteht.
Die Vorwände und Einflüsterungen des menschlichen Gemüts sind so listig und manchmal so anmaßend, daß wir in Versuchung kommen, uns von Gott abzuwenden, und dann ist unser Blick getrübt und die wahre Anschauung verdunkelt. Wir verlieren die Fühlung mit dem göttlichen Prinzip; wir verlassen den festen Felsen der Wahrheit und stellen uns auf den Flugsand des Irrtums und werden womöglich das Opfer falscher Annahme. Aber als Christliche Wissenschafter sollten wir nicht vergessen, daß das sterbliche Gemüt, bar jeglicher Intelligenz, nichts von der Wahrheit über Gott und Seine Schöpfung einschließlich des Menschen weiß. Dennoch gibt es vor, alles zu wissen und alles zu erklären. Daher ist es ein Lügner und der Vater der Lüge des Bösen.
Geistiges Schauen ist nie flüchtig, und es setzt nicht vorübergehend aus. Um seine Beständigkeit darzutun, müssen wir die Arbeit unserer Reinigung ununterbrochen fortsetzen. Dieser Vorgang erfordert Wachsamkeit und Ausdauer; aber er macht sich reichlich bezahlt, weil wir im Verhältnis zu unserer mentalen Reinheit Christus, die Wahrheit, sehen und dartun, daß Gott alle unsere Bedürfnisse befriedigt. Im ersten Brief des Johannes lesen wir: „Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir ihm gleich sein werden; denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und ein jeglicher, der solche Hoffnung hat zu ihm, der reinigt sich, gleichwie er auch rein ist”.
