Auf Seite 210 in „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany” schreibt Mrs. Eddy: „Geliebte Christliche Wissenschafter, haltet euer Gemüt so von der Wahrheit und der Liebe erfüllt, daß Sünde, Krankheit und Tod nicht hineinkommen können. Es ist klar, daß dem Gemüt, das schon voll ist, nichts hinzugefügt werden kann”. Gehorsam gegen diese Regel sollte das Streben jedes Christlichen Wissenschafters sein. Gewiß werden wir in dem Verhältnis, wie es uns gelingt, immer beständiger gute Gedanken zu denken, immer weniger böse Gedanken denken; denn wir können nicht beide gleichzeitig denken. Die Verdrängung des Bösen mit Gutem durch Vergeistigung des Denkens ist die Forderung der von Christus Jesus gelehrten und bewiesenen Wahrheit, die unsere Führerin in der Christlichen Wissenschaft wieder ans Licht gebracht hat.
Der Meister gab uns das Gebot: „Darum sollt ihr vollkommen sein, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist”. Durch sein Beispiel zeigte uns Jesus, wie wir diese Vollkommenheit erlangen können. Da sein Bewußtsein beständig und vollständig von der Wahrheit und der Liebe erfüllt war, zerstörte er beständig jede Form des Bösen, der er in seinem täglichen Leben begegnete. Jesu Lehre enthielt keine Formeln, und die Christliche Wissenschaft enthält auch keine. Die der Lehre Christi Jesu zugrunde liegende Wissenschaft, die Mrs. Eddy entdeckte, wird durch Lieben, durch Widerspiegeln Gottes, der Liebe, und durch Vernichten des Irrtums bewiesen. Dies geschieht, indem wir uns der Allgegenwart Gottes, des Guten, und der daraus folgenden Unwirklichkeit oder Nichtsheit des Bösen bewußt werden. Zur Erlangung eines Verständnisses dieser Wissenschaft ist keine besondere intellektuelle Befähigung erforderlich, wie manche meinen. Die Jünger waren größtenteils ungelehrte Männer. Es ist jedoch Bereitwilligkeit erforderlich, die Lehren dieser Wissenschaft in die Tat umzusetzen.
Der Liebe muß tätiger Gehorsam geleistet werden. Wir können ihre wohltätigen Wirkungen ebensowenig dadurch genießen, daß wir nur darüber nachdenken, ohne sie anzuwenden, wie wir die kühle Erfrischung eines Bades in einem See dadurch finden können, daß wir am Ufer stehen und das Wasser ansehen. Tätiges Bejahen der Wahrheit, daß Gott und Seine Schöpfung das einzig wirkliche Dasein bilden, vergeistigt das Denken und zerstört die Annahme der Körperlichkeit, den falschen Sinn des Selbst als in der Materie bestehend. Diese Annahme der Körperlichkeit oder des Bösen ist „ein Lügner und ein Vater derselben”. Wenn wir den Irrtum bewußt durch die Wahrheit ersetzen und Nächstenliebe anstatt Eigenliebe unsere beständige mentale Haltung wird, dann bekundet sich das Übel, das diesem sogenannten Selbst anhaftet, nicht mehr in unserer Erfahrung. Und diese Freiheit segnet nicht nur den einzelnen, sondern auch andere, wie Mrs. Eddy klarmacht, wenn sie schreibt (Miscellany, S. 210): „Gute Gedanken sind eine undurchdringliche Rüstung; seid ihr damit angetan, so seid ihr gegen die Irrtumsangriffe jeder Art vollständig geschützt. Und nicht nur ihr seid sicher, sondern auch alle, auf denen eure Gedanken ruhen, werden dadurch gesegnet”.
Ein praktisches Beispiel des Wirkens dieser Regel bietet folgende Erfahrung eines Christlichen Wissenschafters, der mehrere Jahre in einem Geschäft tätig gewesen war, das wie viele andere während der Geschäftsstockung beträchtlich zurückgegangen war und neu eingerichtet werden mußte. Die Folge war eine erdrückende Arbeitslast für die verbliebenen Angestellten, zu denen er gehörte. Dazu kam noch der erschwerende Umstand einer Gehaltsverminderung und schwierigerer Lebensbedingungen. Ganz unerwartet brach der erwähnte Christliche Wissenschafter eines Morgens auf dem Wege zum Geschäft zusammen und war kaum imstande, das Sprechzimmer eines christlich-wissenschaftlichen Ausübers in der Nähe zu erreichen. Durch dessen treue Hilfe wurde er soweit wiederhergestellt, daß er sein Geschäft telefonisch benachrichtigen und allein nach Hause gehen konnte. Er war ein tätiger Wissenschafter, ein gewissenhafter Anhänger und hatte selber viele Heilungsbeweise erlebt. Er konnte nicht verstehen, wie der Sinn nervöser Erschöpfung ihn so plötzlich hatte überwältigen können; aber er wußte, daß der Irrtum in seinem eigenen Denken berichtigt werden mußte. Daher begann er ihn aufzudecken und auszutreiben. Er betete um Erleuchtung und konnte nach zwei Tagen wieder in sein Geschäft gehen, und schließlich wurde er vollständig geheilt.
Als er eines Tages im Empfangszimmer eines Ausübers wartete, schlug er eine christlich-wissenschaftliche Zeitschrift auf und wurde auf eine Stelle aufmerksam, die vom Ausdruck der Liebe gegen andere handelte. Sofort erkannte er feine Schwierigkeit. Während der letzten Jahre hatten ihn seine eigenen Anfechtungen und Probleme so mesmerisiert, daß er in selbstsüchtiger Weise gedacht hatte, die Welt drehe sich nur um ihn, anstatt die göttliche Liebe als den Mittelpunkt alles wirklichen Seins zu sehen. Daher hatte die Beschäftigung mit sich selber seine Fähigkeit zu lieben — d.h. wahr zu leben — so vermindert, daß es ihn in jeder Hinsicht unfähig zu machen drohte.
In tiefer Demut und Dankbarkeit nahm er sich vor, von jener Stunde an jeden bewußten Augenblick zu erklären, daß seine wirkliche Natur geistig ist und Gott, die Liebe, widerspiegelt; und er entschloß sich, Liebe gegen andere auszudrücken; nicht mehr selbstisch über seine eigene Lage nachzudenken, sondern für andere alles zu tun, was er durch Nutzbarmachung der unendlichen Macht der Liebe tun konnte. Er sah, daß er nur durch Lieben wirklich leben oder gesund sein oder Fülle haben oder rechte Tätigkeit ausdrücken konnte. Er verstand, was Paulus meinte, als er schrieb: „Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung”. Als er dies tat, wurde sein Denken freudig und frei. Er betete, wissend, daß er schon hatte, worum er betete — die Liebe. Sein einziges Verlangen war, bei allem Denken und Handeln mehr zu lieben. Von ganzem Herzen suchte er Gott, und die Folge war, daß alle Anzeichen körperlicher Störung in wenigen Tagen verschwanden. Und was noch wichtiger war, er hatte mehr geistiges Verständnis erlangt. Er war von seiner früheren Eingenommenheit für sich so befreit, daß er mehr und bessere Arbeit tun konnte, als er je getan hatte. Seine neugefundene Freude am Geben erzeugte ein Geben in Fülle. Und die Fülle des Gebens brachte bald eine Fülle ins Leben, die nicht nur in besserem Gehalt zum Ausdruck kam, sondern auch in viel harmonischeren Arbeitsbedingungen, als er menschlich hätte erwarten können. Und noch wichtiger erschien ihm, daß er anderen jetzt helfen konnte, wie er es vordem nicht für möglich gehalten hatte.
Ebenso haben viele andere Christliche Wissenschafter gefunden, daß ein reiches, tätiges Leben das Ergebnis beständigen selbstlosen Liebens ist, und daß das Ausdrücken von Liebe bedingt, weniger an sich und mehr an die Menschheit zu denken. Liebe war die hervorragende kennzeichnende Eigenschaft Christi Jesu und der Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft Mary Baker Eddy. Ihre Nachfolger können ihre Dankbarkeit sür ihr Leben selbstloser Liebe zur Menschheit am besten dadurch zeigen, daß sie bestrebt sind, selbstlos zu leben und demütig zu dienen mit einer Liebe, die ihre heilenden Strahlen auf stille und zahllose Arten verbreitet.
