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Noch jemand lieben

Aus der Januar 1940-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Wenn wir zum erstenmal von der Christlichen Wissenschaft hören und in der Tat auch, nachdem wir uns längere Zeit damit befaßt haben, machen wir fast allgemein den Fehler, daß wir uns von dem Verlangen, von unseren scheinbaren Leiden befreit zu werden, so völlig in Anspruch nehmen lassen, daß wir, wenn wir nicht durch unsern Mangel an geistigem Fortschritt aufgerüttelt werden, manchmal vergessen, daß wir uns vorgenommen haben, durch geistige Arbeit Wissenschafter zu werden, d. h. nicht nur wissenschaftliche Denker, sondern auch liebevolle Christliche Wissenschafter. Sind wir immer eingedenk, daß unser Meister Christus Jesus den wahren Christen ein für allemal kennzeichnete, als er sagte: „Dabei wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habt”?

Wie oft hat sich der Anhänger der Christlichen Wissenschaft seinen Weg himmelwärts dadurch unnötig erschwert, daß er weder diese Erklärung unseres Meisters noch die eindringliche Mahnung genügend beachtete, die uns unsere geliebte Führerin Mary Baker Eddy in ihrer Botschaft an Die Mutterkirche für das Jahr 1902 gibt, wo sie schreibt (S. 8): „Hassende oder lieblose Sterbliche sind weder Christen noch Wissenschafter”. Diese eindringlichen Worte unserer Führerin sollten jeden Christlichen Wissenschafter aufrütteln, seine Gedanken sorgfältiger zu prüfen. Nun wird sich kein Christlicher Wissenschafter wohlüberlegt vornehmen, jemand zu hassen, noch wird er vorsätzlich boshaftes Denken hegen; denn er weiß, daß solches Denken zu Unheil führen würde. Ist er aber immer eingedenk, daß liebloses Denken, beständig gehegt und nicht aus dem Bewußtsein entfernt, ohne Zweifel seine eigene Schwierigkeitenernte erzeugt? Wenn wir dies bedächten, wieviel wachsamer würden wir darauf sehen, daß unsere Gedanken immer bestimmt liebevoll sind!

Zweifellos haben wir alle gefunden, daß wir in diesem Punkte hin und wieder fehlen. Wenn der Christliche Wissenschafter aber findet, daß er der Liebe oder einer andern christlichen Eigenschaft ermangelt, sollte er sich nicht so sehr der Selbstverurteilung hingeben—denn über gemachten Fehlern brüten, hilft einem nie. Vielmehr sollte er das gewissenhafte, tätige Verlangen haben, die Wahrheit so klar zu erkennen, daß er nicht erfunden wird als einer, der gemachte Fehler wiederholt oder wieder Wind sät und Sturm erntet.

Zu unserer Hilfe und Unterweisung in solchen Angelegenheiten hat unsere Führerin auf Seite 111 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” die bedeutsamen Worte geschrieben: „Ich sehe, daß der Wille oder die sinnliche Vernunft des menschlichen Gemüts dem göttlichen Gemüt, wie es durch die göttliche Wissenschaft zum Ausdruck kommt, widerstreitet”. Was für feierliche Worte! Sooft wir also uns oder andere nur vom Standpunkte der „sinnlichen Vernunft” aus betrachten, widerstreiten wir eigenwillig dem göttlichen Gemüt. Und urteilen wir nicht einzig von diesem Standpunkte aus, wenn wir jemand für unliebenswürdig oder unserer Liebe nicht für würdig halten? Selbstrechtfertigung mag behaupten, daß es Zeiten gebe, wo es gerechtfertigt ist, gegen gewisse Menschen Abneigung zu empfinden. Eigenliebe mag davor zittern, daß eine wahrhafter liebevolle und großmütige Haltung sie nötigen könnte, ihre eigenen liebgewonnenen Wünsche aufzugeben. Unwissenheit mag einem zuflüstern, daß so eine christlich-wissenschaftliche Gedankenhöhe zu schwer zu behaupten sei. Trotzdem bedeutet die Erklärung unserer Führerin, daß von einem rein menschlichen Standpunkte aus folgern, vorsätzlich eigenwillig und Gott ungehorsam sein heißt.

Nun gibt es keinen Christlichen Wissenschafter, der sich nicht täglich danach sehnt und bestrebt ist, den Forderungen Gottes gehorsamer zu werden. Was sollten wir daher tun, wenn uns der tierische Magnetismus einredet, erstens, daß gewisse Menschen durchaus unliebenswürdig seien, zweitens, daß wir selber unsere lieblosen Gedanken nicht in der Gewalt haben können? Eine Christliche Wissenschafterin zerbrach sich einmal gerade über diesen Punkt den Kopf. Als sie eines Tages ernstlich um mehr Licht und Verständnis betete, um liebevoller zu werden, um die Schönheit von allem, was in anderen wirklich ist, liebreicher gewahr zu werden, kam ihr der seltsame Gedanke: Wie töricht wäre es, wenn ein Stuhl zu dem Tischler, der ihn gemacht hatte, sagte: „Ich bin kein Stuhl”! Unglücklich darüber, daß ihr ein solch törichter und unehrerbietiger Gedanke kommen konnte, verwarf sie ihn und betete weiter um mehr Verständnis. Aber dieser Gedanke behauptete sich, bis sie schließlich erkannte, daß dies veranschaulichte, was sie selber tat. Sie stimmte hartnäckig mit dem Widersacher, dem sterblichen Gemüt, überein und erklärte sich für eine lieblose Sterbliche, obwohl Gott, der Vater-Mutter aller, Seine Kinder von aller Ewigkeit her nach Seinem eigenen Gleichnis geistig und vollkommen gestaltet hat. Daher sind sie und waren sie immer unabänderlich und ewig liebevoll. Mit was für einer Freude und vom Himmel verliehenen Überzeugung die Wissenschafterin dann erklärte: „Ich bin liebevoll, weil Gott mich liebevoll machte; ich bin jetzt liebevoll”.

Durch diese Ansicht über ihr wahres Selbst ermutigt, konnte die Wissenschafterin die Einflüsterungen des tierischen Magnetismus verneinen, sooft sie sie zu überreden suchten, daß sie wenig Liebe gegen ihre Mitmenschen auszudrücken habe. Wenn sie wegen des scheinbar langsamen Besserungsvorgangs je mutlos wurde, dachte sie an die Veranschaulichung und erklärte: „Ich bin liebevoll, weil mein Vater-Mutter-Gott mich liebevoll machte, und Sein Werk bleibt bestehen”. Schließlich wurde sie eines Tags gebeten, eine ihr vollständig Fremde kennen zu lernen und für sie zu sorgen. Früher wäre sie wohl ein wenig unschlüssig, vielleicht sogar ein wenig furchtsam hinsichtlich dieser Unbekannten gewesen. Mit was für einer Dankbarkeit und Freude sie jedoch jetzt merkte, daß sie bei ihrem sofortigen unwillkürlichen Gewähren dieser Bitte nur den freudigen, sich aufschwingenden Gedanken hatte: noch jemand lieben!

Laßt uns von diesem Augenblick an uns weigern zu glauben, daß uns irgend ein Umstand veranlassen könne, mit der Einflüsterung des Widersachers übereinzustimmen, daß wir nicht genug Liebe und Verständnis hätten, jede scheinbare Abweichung vom Prinzip in uns und in anderen als unwirklich zu sehen und umzukehren! Jesus sah des wirklichen Menschen Unzertrennlichkeit vom Prinzip so klar, daß er seinen Feinden sogar am Kreuze vergeben konnte. Ist es angesichts dieser Tatsache, daß unser großer Beispielgeber in jenem letzten Augenblick vergeben konnte, nicht traurig, bekennen zu müssen, daß wir, seine erklärten Nachfolger, uns vom Irrtum zuweilen überreden lassen, daß es schwer sei, diejenigen, die unsere Selbstachtung vorübergehend erschüttert oder sich unserem selbstsüchtigen Planen widersetzt haben, zu lieben und ihnen zu vergeben?

Alle Christlichen Wissenschafter, die wahrhaft das Verlangen haben, sich ihres unveräußerlichen Erbes der Liebe lebhafter bewußt zu werden, können damit beginnen, daß sie sich weigern, tadelsüchtig von anderen zu reden oder zu denken. Denn wir lesen auf Seite 15 in Wissenschaft und Gesundheit: „Wir müssen uns entschließen, das Kreuz auf uns zu nehmen, müssen uns mit ehrlichem Herzen aufmachen und arbeiten und wachen, daß uns Weisheit, Wahrheit und Liebe zuteil werde. Wir müssen beten, ohne Unterlaß‘. Solches Gebet wird in dem Maße erhört, wie wir unsere Wünsche in die Tat umsetzen. Des Meisters Weisung lautet, wir sollen im Verborgenen beten und unser Leben unsere Aufrichtigkeit bezeugen lassen”. Wenn wir unsere scheinbar noch in den Geburtswehen der Besserung befindlichen Charakterfehler ehrlicher und demütiger erkennen und ins Auge fassen, werden wir jeden tadelsüchtigen Gedanken durch einen Gedanken der Liebe und der Güte gegen diejenigen ersetzen können, die wie wir noch auf dem Wege himmelwärts sind, wie wir noch bestrebt sind, sich von allem Ungöttlichen zu befreien. Dieser Gedankenzustand ist leichter zu behaupten, wenn wir mit größerer Dankbarkeit der Liebe und des Mitgefühls gedenken, die uns verschiedentlich auf unserem Wege so großmütig erwiesen wurden, wenn wir sie, menschlich gesprochen, wohl gar nicht verdient haben mögen.

Wenn wir so beten, entfaltet sich in unserem Bewußtsein das tiefe Verlangen, von der uns erwiesenen Liebe und Geduld anderen zurückzugeben. Und wir werden unserem Mitmenschen, sei es auf dem Markte, im Büro, auf der Straße oder in unserem eigenen Heim, mit der frohen Gewißheit begegnen, daß er nicht ein unbestimmter, unerklärbarer Fremder ist, sondern ein geliebter Sohn unseres liebreichen Vater-Mutter-Gottes und daher im wahrsten Sinne nur noch jemand zu lieben.

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