Unsere Führerin sagte einmal zu Schülern, die erwogen, ob es ratsam sei, eine Kirche zu bauen: „Laßt eine Kirche Christi zuerst in der Wirklichkeit — und in den Herzen der Menschen — sein, ehe eine organisiert wird” (Mary Baker Eddy, ein lebenswahres Bild von Dr. Powell). Nicht nur für jene Schüler war dieser Rat bedeutungsvoll, sondern er ist auch für alle heutigen Christlichen Wissenschafter, die ein eigenes Kirchengebäude errichten wollen, von größtem Wert. Denn diese Empfehlung ist eine unzweideutige Ermahnung, daß die Kirchenmitglieder mit dem geistigen Bau beginnen sollen. Dieser geistige Bau ist das Widerspiegeln der Wahrheit, des Lebens und der Liebe durch jeden einzelnen. Dieses tätige Widerspiegeln der Wahrheit erfordert, daß die Gebote gehalten werden, von denen, wie Jesus sagte, das ganze Gesetz abhängt, nämlich: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte”, und: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst”.
Lieben wir unsern Nächsten wirklich wie uns selber, wenn wir sein Denken und Handeln richten, aber nicht von dem göttlichen Prinzip, der Liebe, inspiriert sind? Ungerechtes Tadeln der Kirchenbeamten, der Leser und einzelner Kirchenmitglieder ist nicht aufbauend. Wer die Menschheit wahrhaft liebt und sich nach ihrer Erlösung sehnt, wird bestrebt sein, jeden Kirchenbeamten mit liebevollen, wahren Gedanken zu unterstützen. Die alte Gewohnheit falschen Richtens ist in den Worten des Apostels Paulus gerügt: „Darum, o Mensch, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist, der da richtet. Denn worin du einen andern richtest, verdammst du dich selbst; sintemal du ebendasselbe tust, was du richtest”. Mrs. Eddy sah, wie allgemein und weitverbreitet der Irrtum persönlichen Richtens ist; denn sie ermahnt uns ausdrücklich in „einer Richtschnur für Beweggründe und Handlungen” (Kirchenhandbuch, Art. VIII, Abschn. 1): „Die Mitglieder dieser Kirche sollen täglich wachen und beten, um von allem Übel erlöst zu werden, vom irrigen Prophezeien, Richten, Verurteilen, Ratgeben, Beeinflussen oder Beeinflußtwerden”.
Wenn sich die Christlichen Wissenschafter beständig bewußt sind, daß es nur ein Gemüt gibt, von dem alle regiert werden, werden sie sich und ihre Nächsten leicht als Gottes Kinder sehen und anerkennen. Sie werden dann nicht versucht sein, Irrtum als persönlich anzusehen. Denn dies hat zur Folge, daß wir entweder unsern Nächsten als sündig, krank oder leidend sehen, oder aus einem falschen Begriff von Nächstenliebe den Irrtum nicht als das, was er ist, aufgedeckt sehen wollen, ihn also entschuldigen und ihm Schutz und Schirm bieten. Im ersten Falle wird das erste Gebot übertreten, weil außer dem einen unendlichen und allmächtigen Gemüt, Gott, ein böses Gemüt anerkennt wird. Im zweiten Falle erscheint der Irrtum, der in Mrs. Eddys Worten in „Rückblick und Einblick” (S. 63): „Wer das Böse zudeckt, wird mitschuldig daran”, angedeutet ist.
In ihrem ganzen Umgang sollten sich die Kirchenmitglieder bemühen, die göttliche Liebe durch Tugenden zu bekunden, die in rücksichtsvollem Benehmen zum Ausdruck kommen, wie Herzlichkeit, Güte, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Demut, Barmherzigkeit, Versöhnlichkeit, Hilfsbereitschaft, gegenseitiges Vertrauen, Achtung und Mitgefühl. Die Bande echter Freundschaft sollten alle umfassen. Uneinigkeit und Mißverständnis können schnell überwunden werden, wenn jeder den Geist der Versöhnlichkeit walten läßt wie Abraham, als er zu Lot sagte: „Laß doch nicht Zank sein zwischen mir und dir; ... denn wir sind Gebrüder”. Der wachsame und liebevolle Christliche Wissenschafter mischt sich nie in die Angelegenheiten eines andern, noch hegt er mutmaßliche menschliche Meinungen über anderer Leute Religion oder verbreitet er, was nachteilig für sie ist.
Der Christliche Wissenschafter, der das Kirchenhandbuch als beständigen Begleiter benützt, findet, daß dessen Satzungen ihn in jeder Lage die Grundlage rechten Handelns klar erkennen lassen. Er nimmt sich vor, die Gottesdienste und die Versammlungen oder das Lesezimmer nie zu besuchen, ohne vorher sein Denken von Irrtum gereinigt und sich die Allgegenwart und Allerhabenheit Gottes vergegenwärtigt zu haben. In der Zeit zwischen den Mitgliederversammlungen arbeitet er andächtig an Kirchenproblemen. Er sucht das Selbst in den Hintergrund zu stellen, damit seine Ansichten von dem einen Gemüt geleitet werden und so zum Besten der Kirche dienen mögen. Zu diesem Zweck ist er immer der Erklärung Mrs. Eddys auf Seite 129 in Wissenschaft und Gesundheit eingedenk: „Willst du die geistige Tatsache erkennen, so kannst du sie dadurch entdecken, daß du die materielle Fabel umkehrst, sei die Fabel nun für oder wider, sei sie in Übereinstimmung mit deinen vorgefaßten Meinungen oder diesen gänzlich entgegengesetzt”.
Der treue Wissenschafter liebt und beherzigt die Vorschriften des Handbuchs und wendet sie an; denn er weiß, daß jede Satzung zum Segen aller gegeben ist. Wer glaubt, daß die Satzungen für seine Bedürfnisse nicht nötig seien, steht seinem eigenen Wachstum im Wege; denn er beurteilt falsch, was unsere Führerin einzusetzen für nötig hielt.
Ein Gedankenzustand, vor dem wir uns hüten sollten, ist Gleichgültigkeit gegen die Kirche und ihre Tätigkeiten. Die Bibel rügt eine solche teilnahmlose Haltung in der Offenbarung mit den Worten: „Ich weiß deine Werke, daß du weder kalt noch warm bist. Ach, daß du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde”. Ein dankerfülltes Herz kennt keine Gleichgültigkeit gegen Kirchenverbindungen.
Wenn die Mitglieder einer Kirche Christi, Wissenschafter, durch standhafte Selbstprüfung und liebevollen Gehorsam gegen die Forderungen der Wahrheit ihre Kleider weiß waschen, lassen sie ihr Denken, Reden und Handeln von Reinheit statt von Irrtum regieren und gewinnen in ihren individuellen Beziehungen eine feste Grundlage. So wird der geistige Bau errichtet, und die Liebe im Innern wird zur heilenden Kraft und zur mächtigen Anziehung für alle, die noch außerhalb zu fein scheinen. Wenn Liebe in dieser Weise zum Ausdruck kommt, werden Christliche Wissenschafter fähig sein, die zerbrochenen Herzen zu verbinden. Sie werden die geistige Haltung einnehmen, wozu der Meister ermahnte: „Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen auch”.
Wenn jeder freudig und willig feinen falschen Sinn des Selbst auf dem Altar der Liebe opfert; wenn wir durch die Erkenntnis, daß der Kampf der Selbstüberwindung nicht uns allein, sondern auch der Kirche und der Menschheit dient, zu dem festen Entschluß gelangen, in Übereinstimmung mit der Wahrheit zu leben, erfüllen wir das Gesetz der Liebe. Dann werden die Mitglieder beim Bauen der Kirche recht geleitet; denn jedes Mitglied, jeder wahre Zeuge ist ein geschätzter Baustein im Hause des Herrn. Nichts kann uns hindern, unsern geistigen Bau hier und jetzt zu beginnen und fortzusetzen.