Wer hat sich nicht schon einmal gefragt: Was bin ich? Warum bin ich hier? Was ist der Zweck meines ganzen Planens, und was nützt mein ganzes Streben? Diese Fragen erheben sich, ob unser Los auf angenehme Pfade, die alles menschlich Wünschenswerte in sich schließen, oder auf Pfade gefallen ist, die nur wenig von den guten Dingen dieser Welt zu bieten scheinen. Diese Fragen erheben sich, weil das Menschliche nach dem Göttlichen, das unbefriedigte menschliche Sehnen nach etwas strebt, was mehr zu beglücken vermag, als materielle Dinge oder Errungenschaften können.
Christus Jesus wußte die Antwort auf diese Fragen gewiß. Er wußte, daß er der Sohn Gottes, der Sprößling des Geistes, des Gemüts, war. Er wußte, daß seine Mission die Erfüllung der Worte Jesajas war: „Der Geist des Herrn Herrn ist über mir, darum daß mich der Herr gesalbt hat. Er hat mich gesandt, den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu verkündigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen, daß ihnen geöffnet werde”.
Als er einmal allerlei Krankheit geheilt und aus denen, die ihn um Hilfe baten, Teufel ausgetrieben hatte, sagte er: „Ich muß auch andern Städten das Evangelium verkündigen vom Reich Gottes; denn dazu bin ich gesandt”. Und als Pilatus ihn später fragte: „So bist du dennoch ein König”? erwiderte Jesus: „Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit zeugen soll”.
Vielen edlen Charakteren sowohl vor als auch nach Jesus schwebte die Antwort auf diese Frage hinsichtlich des menschlichen Daseins vor. Auf Seite 200 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt Mrs. Eddy: „Mose förderte ein Volk bis zu der Anbetung Gottes im Geist anstatt in der Materie und veranschaulichte die vom unsterblichen Gemüt verliehenen großen menschlichen Fähigkeiten des Seins”. Mose konnte dies tun, nachdem ihm gezeigt worden war, was seine Mission sein sollte, und Gott ihn vorbereitet hatte, sie zu erfüllen. Es ist berichtet, daß Mose, nachdem er aus Ägypten geflohen war und bei dem Priester in Midian Zuflucht gefunden hatte, „darein willigte, bei dem Manne zu bleiben”; und er hütete die Schafe in der Wüste und auf dem Berg Horeb. Auch er muß sich während jener einsamen Stunden manchmal gefragt haben: Warum bin ich hier und was leiste ich? Und es muß ein Verlangen nach größerer Nützlichkeit in ihm erwacht sein. Nachdem er dann gut getan hatte, womit er beauftragt gewesen war, und geantwortet hatte: „Hier bin ich”, als Gott ihm aus dem brennenden Busch rief, wurde er berufen, die Kinder Israel aus der Knechtschaft herauszuführen.
Als Mose die zwei großen Zeichen erhielt, die ihm bewiesen, daß alle menschlichen Erfahrungen mental sind, und daß das Gemüt die Kraft hat, sie zu veredeln und zu berichtigen, war er vorbereitet für sein großes Werk, ein ganzes Volk zu „der Anbetung Gottes im Geist anstatt in der Materie” emporzuheben und „die großen menschlichen Fähigkeiten des Seins” zu veranschaulichen. So wird jeder geistig berufen und ausgerüstet, die Arbeit zu tun, die ihm zugewiesen ist.
Joseph hätte fragen können: „Warum?”, als er ohne sein Verschulden von seinen Brüdern in die Grube geworfen, nach Ägypten verkauft und dort infolge seines Festhaltens am Guten ins Gefängnis geworfen wurde. Weil er aber seinem höchsten Sinn des Rechten treu blieb, „sah” sein Gebieter, „daß der Herr mit ihm war; denn alles, was er tat, dazu gab der Herr Glück durch ihn”. Als er schließlich seinen Brüdern helfen konnte, sagte er: „Und nun bekümmert euch nicht und denkt nicht, daß ich darum zürne, daß ihr mich hieher verkauft habt; denn um eures Lebens willen hat mich Gott vor euch her gesandt. ... Ihr habt mich nicht hergesandt, sondern Gott”.
In unserer Zeit konnte Mrs. Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, nachdem sie sich ihr Leben lang dem Guten geweiht und jahrelang die geistigen Tatsachen des Seins erforscht hatte, schreiben (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 165): „So möge sich jedes Mitglied dieser Kirche über die oft wiederholte Frage: Was bin ich? zu der wissenschaftlichen Antwort erheben: Ich bin fähig, Wahrheit, Gesundheit und Glück mitzuteilen, und dies ist mein Erlösungsfels und mein Daseinsgrund”.
Es ist hilfreich, zu erwägen, was diese Wahrheit ist, die wir mit solch guten Ergebnissen übermitteln können. Sie ist, kurz gesagt, das, was Jesus in der Bergpredigt lehrte, die enthält, was wir als das Gebet des Herrn kennen. Sie ist das, was er meinte, als er von Liebe zu Gott und dem Nächsten als den zwei großen Geboten sprach, und was er mit seinen häufigen Bezugnahmen auf „meinen Vater und euren Vater” und auf „meinen Gott und euren Gott” meinte.
Diese Wahrheit ist das, was Mose im ersten Gebot gegeben wurde: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben”. Sie ist das, was in seinen Worten im 5. Buch Mose ausgedrückt ist: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist ein einiger Herr”. Sie ist, was Mrs. Eddy im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch (S. 468) feststellt: „Alles ist unendliches Gemüt und feine unendliche Offenbarwerdung, denn Gott ist Alles-in-allem”. Diese Einheit und Allheit bedeutet genau das — Ein und Alles — nicht alles und ein Teil von etwas anderem, sondern alles. Ist das Übermitteln und das Beweisen dieser Wahrheit nicht genug Beschäftigung, alles Sehnen nach dem Vollbringen von Dingen, die der Mühe wert sind, zu stillen?
Was können wir aus der Betrachtung des Lebens der erwähnten und anderer Bahnbrecher lernen, das uns die Fragen der menschlichen Erfahrung beantworten und feine Probleme lösen hilft? Zweifellos hatten sie dieselben Ungewißheiten und dasselbe Sehnen wie wir. Man sieht, daß ihr Glück und Erfolg das Ergebnis ihrer Arbeit war — einer Arbeit für Gott und für andere, ein unerschütterliches Verlangen, daß Gott verherrlicht werde und alle, die auf Ihn trauen, gesegnet werden mögen.
Früher oder später müssen auch wir unsern Lebenszweck sehen und im Suchen der Dinge des Geistes Befriedigung finden. Dies wird uns keiner rechtmäßigen Zufriedenheit und keines rechtmäßigen Erfolgs berauben, sondern die Unzufriedenheit stillen, die das Ergebnis ungeleiteter, selbstischer Bemühungen ist. Wenn wir die Notwendigkeit wahres Zeugens immer vor Augen behalten, werden die Wünsche selbstlos, die Beweggründe geläutert und das Streben vergeistigt werden. Dann können wir jeder Versuchung zu glauben, daß das Leben unbefriedigend und zwecklos sei, mit der freudigen, zuversichtlichen Erklärung entgegentreten, daß notwendige Arbeit für uns, das Bedürfnis, uns zu heiligen, vorliegt und ein Platz vorhanden ist, wo wir wahrhaft nützlich sein können, solange es einen unzerstörten Irrtum, eine ungeheilte Krankheit, ein ungelöstes menschliches Problem gibt. Dieser Platz kann in der Stille des Heims sein, wo sich tägliches Gebet für das Weltall und die Menschheit mit treuer Erfüllung der Pflichten gegen Familie und Nachbarn vermischt. Er kann in verschiedenerlei Kirchentätigkeiten, auf dem Feld, im Büro oder in den Berufen sein. Aber über einen Punkt können wir sicher sein: wenn es unser Beweggrund und Wunsch ist, Gott zu verherrlichen und die Menschheit zu segnen, wird unser Wirken von Gott geleitet, befriedigend und fruchtbar fein.
Die Ergebnisse? Eine Freude und ein Friede, den materielle Bestrebungen und Ziele weder geben noch wegnehmen können; eine Freude, die allein befriedigt, wenn materielle Beschäftigungen und Besitztümer nicht mehr befriedigen; eine Freude und ein Friede, die die Früchte des Überwindens von Sünde und Krankheit und des Sieges der Wahrheit über den Irrtum sind; eine Freude, die auf der Befriedigung wirklicher Tätigkeit, Gelegenheit und Vollendung beruht, deren wir nie beraubt werden können; denn geistige Tätigkeit ist unser „Erlösungsfels” und unser „Daseinsgrund”.
„Sieh Seine Wunderwerke,
Auf Seine Taten merke,
Daß dein Tun hab’ Bestand.
Dein Streben und dein Sorgen,
Dein Planen für den Morgen
Stell ganz in Gottes Hand”.