Es wird häufig der Fehler gemacht, sowohl Kunstgegenständen und Bauwerken als auch anderen Dingen, die äußerlich ausdrücken, was im menschlichen Denken gut und würdig ist, zuviel Wichtigkeit beizumessen. Dies verleitet die Menschen, etwas zu verehren oder sogar zu vergöttern, was im günstigsten Falle nur als Sinnbild einer unsichtbaren Eigenschaft oder eines unsichtbaren Zustandes recht angesehen werden könnte, wie z.B. die Freiheitsstatue im Neuyorker Hafen.
Diese Neigung haftet dem menschlichen Gemüt so stark an, daß sie einen veranlassen kann, sich über die grausame Zerstörung von Tempeln und Schätzen, die lange mit Bewunderung und Verehrung betrachtet worden sind, zu empören und zu entsetzen. Aber etwas Wirkliches kann nicht zerstört oder auch nur beschädigt werden. Die durch materielle Gebäude versinnbildlichten Ideen sind dauernd und können zur rechten Zeit vielleicht sogar in besserer Weise wieder verkörperlicht werden. Dies ist daran zu sehen, daß Städte, die durch Feuer oder Erdbeben fast ganz zerstört worden sind, später in einer Weise wiederaufgebaut wurden, die Fortschritt und größere Erleuchtung erkennen ließ.
Die Vergänglichkeit und die verhältnismäßige Unwichtigkeit materieller Dinge wurden von Jesus angedeutet, als er von dem Tempel zu Jerusalem sagte: „Wahrlich ich sage euch: Es wird hier nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde”, und seine Voraussage hat sich seitdem bewahrheitet. Es ist also nicht weise, sich mit ungebührlicher Befriedigung bei einem materiellen Bau oder Gegenstand aufzuhalten, so schön oder nützlich er auch immer scheinen mag.
Der Tempel zu Jerusalem war das Sinnbild des höchsten Sinnes der Religion, den die damaligen Juden zu hegen fähig waren. Seit dem Kommen des Christentums sind viele Tempel und Domkirchen zu Ehren des geistigeren Gottesbegriffs, den Christus Jesus lehrte und bewies, gebaut worden. Es gibt heute in der Welt viele prächtige Kirchengebäude, die dem Dienste Gottes geweiht sind, wie er von der Christlichen Wissenschaft gelehrt wird, die die Wiedereinsetzung des Urchristentums ist. Nichtsdestoweniger erinnerte die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft Mary Baker Eddy bei der Einweihung des Gebäudes Erster Kirche Christi, Wissenschafter, in Concord im Staate New Hampshire ihre Nachfolger daran, daß „unser eigentlicher Grund für Kirchengebäude ist, daß die Christen Gott in ihnen anbeten können—nicht daß die Christen Kirchengebäude anbeten können!” (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 162).
Der Apostel Paulus sagte: „Ihr seid der Tempel des lebendigen Gottes”. Damit meinte er aber natürlich nicht, daß ein körperlicher Leib oder eine materielle Person dieser Tempel sei. Er meinte offenbar, daß der Tempel Gottes, des Geistes, das geistige Bewußtsein des einzelnen ist; und dieses Bewußtsein kann nicht durch Bomben, Kugeln oder andere Mittel zerstört werden. Der wirkliche Mensch verkörpert bewußt jene Ideen, die das göttliche Gemüt ausdrücken, und aus diesem Grunde kann er als der Tempel Gottes angesehen werden.
Kein menschliches Wesen bestand je als eine göttliche Wirklichkeit. Jedes menschliche Wesen wird einmal als unwirklich erfunden werden; aber die göttliche Eigenart, die geistige Wesensübereinstimmung, die den wirklichen Menschen bildet, wird als der unzerstörbare Ausdruck der göttlichen Intelligenz, des Lebens, der Wahrheit und der Liebe ewig fortbestehen. Und Mrs. Eddy schreibt (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 470): „Gott ist der Schöpfer des Menschen, und da das göttliche Prinzip des Menschen vollkommen bleibt, bleibt die göttliche Idee oder Widerspiegelung, der Mensch, vollkommen”.
Wie mit den Sterblichen verhält es sich auch mit allen materiellen Gegenständen. Diese sind nur die zeitlichen, flüchtigen Begriffe des menschlichen Gemüts und haben in der Welt des Geistes keinen Raum. Sie mögen eine Zeitlang einem nützlichen Zweck dienen; aber früher oder später müssen sie durch die göttlichen Ideen, die sie fälschen, ersetzt werden. Hierüber hat unsere Führerin geschrieben (Wissenschaft und Gesundheit, S. 267): „Jeder Gegenstand des materiellen Denkens wird zerstört werden; die geistige Idee aber, deren Substanz im Gemüt ist, ist ewig”.
Unangemessene Anhänglichkeit an Erbstücke und an altertümliche, von menschlichen Vorfahren überkommene Gegenstände können unsern Fortschritt im Verständnis des Geistes, der die Unsterblichkeit bildet, hindern. Diese Dinge mögen ihren rechten Platz in der menschlichen Erfahrung haben; aber eine Überschätzung ihres Werts könnte unser geistiges Wachstum direkt aufhalten. Diese Neigung könnte sogar zur Ahnenanbetung führen, die eher heidnischer Irrtum als eine christliche Tugend ist. Alle materiellen Erdenlasten müssen schließlich von denen abgelegt werden, die sich zu der Höhe reinen geistigen Bewußtseins erheben wollen. In seinem Briefe an die Kolosser schrieb Paulus: „Seid ihr nun mit Christo auferstanden, so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zu der Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf Erden ist”.