Das neunte Kapitel des Propheten Jesaja enthält die Schilderung seiner Vision, in der er sah, daß dem menschlichen Bewußtsein der Sohn Gottes erscheint, dessen Einheit mit dem Vater ihn berechtigte, „Wunderbar” genannt zu werden und den Namen (d.h. die Art) „Kraft, Held, Ewig-Vater” zu bekunden und zu veranschaulichen.
Christus Jesus erfüllte diese Weissagung vollkommen. Er verstand und bewies seine geistige Art, Sohnschaft, Identität und Einheit mit dem Vater so vollständig, daß er erklären konnte (Joh. 14, 9): „Wer mich sieht, der sieht den Vater”.
Unter allen biblischen Geschichten von Jesu unaufhörlichen Bemühungen, den Menschen die wahre Sohnschaft und die Art des ewigen Vaters, der immergegenwärtigen göttlichen Liebe, verstehen zu helfen, ist vielleicht eines der zärtlichsten und rührendsten Beispiele das Gleichnis vom verlorenen Sohn.
Oft ist uns in diesem Gleichnis die Geschichte vom verlorenen Sohn selber als das Wichtigste erschienen. Doch beide Söhne versinnbildlichten Sterbliche, die der Sohnschaft mit dem Vater ganz unähnliche und unwürdige Eigenschaften hatten, während die Eigenschaften des „Ewig-Vater” in ihrer ganzen Vollkommenheit aus der Geschichte ersichtlich sind. Gewiß, der eine Sohn kehrte seinem Vater den Rücken, um die Illusionen des sterblichen Gemüts auszuforschen; aber der andere Sohn versinnbildlichte einen Gemütszustand, welcher Nichtanerkennung des Guten, Undankbarkeit, Eifersucht, ausschließliches Recht usw. in sich schloß. Der verlorene Sohn „schlug in sich”— erwachte zu der Erkenntnis, wie weit er sich verirrt hatte. Er sehnte sich zurückzukehren, und als er es tat, ging ihm sein Vater entgegen — in Übereinstimmung mit den Worten Mary Baker Eddys auf Seite 494 im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift”: „Die göttliche Liebe hat immer jede menschliche Notdurft gestillt und wird sie immer stillen”.
Wir lesen nichts vom Erwachen des andern Sohnes zum Verständnis seiner Sohnschaft, und dennoch wurde an ihn die denkbar wunderbarste und umfassendste Erklärung gerichtet, um die zärtliche Beziehung zwischen Gott und Seinen Kindern zu bezeichnen: „Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein” (Luk. 15, 31).
Über diese Erklärung nachdenken und wissen, daß dies es ist, was Gott die ganze Zeit zu jedem von uns sagt, würde unser Denken allen Wundern und Segnungen der göttlichen Liebe öffnen. „Alles, was mein ist, das ist dein” bedeutet unendliche Inspiration für alle.
Unsere Führerin drückt denselben Gedanken anschaulich in „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany” (S. 5) aus, wo sie schreibt: „Gänzlich abseits von diesem sterblichen Traum, dieser Trugvorstelluug und Sinnestäuschung, kommt die Christliche Wissenschaft, den Menschen als Gottes Bild, als Seine mit Ihm zusammenbestehende Idee —Gott, der alles gibt, und den Menschen, der alles hat, was Gott gibt — zu enthüllen”. Wie innig, wie zärtlich und liebevoll diese Worte des Vaters an den älteren Sohn sind! So bittet uns diese ewige, immergegenwärtige Versicherung inständig, alles in der Unendlichkeit eingeschlossene Gute zu erkennen und zu empfangen und anzuwenden. Sie sagt nicht: Ich will dir etwas oder alles geben, sondern daß alles dir schon gehört: „Alles, was mein ist, das ist dein”.
Laßt uns dies erwägen und wiederholen, bis wir erkennen, daß Gott es ist, der jetzt zu uns redet! Er könnte nichts sagen, was uns ein größeres Gefühl der Ermutigung, der Vollständigkeit, der Fülle, der Freude, der Lieblichkeit, der Gesundheit, der Harmonie und vor allem der Einheit geben könnte. Es bedeutet keine Trennung von Gott oder Seinen Eigenschaften. Es bedeutet, daß der Mensch nie einen Augenblick von Gott getrennt sein kann —„mein Sohn, du bist allezeit bei mir”— und daß der Mensch von keiner Eigenschaft Gottes getrennt sein kann. Es kann auch so gebraucht werden: Vater, Du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist Dein. Man kann sagen: Alles, was zu haben der Mühe wert ist, kommt aus der einen Versorgungsquelle, und ich kann dies erkennen, ich kann es wissen. Jesus drückte es so aus: „Alles, was du mir gegeben hast, ist von dir” (Joh. 17, 7). Daher konnte es nur Gutes sein und nichts in sich schließen, was dem Guten unähnlich ist. Wir können wahrhaft sagen: Vater, Du bist allezeit bei mir, und alles, was Dein ist, das ist mein. So drückte Jesus es im wesentlichen aus, als er sagte: „Alles, was der Vater hat, das ist mein” (Joh. 16, 15). Brauchen wir oder wünschen wir etwas, was nicht gottgegeben, von Gott gegeben ist? Dieser eine Satz enthält gewiß genug, uns Heilung in jeder Hinsicht zu bringen, und seine vollkommene Verwirklichung würde unbedingte Einheit mit Gott bedeuten.
Eine Christliche Wissenschafterin erzählte eine Erfahrung, in der durch Vergegenwärtigung in diesem Sinne eine augenblickliche Heilung stattfand. Das Leiden trat plötzlich auf und war schmerzhaft, und die Wissenschafterin sagte laut: Vater, Du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist Dein. Dies waren die geäußerten Worte; aber sie dachte dabei: Dann habe ich sonst nichts von sonstwo; nichts kann zu mir kommen, und ich brauche nichts, als was von Gott zu mir kommt. Die Irrtumsdarbietung verschwand, und die Wissenschafterin ging staunend und voller Dankbarkeit für die Natürlichkeit der Antwort des Ewig-Vaters ihres Wegs. Wahrlich, sein Name soll „Wunderbar” heißen.
Der Irrtum möchte Irrtümer auf uns häufen; aber sie gehören nicht zu dem Sohn Gottes. Vater, Du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist Dein — diese Tatsache, vergegenwärtigt, würde uns befähigen, jeder Irrtumseinflüsterung die Tür zu verschließen und uns zu weigern, sie anzunehmen, wissend, daß sie nicht zu uns gehört.
Alles, was wir wahrhaft haben, gehört Gott; es kommt von Gott und bedeutet Unendlichkeit des Guten für uns. So können wir uns weigern, etwas anderes anzunehmen oder zu haben. Wir wollen nichts anderes, und wir brauchen nicht zu glauben, daß wir es haben müssen. Wir können in Wirklichkeit nicht verleitet werden zu denken, daß wir etwas haben müssen, was nicht zu dem Sohn oder dem Vater gehört.
Wie wunderbar, von diesem ewigen, geistigen Standpunkt aus ein bleibendes Bewußtsein der Sohnschaft mit dem Vater zu erlangen!
