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„Soll ich meines Bruders Hüter sein?”

Aus der März 1945-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Im ersten Buch Mose lesen wir, daß Gott Kain fragte: „Wo ist dein Bruder?”, und daß Kain die Verantwortung für seines Bruders Wohlergehen ablehnen wollte, indem er fragte: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?”

Diese Frage, die sich uns allen in der einen oder andern Verkleidung beständig darbietet, wurde von Christus Jesus für alle Zeit bestimmt beantwortet, als er auf die Frage des Pharisäers: „Welches ist das vornehmste Gebot im Gesetz?” erwiderte: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüte” und dann diesem Gebot ein zweites hinzufügte, das, wie er sagte, „ihm [dem ersten] gleich ist”, nämlich: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst”, wozu er bemerkte: „In diesen beiden Geboten hanget das ganze Gesetz und die Propheten”.

Nun kann die Forderung, seinen Nächsten oder Bruder wie sich selber zu lieben, manchen menschlich fast unmöglich scheinen. Aber die Christliche Wissenschaft lehrt, daß diese Liebe nicht das Opfern unseres wahren Selbst bedingt. Im Gegenteil, die Erkenntnis dieses wahren Selbst sowohl in uns als auch in unserem Nächsten bedingt weder das Opfern des einen noch des andern, sondern anerkennt unparteiisch die Menschenbrüderschaft.

Christus Jesus beleuchtete dieses Gebot der Liebe für uns, indem er sagte: „Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr nur getan”.

Demnach können wir verstehen, daß seinen Nächsten wie sich selber lieben ein Gesetz erfüllt, ohne das wir das Himmelreich oder das Reich der Harmonie auf Erden nicht aufrichten können, und daß wir unsern persönlichen Himmel nicht selbstsüchtig und allein erreichen können. Um uns zu zeigen, wie diese Liebe praktisch angewandt werden kann, gab uns Jesus das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, der einem Verunglückten half, indem er seine Reise unterbrach, um die nötigen Anstalten zur Pflege des Notleidenden zu treffen.

Nun sind heute im Leben der Menschen und Völker unserem Nächsten sehr oft Dinge widerfahren und widerfahren ihm noch, über die sich alle Christen entrüsten, ja entsetzen. Aber im Falle aller aggressiven und zügellosen Angriffe, wie im Falle der Notlage eines Mitmenschen, haben wir uns als Menschen oder als Völker nicht immer verpflichtet oder auch nur bewogen gefühlt, noch haben wir es für unsere Angelegenheit gehalten, unsere Reise zu unterbrechen, um ihnen beizustehen. Wir dachten, daß wir uns nur um unsere eigenen Angelegenheiten zu kümmern brauchten.

Man braucht in Weltangelegenheiten nicht sehr erfahren zu sein, um zu erkennen, daß dieses Verhalten, sich nur um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, wo es Gleichgültigkeit und Unverantwortlichkeit gegen die Leiden und Ungerechtigkeiten um uns her bedeutet, nicht ein Übel zurückhalten hilft, das, einmal losgelassen, uns selber viele Widerwärtigkeiten bringen kann. Man braucht nicht außergewöhnlich erfahren zu sein, um zu wissen, daß vereinigte Stärke die Überwältigung und Unterjochung der Nationen Europas in den letzten Jahren verhindert hätte, wenn alle Menschen in Europa in der rechten Weise ihres Bruders Hüter gewesen, willig gewesen wären, ihre eigene Sicherheit für das Wohl anderer zu opfern.

In einem besonderen Falle stieg die Frage, unserem Nächsten zu helfen, in einer Person auf, die die Notwendigkeit erkannte, daß die Kinder derer, die es sich nicht leisten zu können scheinen, längere und modernere Schulbildung erhalten. Sie bedauerte u.a., daß die Kinder an ihrem Wohnort nur bis zum 14. Lebensjahr staatlich verpflichtet sind, in die Schule zu gehen, und daß ein längerer Schulbesuch für viele von großem Nutzen sein würde. Mit diesem Ziel vor Augen unternahm sie vorläufige Schritte, sich über die bestehenden Gesetze und Zustände zu unterrichten. Es entstanden Schwierigkeiten, und sie ließ sich überreden, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern, da sie zu dem Schluß kam, daß dieses Problem sie nichts anging.

Als diese Wissenschafterin beim Ausbruch des Kriegs mit Müttern und Kindern zusammenkam, die aus bombardierten Gebieten Zuflucht in einem Hause auf dem Lande suchten, erkannte sie, daß die Zustände, unter denen Menschen arbeiten und leben, ihre und aller anderen Menschen Angelegenheit sein müssen, solange diese Zustände der Verbesserung bedürfen. Sie sah, daß alle gebildeten Menschen für die Ausbildung der Kinder eines Volks verantwortlich sind; daß es ihre Pflicht ist zu sehen, daß ihre Brüder so rechtmäßig daran teilnehmen können wie am Sonnenlicht, das auf alle scheint. Sie erkannte, daß sie mit der Zunahme ihrer Liebe zu ihrem Bruder und ihres Verständnisses seiner Bedürfnisse durch weise und aufbauende Mittel geführt werden würde, ihm in der Richtung zu helfen, in der es ihm am meisten not tut, sei es Heilung, Erleuchtung oder Befreiung.

Sie sah auch, daß der Nebel oder die Umnebelung des Denkens, die aus der Erde oder der irdischen Gesinnung aufsteigt und den Himmel oder die Harmonie verdunkelt, jedesmal, wenn wir den geringsten Beweis der Immergegenwart Gottes erbringen, einigermaßen Vertrieben wird. Ebenso sind wir als Hüter unseres Bruders verpflichtet, nicht nur die Wahrheit für uns zu erkennen, sondern auch die Allumfassenheit der Wahrheit, die den Irrtum in jeder Gestalt ersetzt, überall und stets zu erkennen, wenn unser Bruder damit belastet zu sein scheint, selbst wenn es nur jemand ist, der auf der Straße an uns vorübergeht. Dies mag so lang eine große Ausgabe zu sein scheinen, bis wir erkennen, daß es nicht schwierig scheint, eine unverkennbar falsche mathematische Erklärung mental zu berichtigen. Jeden Irrtum, sei es ein zitteriges Glied oder ein ängstlicher, furchtsamer Gedanke, mental durch die Wahrheit zu ersetzen, braucht nicht mühsamer zu sein als die Berichtigung von zweimal zwei zu vier von drei oder fünf.

Mehr als dies zu tun und sich in das Leben anderer Leute einzumischen, wenn wir nicht um Hilfe gebeten worden sind, ohne auf Weisheit und die Liebe zu warten, ist weder Wissenschaft noch Christentum, und Mrs. Eddys Unterweisungen sind zu klar, als daß jemand in diesem Punkte einen Fehler machen könnte. Denk- und Handlungsfreiheit ist es, wofür Männer und Frauen heute kämpfen und ihr Leben lassen. Freiheit von Furcht und von der Knechtschaft irrigen Denkens und Handelns ist ein Kampf, den jedermann nicht nur für sich, sondern auch für seinen Bruder unaufhörlich führen muß. Dies ist das Gebot der Liebe, das die Liebe jeden Tag und jede Stunde an uns ergehen läßt.

Johannes sagt: „Wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht?” Wie können wir dann, wenn wir Gott, der die Liebe ist, gesehen haben, versäumen, diese Liebe, in der wir leben, wiederzugeben? Unsere Führerin sagt (Gedichte, S. 7): „Denn die Liebe allein ist das Leben”.

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