Das durch die ganze Bibel hindurch am häufigsten wiederholte Gebot ist das kurz und bündig in drei Worte gefaßte „Fürchte dich nicht”. Jesaja, der große Prophet der Verheißung, der frohen Kunde und der Schönheit, ermahnt das Volk Israel besonders nachdrücklich, sich nicht zu fürchten. Und diese Ermahnung kam immer als ein Befehl von Gott, dem der Grund folgte, warum sie sich nicht fürchten sollten. Ein Beispiel ist in dem bekannten Vers Jesajas zu finden: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott; ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit”.
Es blieb dem geliebten Apostel Johannes vorbehalten, uns die Begriffsbestimmung von Gott zu geben, die Seine Art offenbart und den Verlaß auf Seine Verheißung der Sicherheit und der Befreiung rechtfertigt. Diese inspirierte Erklärung befindet sich im 1. Brief des Johannes: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm”. Nur hier ist furchtloses Sein und nichts anderes als furchtloses Sein zu finden. Gott ist die Liebe, und Gott ist unendlich; daher ist die Liebe unendlich, und in der Unendlichkeit der Liebe besteht nichts, was Furcht oder deren vermeintliches Vorhandensein kennen könnte. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, hat diese unendliche Liebe in ihren inspirierten Schriften durchweg als das göttliche Prinzip enthüllt, und sie hat die Wissenschaft dieses Prinzips den Menschen zugänglich gemacht, damit ihre Furchtträume in der Feuerprobe der Wahrheit vergehen können. Auf Seite 256 des Lehrbuchs „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” schreibt sie: „Die Liebe, das göttliche Prinzip, ist Vater und Mutter des Weltalls, einschließlich des Menschen”.
Furcht besteht nur in dem mutmaßlichen Reich des sogenannten sterblichen Gemüts, und dort scheint sie zu Zeiten die Obergewalt zu haben und unüberwindlich zu sein. Das sterbliche Gemüt fürchtet immer und nur für seine eigene mutmaßliche Schöpfung, für sein eigenes Selbst. In dem Verhältnis, wie erkannt wird, daß dieses Selbst unwirklich, ohne Ursache oder Schöpfer und daher ohne Wesensübereinstimmung ist, wird Furcht aus dem Bewußtsein ausgemerzt. Geradezu der Kern jeder Furcht, jeder Zwietracht, jeder Krankheit, ist der Glaube an ein sterbliches Selbst, das von der unsterblichen Wahrheit, von Gott, getrennt ist. Wenn man nicht an ein von dem Geist getrenntes Selbst, an ein materielles Selbst, glaubte und es liebte, würde man nie fürchten. Das Selbst, das in der Liebe „eingewurzelt und gegründet” ist, muß das Selbst verdrängen, das in der sogenannten Materie „eingewurzelt und gegründet” ist, um das furchtlose Sein zu finden und zu erleben.
Kann jemand, der weiß und geltend macht, daß sein Selbst der Ausdruck des göttlichen Gemüts, der Allwissenheit, der unfehlbaren Intelligenz ist, bei einem rechtmäßigen Unternehmen, bei einem Geschäft oder irgend einer Tätigkeit im Leben Mißerfolg fürchten? Kann jemand, der sein wahres Sein im Ausdrücken der unendlichen Substanz und Fülle, dem Reichtum der Seele, findet, je Armut oder Mangel fürchten oder erleben? Wer weiß, daß er der Ausdruck der Liebe, der von der Liebe Geliebte ist, an dem der Vater Wohlgefallen hat, kann sich nie vor Einsamkeit, vor Mangel an freundschaftlichem Verkehr fürchten. Wer sein Leben in dem unerschöpflichen, unermüdlichen, unsterblichen Leben findet, kann nie Alter, Hinfälligkeit oder den Tod fürchten oder erfahren. Kann man, wenn man weiß, daß man eine Idee im Gemüt und so unzerstörbar wie das Gemüt selber ist, die Gefahren des Kriegs fürchten oder von ihnen mesmerisiert werden? Wer seine Gesundheit, deren reine und vollkommene Eigenschaften und Ideen, im Geist findet, kann Krankheit nie fürchten, noch ihr zum Opfer fallen. Auf Seite 420 in Wissenschaft und Gesundheit schreibt unsere Führerin: „Sage den Kranken, daß sie der Krankheit furchtlos entgegentreten können, wenn sie sich nur vergegenwärtigen, daß die göttliche Liebe ihnen alle Macht über jede physische Tätigkeit und über jeden physischen Zustand gibt”. Wenn man tatsächlich sein ganges Sein in Gott findet, der die Allmacht ist, wird Furcht in allen ihren unzähligen Erscheinungsformen ausgeschieden.
Liebt man den Geist, Gott, über alles, und sich selbst als den Ausdruck Gottes, so kann man keine Furcht für dieses Selbst haben. Es ist so sicher und vollkommen wie seine Quelle. Es kann ihm nichts dem göttlichen Gesetz der Liebe Entgegengesetztes zustoßen. Wenn das Leben in die Liebe emporgehoben wird, wird die Furcht ausgetrieben. Jesus, unser großer Beispielgeber, bewies die Macht der Liebe, das Böse machtlos zu machen, für alle Menschen und für alle Zeit. Indem man die schützende Kraft Gottes im täglichen Leben beweist, ersteigt man im Verständnis den Berg der Offenbarung, wo man die von Johannes erschaute himmlische Stadt sieht und weiß, daß in der Liebe keine Gefahr besteht, vor der man beschützt zu werden braucht. Im ganzen Reich der wahren Schöpfung gibt es nichts zu fürchten und nichts, das sich fürchten kann. „Und Gott [die Liebe] wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen”.
Kann irgend ein Vorsatz mehr veredeln als der, die Menschheit aus der Knechtschaft der Furcht zu befreien? Jeder Christliche Wissenschafter hat das Vorrecht, dies zu seinem Vorsatz zu machen, und sich jeden Tag zu bemühen, klarer zu sehen, daß die Liebe der Ursprung und die Art alles Daseins ist. Wer wollte nicht danach streben, jenen herrlichen Tag zu beschleunigen, wo in keinem Kinderauge mehr Furcht zu sehen ist, und sie das Licht der Freude und der Liebe, das allen Ideen des Gemüts innewohnt, nicht mehr zu verdunkeln und zu trüben scheint? Wenn das Bewußtsein des einzelnen so von Furcht gereinigt ist, werden wir das Weltall durch die Klarheit der Wahrheit und der Liebe erblicken und die Schöpfung so sehen, wie ihr Schöpfer sie in ihrer ganzen Einheit und Schönheit sieht. Dann werden wir in bewußter Sicherheit wandeln. Krieg und was mit Krieg zusammenhängt, wird auf Erden aufhören. Furcht und ihre Folgeerscheinung Grausamkeit werden bei den wilden Tieren, Furchtsamkeit bei den kleinen Geschöpfen in der Nähe unserer Tür verschwinden. Vögel fliegen nicht weg, wenn ihnen Liebe nahe kommt, und treue Haustiere entziehen sich nicht der verständnisvollen Hand. Dann werden der Friede und die Harmonie, die das Gesetz der Schöpfung sind — die Liebe, die alle Ideen des Gemüts, „beide, klein und groß”, regiert — zum Vorschein kommen. Mary Baker Eddys widergespiegelte Liebe umfaßte alle Menschen, und ihr Wunsch findet in jedem Herzen Widerhall. Er ist auf Seite 184 in „Miscellaneous Writings” zu finden: „O das Licht und die unaussprechliche Liebe, die alle Furcht, alle Sünde, Krankheit und Tod austreibt; die nicht das ihre, sondern das Wohl eines andern sucht; die Abba, Vater, sagt und aus Gott geboren ist!”