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Kein Davonlaufen

[Von besonderem Interesse für die Jugend]

Aus der September 1945-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die Versuchung, davonzulaufen, ist in deinem Falle vielleicht nie so stark gewesen, daß du tatsächlich deine Habe zusammengepackt und dich angeschickt hast, die Heimat zu verlassen. Hast du jedoch, sooft du eine Vorschrift in der Schule oder zu Hause nicht befolgt hast, nicht versucht, den Forderungen des Guten davonzulaufen? Hast du dich nicht geweigert, lieben zu lernen, sooft du eine unangenehme Aufgabe nicht beendet hast? Hast du nicht, sooft du einen klugeren Freund, einen älteren Bruder oder eine Schwester, deine Mutter oder deinen Vater gebeten hast, deine Schulaufgaben für dich zu machen, geglaubt, daß du nicht die Intelligenz habest, die du als ein Kind Gottes in Wirklichkeit ererbt hast?

Alle diese Lagen waren in Wirklichkeit an dich herantretende Forderungen, nicht davonzulaufen, sondern unerschütterlich feststehen und die Aufgabe durchdenken zu lernen.

Ein jetzt erwachsener junger Mann erinnert sich verschiedener Lehren, durch die er gelernt hat, vor Schwierigkeiten nicht davonzulaufen. Als er noch ein kleiner Junge war, regte er sich einmal sehr auf, daß er in einem gewissen Fall seinen Willen nicht durchsetzen konnte. Trotzig erklärte er daher seiner Mutter: „Ich gehe fort und komme nie wieder zurück”!

Seine Mutter erhob sehr weise keinen Einspruch und beschwichtigte auch nicht. Sie erwiderte nur ruhig: „Gut. Ich richte dir einen Imbiß zum Mitnehmen und packe deine kleine Tasche. Du kannst den nächsten Omnibus an der Ecke nehmen”.

Überrascht durch ihr schnelles Eingehen auf den ihm welterschütternd scheinenden Entschluß, ging der Knabe weg; äußerlich trat er ganz sicher auf, obwohl es ihm innerlich ziemlich bange war. Als er langsam die Straße hinunter ging zur Ecke, gingen ihm allerhand Gedanken durch den Sinn: Selbst wenn seine Eltern ihn nicht schätzten, waren sie im Grunde genommen ziemlich gütig gegen ihn gewesen. Wer würde seine Arbeiten im Hause tun, wenn er fort war? Wer würde sein Zimmer benützen und in seinem Bett schlafen?

Bei dem Gedanken an sein Zimmer fiel dem Knaben ein dort an der Wand hängendes Bild ein: Daniel in der Löwengrube, wo Daniel die Löwen scharf ins Auge faßt, sie sozusagen mit seinem Blick niederzwingt. Sofort begann der Knabe sich zu schämen. Er erkannte, daß sein Heim und die vorliegenden Schwierigkeiten bei weitem nicht so unangenehm wie jene Grube und die Löwen waren. Und doch hatte Daniel nicht davonzulaufen versucht!

Plötzlich fand der Knabe, daß er umgekehrt hatte, und auf seinem Weg nach Hause fuhr der Omnibus, der immer an der Ecke hielt, an ihm vorüber. Mit freundlichem Gruß kam er zu seiner Mutter zurück — und das war das Ende. In den folgenden Tagen lernte er erkennen, daß die Löwen, die er zu bändigen hatte, der Eigensinn, das Selbstbedauern und die Eigenliebe in seinem eigenen menschlichen Denken waren.

In der Oberrealschule las der Knabe Jahre später den Roman „Silas Marner”— die Geschichte eines Mannes, der sich fürchtete, seinen Löwen entgegenzutreten. In der Geschichte ist erzählt, wie Silas zu Unrecht eines Diebstahls beschuldigt wird und daraufhin den Glauben an Gott und die Menschen verliert. Silas suchte seiner Schwierigkeit davonzulaufen, indem er in ein anderes Dorf zog; aber da er weiterhin falsch dachte — sich selbst bedauerte und seine Nachbarn mied — gelang es ihm nicht, sein Elend loszuwerden; ja, er arbeitete sich in einen noch schlimmeren Zustand hinein: er wurde ein knickeriger Einsiedler.

Aber Silas Marner lernte schließlich seinen Löwen entgegentreten: er ließ es sich selbstlos angelegen sein, für ein kleines Mädchen zu sorgen, das er an Kindesstatt angenommen hatte. Als liebevolle Arbeit für das Kind sein Leben mehr ausfüllte, erlangte Silas allmählich wieder seinen Glauben an Gottes Güte. Gott war immer gegenwärtig gewesen, wenn Silas nur genug Mut gehabt hätte, Ihn zu erkennen. Silas entdeckte auch, daß sein neues Leben so viel Schönes enthielt, worüber er nachdenken konnte, daß ihm nichts mehr daran gelegen war, daß seine Unschuld betreffs der ursprünglichen ungerechten Anklage bewiesen wurde. Er hatte so viel Liebe bekundet, und seine angenommene Tochter liebte ihn wiederum so sehr, daß ihm die Löwen, vor denen er Jahre vorher davonzulaufen versucht hatte, nicht mehr wirklich schienen.

Wahrscheinlich hast du auch schon eine Erzählung gelesen, wo jemand Schwierigkeiten mutig entgegentrat, z.B. die biblischen Geschichten von Ruth, von Mose, von Joseph und selbstverständlich von Jesus. Wenn wir diese Geschichten immer wieder lesen, bis die Gestalten uns zu wirklichen Freunden werden, geben sie uns viele anregende Ideen, wie wir unsere eigenen Schwierigkeiten handhaben können.

Laßt uns also nicht davonlaufen! Wir sind im Irrtum, wenn wir glauben, unsere Schwierigkeit sei ein Löwe außerhalb unseres eigenen Denkens, etwas, worüber wir keine Herrschaft hätten. Laßt uns statt dessen wissen, daß Gott als das Gemüt gerecht regiert, und daß nichts außerhalb Seiner Herrschaft ist! Wenn wir ernstlicher arbeiten, unsere Gottessohnschaft zu beweisen, werden wir die innere Kraft und die Geduld finden, vor unseren Löwen zu stehen und zu sehen, wie sie harmlos werden. Im 14. Kapitel des Briefs an die Römer schreibt der Apostel Paulus: „Er mag aber wohl aufgerichtet werden; denn Gott kann ihn wohl aufrichten”.

Wenn wir standhaft sind und dem Irrtum entgegentreten, finden wir natürlich, daß sich uns die Möglichkeit eröffnet, davon frei zu werden. Wir gehen ungehemmt vorwärts und sind für die nächste Herausforderung bereit. Ebenso, wie wir in der Schule von einer Klasse in die andere vorrücken, treten wir außerhalb der Schule beständig einer Aufgabe nach der andern entgegen, überwinden sie und lassen sie zurück. Durch das Meistern wachsen wir, daß wir „ein vollkommener Mann werden, der da sei im Maße des vollkommenen Alters Christi”.

Unsere Probleme werden gelöst, sobald wir durchschauen, daß sie Lügen über die ewige Tatsache der Immergegenwart der Liebe sind. Wir können die Immergegenwart der Liebe dadurch beweisen, daß wir in unserem ganzen alltäglichen Umgang mit anderen liebevoller, sanfter, freundlicher sind. Werktätiges Lieben bewahrt uns vor Furcht und zerstört unser Verlangen, davonzulaufen. Wir freuen uns zu sehen, wie die Liebe alles Böse besiegt.

Wenn wir älter werden, mögen die Löwen andere Gestalt annehmen: Abneigung gegen unsere Beschäftigung, Mißerfolg im Geschäft oder Beruf, enttäuschende Verwandtschaftsbeziehungen, Enttäuschung oder Mangel an Vertrauen, etwas zu vollbringen. Wenn wir aber diesen Löwen entgegentreten — d. h., wenn wir unser Denken befreien von jeder Versuchung, argwöhnisch zu sein, zu hassen oder uns zu fürchten — können wir uns über den Beweis der Macht Gottes und der Machtlosigkeit des Bösen freuen.

Die Christliche Wissenschaft lehrt uns, nicht der Welt Mittel anzuwenden und einer Schwierigkeit davonzulaufen: in unseren Beziehungen zu anderen Leuten unbeugsam oder grausam zu werden, weil unser Stolz oder unsere Gefühle verletzt worden sind; Geld auszugeben, um einen großartigen Anschein zu erwecken; zu trinken oder zu rauchen, um unsere Selbstachtung zu stützen oder dem Nachdenken über einen Fehler und der Reue darüber aus dem Wege zu gehen. Wir müssen im Gegenteil den Löwen auf unserem Wege entgegentreten und mutig beweisen, daß wir würdige Kinder Gottes sind.

Ist man einer Lage einmal entgegengetreten, so kommt man nie wieder so sehr in Versuchung, davonzulaufen. Das ist die Freude, die man findet, wenn man eine Schwierigkeit auf die Art ausarbeitet, die die Christliche Wissenschaft lehrt. Das „Gut getan, du frommer und getreuer Knecht” [engl. Bibel], ist genug Lohn und Befriedigung. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” (S. 261) stellt Mary Baker Eddy jedem von uns die Aufgabe: „Halte das Denken beständig auf das Dauernde, das Gute und das Wahre gerichtet, dann wirst du das Dauernde, das Gute und das Wahre in dem Verhältnis erleben, wie es deine Gedanken beschäftigt”.

Standhaftigkeit schließt ein Davonlaufen aus.


Menschlichkeit und Unsterblichkeit bestehen weder in Vernunft noch in Liebe; nicht im Körper, noch in der Beseelung des körperlichen Herzens, noch in den Gedanken und Regungen des körperlichen Gehirns,— sondern darin, daß man sie alle Ihm weiht, der sie am Jüngsten Tage auferwecken wird.—

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