Das Gute ist unbemeßbar. Da es Gott, der Geist, ist, kann es nicht begrenzt und endlich gemacht werden. Die Sterblichen suchen das Gute mit ihrem kleinen Maßstab der Notwendigkeit oder des Wunsches zu bemessen. Sie glauben, daß es unvermeidlich früher oder später zu einem Ende kommen muß. Doch das Gute ist endlos und unbemeßbar, ja ebenso unendlich wie seine unendliche Quelle. Auf Seite 67 ihres Buches „Rückblick und Einblick” schreibt Mary Baker Eddy: „Die erste widerrechtliche Kundwerdung der Sünde war Endlichkeit.” Wie wichtig ist es, unsern Begriff des Guten zu entendlichen und sein wahres Wesen als geistig, unbemeßbar und nie endend zu erkennen. Dies bedeutet, daß man niemals auf die Materie als die Quelle des Guten irgend welcher Art schaut. Wenn man an der Materie als der Quelle des Guten festhält, so hält man fest an seinen Schwierigkeiten, denn der Glaube an die Materie und seine illusorischen Ansprüche auf Gutes sowohl wie Mangel an Gutem ist die Sünde der Endlichkeit, nämlich die Annahme, daß Gott, der Geist, nicht alles ist.
Christus Jesus besaß die vollkommene Erkenntnis der wahren Natur des Guten als des unbemeßbaren göttlichen Prinzips, und er gestattete seinen Nachfolgern nie, es in ihm selbst oder andern zu personifizieren. Die berühmte Antwort, die er dem jungen Mann gab, der den Weg des Lebens suchte und ihn „guter Meister” nannte, sollte von allen beherzigt werden. Er sagte: „Was heißest du mich gut? Niemand ist gut denn der einige Gott.” Die Neigung, ein menschliches Wesen für die Quelle des Guten zu halten, ist oft parasitisch und führt zur Verarmung für den persönlichen Versorger sowohl wie für den, der versorgt wird. Wenn man hingegen erkennt, daß das Gute rein geistig ist, so begreift man, daß das eigene individuelle Gute die unmittelbare Widerspiegelung Gottes ist, und unabhängig von Person, Ort oder Ding. Durch Aufnahmefähigkeit für diesen Begriff des Guten wird sich die eigene Individualität in größerer Freiheit, Harmonie und Wirksamkeit entfalten. Wie wahr erweist sich dann jenes Wort der Verheißung: „Der Segen des Herrn macht reich ohne Mühe.”
Auf Seite 587 des Buches „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift” gibt Mrs. Eddy die folgende Definition des Guten: „Das Gute. Gott; Geist; Allmacht; Allwissenheit; Allgegenwart; All-Wirken.” Dies erhebt das Gute über alle Meßbarkeit, alle Möglichkeit der Opposition oder Erschöpfung. Wenn man das Gute als Allmacht erkennt, kann man dann noch fürchten, daß das Böse seine Ansprüche geltend machen kann? Was auch das Wesen des Bösen sein mag, das einem entgegentritt, wenn er sich der Allheit des Guten bewußt wird und daran festhält, wenn er aufhört, die Macht Gottes, des Guten, zu beschränken, so wird er finden, daß diese Macht und Gegenwart in jeder Hinsicht in Gedanken und Handlungen Ausdruck findet.
Da das Gute allwissend ist, kann einer die Weisheit bemessen, die er individuell widerzuspiegeln vermag, um seine Entscheidungen zu lenken, oder das geistige Verständnis, das er erlangen mag, um sein Leben umzugestalten? Ist es ihm möglich, die sich immer weiter entfaltende Erkenntnis wahrer Wissenschaft zu bemessen, die die Menschheit von den begrenzenden Annahmen der Zeit und des Raumes, dem falschen Begriff der Substanz, befreit?
Wenn doch das Gute Allgegenwart ist, wie kann es lokalisiert oder umgrenzt werden? Wie kann jemand fürchten, daß er außerhalb seiner Segnungen und deren Erkenntnis sein kann? Wie kann man seine Gegenwart bemessen oder behaupten, daß es an einem Ort mehr als an einem andern anwesend ist. Gott ist ebenso allgegenwärtig wie das Bewußtsein, und das Gute ist Bewußtsein. In Wirklichkeit ist sich der Mensch nur Gottes, des Guten, bewußt, in dem er lebt und webt und ist.
Wenn man das Gute als All-Wirken versteht, so kann man die Ansprüche des Bösen nicht fürchten, noch seine scheinbare Wirksamkeit als irgend etwas anderes als eine Täuschung der Sinne ansehen, die den Geist verleugnen und sich selbst seine Gegenwart und Macht, sein Verstehen und seine Wirksamkeit anzumaßen suchen. Das Gute allein ist wirksam. Was das Gute verleugnet, ist in Wirklichkeit nicht wirksam. Die Erlebnisse des Traumes, wenn wir schlafen, die manchmal allerlei vernünftige oder unvernünftige Handlungen mit sich zu bringen scheinen, werden, wenn wir erwachen, als bloße Täuschung erkannt, ohne Handelnde noch Handlung. Ebenso sind die Täuschungen der sterblichen Traumexistenz ohne Handelnde noch Handlung. Da das Gute All-Wirken ist, ist die Wirksamkeit des Guten unbemeßbar und immer harmonisch in Wesen und Wirkung.
In dem Maße, wie einer seinen Begriff des Guten entendlicht, entendlicht er auch seinen Begriff des Lebens und dessen Wirksamkeiten und Möglichkeiten ebenso wie seinen eigenen individuellen Ausdruck des Lebens. Er weiß, daß das Leben Gemüt und nie zu irgend einer Zeit mit der Materie und ihren Begrenzungen verbunden ist. Das Leben ist Geist, und daher unbemeßbar, freudig, sündlos, niemals der Disharmonie, der Niederlage und dem Verfall unterworfen. Die abergläubische Annahme, daß das Leben in der Materie ist, schließt die Annahme in sich, daß es aus der Materie herauskommen und irgendwo anders hingehen oder zu einem Ende kommen muß. Das Leben ist immer gegenwärtig und erreichbar und kann nur in dem göttlichen, unermeßlichen Gemüt und seinen göttlichen Eigenschaften gefunden werden. Diese göttlichen Eigenschaften sind nicht in materiellen Dingen irgend welcher Art zu finden. Sie wohnen dem göttlichen Prinzip inne, dem allmächtigen Gesetz des Guten. Man kann sie nicht in der Apotheke kaufen, und man kann sie überhaupt zu keinem anderen Preise kaufen als dem des geistigen Verständnisses und der Liebe Gottes.
Diese Wirksamkeit der sich immer weiter entfaltenden geistigen Ideen drückt sich fortwährend in Vollkommenheit, Glück, Schönheit und Wohlbefinden aus, ja in dem, was man menschlich gesprochen mit Gesundheit, Nahrung, Kleidung und Obdach bezeichnet. Geistiger Reichtum ist sicher und immer gegenwärtig. Er macht sich niemals Flügel, um uns zu entfliegen. Er ist in der Tat unermeßlich. Kann man Liebe, Freude, Frieden, Freigebigkeit, Ehrlichkeit oder irgend eine der bereichernden Eigenschaften des Gemüts messen? Kann irgend jemand von diesen göttlichen Eigenschaften sagen: „Ich kann nur gerade so viel, ein klein wenig, Liebe haben, und ich kann fast gar keine Freude noch Frieden haben und nur einige wenige Lebensjahre; vielleicht kann ich etwas mehr Ehrlichkeit und Freigebigkeit haben, wenn ich darnach strebe”? Doch die Eigenschaften des göttlichen Gemüts sind unbemeßbar, und der Mensch spiegelt sie in all ihrer Fülle wieder.
Man hört manchmal diese Bemerkung: „Oh, ich weiß, daß ich nur ein Kanal für das Gute bin.” Das ist jedoch eine der begrenzendsten sterblichen Annahmen und schließt immer einen Begriff der Trennung in sich. Es bedeutet nicht das Gute selbst, sondern etwas, wodurch das Gute in geringerem oder vollerem Maße hindurchfließt, je nach den Beschränkungen des angeblichen Kanals. Der Mensch ist der Ausdruck des Guten und untrennbar mit demselben verbunden. Mrs. Eddy braucht in ihren Schriften nie das Wort „Kanal” in Verbindung mit dem Menschen; und in der Art, wie es gewöhnlich gebraucht wird, bedeutet es die Annahme, daß eine Person ein besonderer und abgesonderter Kanal für das Gute ist—eine Auffassung, die Jesus zurückwies. Eins unserer beliebtesten Lieder im Gesangbuch der Christian Science (Nr. 182) lautet:
Schafft für den Strom der Liebe Raum,
Daß er sich frei ergießt.
Können wir hier nicht erkennen, daß das Wesen und Sein des Menschen nicht der Kanal, sondern die Liebe selbst ist, die in freiem Maße widergespiegelt wird, und die Segen und Erquickung bringt?
Auf Seite 18 des Buches „Unity of Good” schreibt Mrs. Eddy in Erwiderung auf das Argument, daß Gott das Böse kennt: „Laßt uns vielmehr denken, daß Gott sagt: Ich bin das unendliche Gute, darum kenne ich das Böse nicht. Da Ich im Licht wohne, kann Ich nur den Glanz Meiner eigenen Herrlichkeit sehen.” Der Mensch ist die Widerspiegelung dieser Herrlichkeit, und die Herrlichkeit ist unbemeßbar.
