Vor der Bibliothek einer Stadt in Neuengland steht ein großes Standbild aus Stein. Mehrere hundert Knaben kamen auf ihrem Weg zur Schule immer daran vorbei, und im Winter pflegten sie das Gesicht des Standbildes zur Zielscheibe für Schneebälle zu machen. Gefror der Schnee dann hin, so konnte man oft den ganzen Winter hindurch das Gesicht des Standbildes nicht sehen. Aber wenn im Frühling der warme Sonnenschein den Schnee schmolz, kam das steinerne Antlitz wieder unverändert und unversehrt zum Vorschein. Der Schnee blieb immer nur an der Oberfläche des Standbildes hängen, er drang nie in den Stein ein.
Die Christliche Wissenschaft erklärt, daß weder Sünde noch irgendeine Unstimmigkeit je in das wirkliche Sein des Menschen eindringt; ja, sie können den Menschen nicht einmal berühren. Sie sind sowenig ein Teil von ihm, wie der Schnee ein Teil des Standbildes war. Sie mögen sehr wirklich scheinen unter dem Druck der Versuchung — wenn einen Furcht, Selbstbedauern, Undankbarkeit, Entmutigung und Sünde bedrängen — aber sie vergehen immer vor der Erkenntnis, daß die Liebe gegenwärtig ist und den Menschen beherrscht. Diese Annahmen bestehen nicht tatsächlich, sondern nur vermeintlich; folglich bestehen sie nicht im Menschen, sondern nur in einer falschen Vorstellung vom Selbst. Es ist ermutigend zu wissen, daß gespannte Beziehungen, Krankheit oder die Lügen Vereitelung und Fehlschlag dem Menschen, dem Ebenbild Gottes, nichts anhaben können, daß sie ihn nicht beeinträchtigen können. Sowenig wie Schnee in den Stein eindringen kann, ja noch weniger, können Unstimmigkeit oder Krankheit in das geistige Sein des Menschen eindringen.
Gott und Seine Schöpfung sind ewig vollkommen. Gott, das göttliche Prinzip, ist die Quelle, der Ursprung und die Ursache alles Bestehenden. Es kann nichts neben Gott oder außerhalb von Gott geben; denn Er ist das alles in sich schließende Sein. Alle Tätigkeit geht von Ihm aus, und Er regiert alle Tätigkeit. Die göttliche Liebe sorgt jeden Augenblick unfehlbar für jedes ihrer Kinder und segnet und behütet sie mit ihrer Allmacht. Die Seele versteht und anerkennt ihren Sprößling — ihren Ausdruck — immerdar mit freudiger Befriedigung. Jede Idee und Verrichtung des menschlichen Seins ist in Ordnung, ist richtig tätig und drückt die Vollkommenheit des unwandelbaren Prinzips des Menschen aus, dem sich nichts widersetzen kann.
Da der wirkliche Mensch, das Ebenbild des göttlichen Gemüts, als vollkommenes Verständnis besteht, ist er sich bewußt, daß er so ist, wie Gott ihn schuf. Da er die Idee des Gemüts, also ewig vollkommen ist, können Sünde, Krankheit und Begrenzung sowenig in ihn eindringen wie in Gott. Mangel, falsche Begierden, Krankheit und Leid können dem Menschen nie anhaften. Sie gehören zu einer mesmerischen, falschen, traumhaften Daseinsauffassung und sind daher unwirklich.
Der Apostel Johannes sagte (1. Joh. 3, 9): „Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt bei ihm; und kann nicht sündigen, denn er ist von Gott geboren.“ Sünde ist sowenig ein Teil des wirklichen Seins des Menschen, wie ein Fehler im Rechnen ein Teil der Zahlenwissenschaft ist.
Wer glaubt, er habe gesündigt und sei krank, kann in der Wissenschaft zu der Erkenntnis erwachen, daß Gottes Mensch weder ein kranker noch ein sündiger Sterblicher ist. Er kann erkennen, daß nicht nur Sünde, sondern auch Krankheit ein falscher Sinn ist, der geltend macht, das Bewußtsein des Menschen zu sein; aber dieser falsche Sinn ist nie der Mensch, sondern eine irrige Annahme. Unsere geliebte Führerin, Mary Baker Eddy, wirft Licht auf diesen Punkt, wenn sie schreibt (Miscellaneous Writings, S. 260): „Jesus wußte, daß nur das irrende sterbliche Denken die Annahme des Bösen in sich schließt, und daß Sünde, Krankheit und Tod vom einzelnen ausgedrückte Zustände dieser Annahme sind; daß ferner das reine Gemüt die Wahrheit des Seins ist, die jedes vermeintliche oder grundlegende Gegenteil von Ihm, der das All ist, unterjocht und zerstört.“
Tatsächlich gibt es keinerlei Irrtum, von dem man erlöst zu werden braucht; es muß nur unser Glaube daran zerstört werden. Dem Irrtum, der sich uns aufzudrängen sucht, nachgeben, heißt Gott, das Gute, und unser eigenes wahres Sein verleugnen; denn wenn wir es tun, verbinden wir die falschen Geltendmachungen des Bösen mit uns. Das Bewußtsein des wirklichen Menschen ist unversehrt; es kann nicht in Böses hineingetrieben werden, noch können oder konnten die Lügen des Irrtums je in dieses Bewußtsein eindringen. Dem Menschen, der ewig das eine nie irrende, unfehlbare Gemüt widerspiegelt, das Gott, das Gute, ist, kann sich kein irriges Denken aufdrängen. Der Mensch ist in Gott vollkommen, er ist ewig vom Bösen getrennt und wird nie davon berührt; auf dieser wissenschaftlichen Grundlage können wir unsere menschlichen Schwierigkeiten überwinden.
Vielleicht tritt eine Krankheit, ein Unfall oder irgend eine andere Unstimmigkeit an uns heran und sucht sich unsere Schwierigkeit zu nennen. Aber es ist nur eine Lüge des Irrtums über eine herrliche geistige Wahrheit; der Irrtum hat keine Macht, zu handeln oder eine seiner Trugvorstellungen in unsere Erfahrung zu bringen. Da Gott das allwirkende Gute ist, teilt Gott, das Gemüt, unserem wahren Bewußtsein gerade in dem Augenblick, wo die Versuchung kommt, seine herrlichen geistigen Ideen mit, die wir zum Überwinden dessen, was unsere Schwierigkeit zu sein scheint, anwenden können. Die Liebe verlangt immerwährend, daß wir die gegenwärtige und unaufhörliche Vollkommenheit des Seins des Menschen beweisen, und wir können den Beweis dieser Tatsache in jeder Lage erbringen.
Sind wir geneigt, beim Überwinden unserer Schwierigkeiten zu glauben, daß sie wirklich seien? Fangen wir mit dem Irrtum an und suchen ihn dadurch los zu werden, daß wir ausfindig machen, was in uns verkehrt ist und ihm vielleicht übermäßige Wichtigkeit beimessen? Harmonie kommt in dem Maße zustande, wie wir von dem Glauben frei werden, daß tatsächlich etwas im Menschen nicht in Ordnung sei. Durch das Anerkennen der Wahrheit unseres Seins, des Seins des Kindes Gottes, können wir die irrige Annahme, die zu Unrecht geltend macht, wesenseins mit uns zu sein, dankbar als unwirklich zurückweisen.
Laßt uns die rechte Idee vom Menschen festhalten: daß er geistig, makellos, sündlos, von Krankheit frei, unversehrt und vollkommen ist und immerdar die Freiheit, Einmütigkeit und Herrschaft seines göttlichen Prinzips, Gottes, ausdrückt! Dann wird die Menschheit befriedigt sein und, weil dem Menschen nie eine falsche Begierde, eine Sünde oder Krankheit anhaftet, finden, daß in Wirklichkeit nichts zu ändern, zu heilen oder zu beseitigen ist. Fühlt sich jemand krank oder entmutigt, so sollte er wissen, daß dies nur eine falsche, mesmerische Einflüsterung ist, die sein vollkommenes geistiges Sein zu verdunkeln sucht. Sünde und Krankheit sind keine Zustände im Menschen, sondern Lügen über den Menschen.
Die Christliche Wissenschaft zerstört den Mesmerismus, der das Böse, das gar kein Dasein hat, mit einer Person zu verbinden sucht. Johannes erklärt: „Ein Mensch kann nichts nehmen, es werde ihm denn gegeben vom Himmel“ (Joh. 3, 27). Kann jemand eine falsche Annahme, Mißerfolg, Leid, eine Krankheit, Mangel an Versorgung, oder eine unharmonische Vergangenheit kennen oder haben? Nein! Man kann etwas Unwahres, Nichtbestehendes sowenig verstehen oder haben, wie man die falsche Behauptung, zweimal fünf sei elf, verstehen oder haben kann.
Der Irrtum kann nur mit unserer Zustimmung gedeihen. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 210) schreibt unsere geliebte Führerin: „Da das, was Materie genannt wird, unintelligent ist, kann es nicht sagen: ‚Ich leide, ich sterbe, ich bin krank, oder ich bin gesund.‘ Das sogenannte sterbliche Gemüt sagt dies aus und scheint seine Behauptung an sich selbst wahr zu machen.“ Die Einwendung des vermeintlichen sterblichen Gemüts täuscht den Menschen nicht, denn er spiegelt das eine vollkommene Gemüt, das Gott ist, wider. Der Mensch denkt, fühlt und handelt immer in Übereinstimmung mit dem vollkommenen Gesetz Gottes.
Wenn wir uns daher im Familien- oder Geschäftsleben vor schwere Aufgaben, vor Sünde oder Krankheit gestellt sehen, finden wir, daß es den Mesmerismus zerstört und wir frei werden, wenn wir in der Wissenschaft verstehen, daß das Böse nicht in den Menschen eindringen kann. Verstehen wir, daß eine Krankheit die Folge davon ist, daß der Mensch etwas annimmt, was tatsächlich nicht besteht, so können wir ihr den Einlaß verweigern. Wenn wir verstehen, daß Gott uns die Macht verliehen hat, recht zu denken und das eine vollkommene Gemüt widerzuspiegeln, können wir die Geltendmachung des Irrtums, daß er mit unserem Bewußtsein wesenseins werden könne, überwinden. Wer sich weigert, einer Krankheitseinflüsterung des sterblichen Gemüts zuzustimmen, kann nicht krank sein. Wer überdies vorbehaltlos und verständnisvoll daran festhält, daß der Mensch jetzt vollkommen ist, dem wird unfehlbar der augenscheinliche Beweis seiner ewigen Harmonie in seinem menschlichen Leben zuteil.
Unsere geliebte Führerin schreibt in Wissenschaft und Gesundheit (S. 475): „Der Mensch ist der Sünde, der Krankheit und des Todes unfähig. Der wirkliche Mensch kann von der Heiligkeit nicht abweichen, noch kann Gott, der den Menschen entfaltet hat, die Fähigkeit oder die Freiheit zur Sünde erzeugen.“ Der Mensch kann also nichts Geringeres als die Intelligenz, die harmonische Tätigkeit, die Vollständigkeit und die vollkommenen Eigenschaften des allmächtigen Gottes ausdrücken. Der Mensch, das Einzelbewußtsein des Guten, geht augenblicklich und beständig auf das Gute ein. Er ist sich ewig des Guten bewußt, er versteht die Allmacht des Guten, er drückt nur das Gute aus und sieht nur Gutes ausgedrückt.
Der Mensch, Gottes geistige Idee, ist unwandelbar vollkommen. Unsere Führerin verbindet nirgends in ihren Schriften Irrtum mit dem Menschen, dem Ausdruck Gottes. Das Bewußtsein des sündlosen, geistigen Selbst des Menschen, das nur das von Gott stammende Gute in sich schließt, befreit das Denken von dem Glauben, daß wir das Werkzeug irgend einer Unvollkommenheit werden können. Und wir müssen den augenscheinlichen Beweis unserer Unbeflecktheit, Freudigkeit, Einmütigkeit und Geistigkeit jetzt fordern.
