„Jauchzet dem Herrn, alle Welt! ... Kommt vor sein Angesicht mit Frohlocken! ... Gehet zu seinen Toren ein mit Danken, zu seinen Vorhöfen mit Loben; danket ihm, lobet seinen Namen!“ (Ps. 100: 1, 2, 4.)
Seit alten Zeiten ist die Wichtigkeit, Gott als die Quelle alles Guten anzuerkennen, empfunden worden: die Israeliten hatten ihre Danksagungs-Gottesdienste, der Psalmist erwähnt ihre Dankopfer. Wir hören verschiedentlich, daß der Meister Gott dankte, und Paulus sagte (Kol. 3:15): „Der Friede Gottes regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in einem Leibe; und seid dankbar!“
Doch Dankbarkeit ist mehr als Lippendienst. Ein Ausdruck der Dankbarkeit, während das Herz voller Haß, Groll, Unzufriedenheit, Zweifel und Furcht ist, drückt wahrlich keine wahre Dankbarkeit aus. Die Dankbarkeit erhebt sich über die Schwankungen des materiellen Sinnenzeugnisses und verweilt auf der immerwährenden Anerkennung der geistigen Tatsache. In der Wissenschaft bedeutet die Anerkennung des Guten die Demonstration des Guten. Welche Heilung und Umwandlung könnte wohl beobachtet werden, wenn die ganze Welt dem Geber alles Guten lobsingen würde, und daran festhalten, daß nichts außer dem, was Gott, das Gute, ausdrückt, wirklich ist oder je wirklich gewesen ist! Wie bald würden die Narben des Krieges, die Schmerzen des Hasses und die Verheerungen des Mangels verschwinden! Mit welcher Güte und Schönheit würde sich ein neuer Frühling in der Wüste der menschlichen Erfahrungen entfalten, und mit welch frischem geistigem Winde würde die mentale Atmosphäre der Erde gereinigt werden!
Jemand mag sagen: Aber das ist doch zu phantastisch und idealistisch! Denkt doch an die Haßgefühle, die die Menschheit bewegen; an die Tragödien, die unter der Oberfläche verborgen liegen; an die Seuche und Hungersnot, die Tyrannei und die Ungewißheit, die die Menschheit verfolgen! Die Wissenschaft sagt: Vergegenwärtigt euch statt dessen die unendliche Macht und Gegenwart der unwiderstehlichen göttlichen Liebe, der Liebe, die Gott ist, der Liebe, die Leben ist, der Liebe, die immer wirksam ist und nicht verborgen bleiben kann, sondern empfunden werden muß. Liebe ist Macht, und es hat niemals eine andere, gegenteilige Macht gegeben.
Als der Meister erklärte (Joh. 4:23): „Es kommt die Zeit und ist schon jetzt, daß die wahrhaftigen Anbeter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit,“ äußerte er eine wissenschaftliche und revolutionäre Forderung. Im Zusammenhang hiermit schreibt Mary Baker Eddy in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 140): „Wir beten nur dann geistig an, wenn wir aufhören materiell anzubeten.“ Und sie fügt hinzu: „Durch das Mittel der Materie anbeten ist Heidentum.“
Wahre Anbetung geht von der wissenschaftlichen Grundlage aus, daß der Geist, nämlich Gott und Seine Idee, Alles-in-allem ist, und daß es keine andere Macht, kein anderes Gemüt oder Sein gibt außer der Macht, dem Gemüt und dem Sein Gottes. Alle wissenschaftlichen Vernunftschlüsse und alle wahren Schlußfolgerungen gehen von dieser Voraussetzung aus. Es hat niemals auch nur einen Augenblick gegeben, an dem irgend etwas außer Gott wirklich war, niemals einen Augenblick, an dem eine Schöpfung existierte, die in das Böse verfallen, oder einen Menschen, der sterben konnte. Gott, der Geist, der unendliches Leben, unendliche Wahrheit, unendliche Liebe ist, ist der einzige Schöpfer; und es gibt nur eine Schöpfung, und diese ist geistig, vollständig, frei und vollkommen. Der von Gott erschaffene Mensch ist geistig, der ewige Ausdruck des Lebens, ohne Anfang und ohne Ende. Der Mensch lebt, weil Gott sein Leben ist; er liebt, weil er die göttliche Liebe widerspiegelt; er existiert, weil Gott, seine Seele, sein Ursprung und seine Substanz ist. Er kann seine Vollkommenheit nicht verlieren, noch vom Guten abgetrennt werden. Er hat kein Bewußtsein außer dem des Guten, kein Gemüt außer Gott, kein Leben außer dem göttlichen Leben. Seine Reinheit ist unberührbar, seine Harmonie unstörbar, seine Individualität stellt eine Wesenseinheit mit dem göttlichen Prinzip dar, sein Wesen und Sein ist die Widerspiegelung der Seele. Dies sind die geistigen Tatsachen, auf die der Christliche Wissenschafter sich gründet.
Die Christliche Wissenschaft kehrt das Zeugnis der Sinne um und legt seine Falschheit bloß. Sie untergräbt die Sterblichkeit; sie entthront die Materie, indem sie deren mythische Natur beweist, die weder Substanz, Intelligenz noch Leben besitzt. Nichts als wissenschaftliches Beweisen oder Demonstrieren kann wahrhaft unsre Dankbarkeit ausdrücken. In „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 280) heißt es: „Die endliche Annahme kann niemals der Wahrheit nach irgendeiner Richtung hin gerecht werden. Die endliche Annahme begrenzt alle Dinge und möchte Gemüt, das unendlich ist, in eine Hirnschale zwängen. Eine derartige Annahme kann den Unendlichen weder erfassen noch verehren, und um ihrem endlichen Begriff von der Teilbarkeit der Seele und der Substanz zu genügen, trachtet sie danach, den einen Geist in Personen und Seelen zu teilen.“ An sich selber oder an andere als endliche materielle Menschen zu denken, die Gott für empfangene Segnungen danksagen, bedeutet nicht, den Vater „im Geist und in der Wahrheit“ anbeten, sondern vielmehr „durch das Mittel der Materie anbeten“, und ist daher nicht Christentum sondern Heidentum!
Der Mensch besteht im Gemüt und ist allein dem Gesetz des Gemüts unterworfen. Er ist nicht etwa ein endlicher, menschlicher Empfänger göttlicher Gunst, sondern existiert vielmehr als der Ausdruck und Beweis von der Fülle der göttlichen Liebe, der Fortdauer des Lebens und der Unversehrtheit der Wahrheit. Seine Harmonie und sein Wohlergehn sind ebenso unwandelbar wie das Prinzip, das ihn regiert.
Laßt uns also wahrhaft eingehen zu Gottes „Toren mit Danken, zu seinen Vorhöfen mit Loben“, nicht als endliche Sterbliche, die einer Gottheit danksagen, von der sie eine Gunst erbeten haben, nicht durch materielles Fasten oder Feiern, sondern durch das wissenschaftliche Anerkennen und Demonstrieren der Wesenseinheit zwischen dem Prinzip und seiner Idee. In ihrem Werk „Miscellaneous Writings“ (S. 106) sagt Mrs. Eddy: „Seit langem ist dies eine Frage von großer Bedeutung für mich gewesen: Wie soll die Menschheit den Anbetungswürdigsten, und doch so wenig Angebeteten, anbeten — und wo soll das Lob anfangen, das niemals enden sollte? Über mir, unter mir, um mich scheinen leise, sanfte Engelstimmen zu antworten:, Lebt so, daß euer Leben eure Aufrichtigkeit beweist und Seinen Ruhm verkündet.‘ “
Wahre Dankbarkeit durchdringt den Schleier der Materialität. Sie widerlegt den materiellen Sinn mit dem geistigen Sinn, den zu persönlichen Sinn mit der Wahrheit der geistigen Wesenheit und den körperlichen Sinn mit dem Verständnis von der unkörperlichen Natur des Seins. Dankbarkeit ist etwas Geistiges. Sie erkennt, anerkennt und demonstriert das Leben, das Gott ist. Möge so dieses Gefühl der Dankbarkeit beständig in uns bleiben, wenn wir mit Paulus wiederholen: „Der Friede Gottes regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in einem Leibe; und seid dankbar!“
