Die meisten Menschen haben sich schon einmal gesehnt, ein Ziel zu erreichen, das ihnen ungemein wünschenswert schien. Als dieses starke Verlangen zuerst in ihnen erwachte, begannen sie mit hohen Hoffnungen; ein neuer Eifer erfüllte ihre Tage und durchschauerte ihr Herz. Sie fanden die ersten Schritte vielleicht angenehm und leicht. Aber dann erhoben sich Schwierigkeiten. Es kann ein Sehnen nach einer beglückenden Verbindung gewesen sein, die aufgelöst worden war, oder nach einem weit entfernten geliebten Ort, oder danach, die Früchte ehrlichen Bemühens und verdienstvoller Leistung zu genießen. Für alle diese Zustände kann ein besseres Vertrautsein mit Gott und dem Menschen, wie die Christliche Wissenschaft sie offenbart, Heilung bringen.
Als Jesus von Nazareth öffentlich zu wirken begann, strömten ihm die Menschen zu, ihn zu hören; aber am Kreuz verließen sie ihn. Seine liebsten Jünger schliefen schließlich, als sie hätten wachen sollen. „Könnet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen?“ fragte Jesus (Matth. 26, 40). „Diesem menschlichen Sehnen“, schreibt Mary Baker Eddy im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 48), „ward keine Antwort zuteil, und so wandte sich Jesus auf immer von der Erde dem Himmel, vom Sinn der Seele zu.“
Die Christliche Wissenschaft ist die Wissenschaft der Seele. Sie lehrt, daß Gott die Seele, vollkommen und vollständig, völlig zufrieden ist. Sie lehrt wie die Bibel, daß Gott den Menschen zu Seinem Gleichnis schuf. Auf Seite 519 in Wissenschaft und Gesundheit schreibt Mrs. Eddy: „Die Gottheit war zufrieden mit ihrem Werk.“ Weil Gott zufrieden ist, ist der Mensch, Seine Widerspiegelung, zufrieden. Gott sehnt sich nicht; denn Gott hat alles; folglich sehnt sich der zu Gottes Ebenbild geschaffene Mensch nicht, denn auch er aht als Gottes Widerspiegelung alles Gute. Der Mensch sehnt sich nach keiner Person, keinem Ort oder Ding; der Mensch sehnt sich nicht einmal nach Gott; denn der Mensch ist immer in Gottes Gegenwart und ist Ihm immer gehorsam. Der Mensch, der das Bild und Gleichnis der Seele ist, ist immer vollkommen befriedigt, weil Gott ihn liebt.
Mrs. Eddy schreibt in Wissenschaft und Gesundheit ferner (S. 258): „Gott bringt im Menschen die unendliche Idee zum Ausdruck, die sich immerdar entwickelt, sich erweitert und von einer grenzenlosen Basis aus höher und höher steigt.“ Dieses ewige Höhersteigen von Freude zu Freude, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, ist Befriedigung. Es ist nicht bloß, daß man sich nicht sehnt, daß man selbstzufrieden und lässig ist; sondern es ist das im ganzen Handeln ausgedrückte Anerkennen, daß das göttliche immergegenwärtige Gute dem Bewußtsein des Menschen hier und jetzt immerwährend neue Schönheit und Erkenntnis, Liebe und Gesundheit enthüllt.
Im Evangelium des Johannes (12, 27. 28) ist berichtet, daß Jesus sagte: „Jetzt ist meine Seele betrübt. Und was soll ich sagen? Vater, hilf mir aus dieser Stunde! Doch darum bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verkläre deinen Namen!“ Und später betete Jesus (17, 5): „Und nun verkläre mich du, Vater, bei dir selbst mit der Klarheit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“ Da Jesus alles menschliche Sehnen aufgab, sich von dem beunruhigten menschlichen Sinn der Seele mit seinen quälenden sterblichen Bestrebungen und Neigungen abwandte und der erhabenen Herrlichkeit der Seele — der Herrlichkeit, die der Mensch von Ewigkeit zu Ewigkeit widerspiegelt — zuwandte, überstand er die Qual der Kreuzigung unberührt, und trug durch seine Auferstehung und Himmelfahrt einen ewigen Sieg davon. Jesus zeigte allen Menschen den Weg, und alle Menschen können, wenn sie sich vollständig von dem sich sehnenden Sinn der befriedigten Seele zuwenden, sofort beginnen, wie Jesus ein siegreiches Leben zu führen. In einem Lied im englischen christlich-wissenschaftlichen Gesangbuch (Nr. 66) lesen wir:
Erleuchte, Seele, uns mit klarem Blick,
Brich ird'sche Fesseln, nimm hinweg den Schein,
Laß vor uns stehn die Welt im wahren Sein.
Wenn unser Bewußtsein sich mit diesen großen Tatsachen der Wissenschaft der Seele beschäftigt, kommt der neue Himmel und die neue Erde zum Vorschein. Wenn wir im Gebet das bleibende Befriedigtsein Gottes und des Menschen behaupten, anstatt einmal zu erschlaffen und uns dann wieder zu sehnen, finden wir, daß Gott unser tägliches Tun friedlich und natürlich regiert; wir finden das, was wir zu tun haben, immer neu und anregend, und wir tun es eifrig und aus freiem Antrieb. Wenn wir beständig wissen, daß Gott gegenwärtig ist und uns leitet, sind wir zu sehr davon in Anspruch genommen, uns heute zu freuen, als daß wir uns um den morgigen Tag sorgten. Unter dieser neuen Herrschaft völlig befriedigten Denkens weichen oft langwierige Krankheiten der Gesundheit.
Alles, was in unseren früheren Wünschen und Enttäuschungen wahrhaft der Mühe wert war, wird uns jetzt ohne Kampf oder Unruhe auf neue und völlig befriedigende Weise zuteil. „Der Segen des Herrn macht reich ohne Mühe“ (Spr. 10, 22). Und jedes andere Sehnen, das man nach einer Person, einem Ort oder Ding haben mag, weicht einem heilenden Einfluß, wenn man die Tatsachen der Seele anerkennt.
Im 22. Kapitel der Offenbarung lesen wir von „einem lautern Strom des lebendigen Wassers, klar wie ein Kristall, der von dem Stuhl Gottes und des Lammes ausging“, und daß „auf beiden Seiten des Stroms Holz des Lebens stand, das zwölfmal Früchte trug und seine Früchte alle Monate brachte.“ In der Wissenschaft der Seele fließen die Ströme geistigen Lebens frei von allem menschlichen Sehnen, und der Mensch lebt ewig befriedigt immerdar in der Gegenwart der göttlichen Liebe. Das Wirken dieser Wissenschaft segnet jedermann hier und jetzt mit dauernder Befriedigung.
