In der ganzen menschlichen Geschichte ist nie ein eindringlicheres Schreien zu Gott erhoben worden als der Menschheit unendliches Sehnen nach Gerechtigkeit. Dieser unauslöschliche Wunsch ist wie eine Vorahnung von der Gegenwart der göttlichen Ordnung des Seins, worin Gott, das Gute, allerhaben regiert, und Gerechtigkeit und Billigkeit die ewigen Wirklichkeiten des Daseins sind. Der Psalmist erkannte Gott als die Quelle der Gerechtigkeit und sang (Ps. 89:15): „Gerechtigkeit und Gericht ist deines Stuhles Festung; Gnade und Wahrheit sind vor deinem Angesicht.“ Und sein Lied fährt fort: „Wohl dem Volk, das jauchzen kann! Herr, sie werden im Licht deines Antlitzes wandeln.“
Der Mensch, die Idee Gottes, handelt in Gerechtigkeit und drückt die Weisheit und Billigkeit des göttlichen Gemüts in jedem Gedanken aus. Sein ganzes Sein wird von der Gerechtigkeit seines Schöpfers beherrscht. Die Christliche Wissenschaft enthüllt dieses geistige Ebenbild Gottes als unsre wahre Selbstheit und demonstriert den Willen Gottes als das Gesetz des Weltalls, das jede Idee in dem unendlichen, geistigen Reich des Gemüts gerecht regiert. Gerechtigkeit ist eine Charakteristik, die dem göttlichen Gesetz innewohnt, eine unwandelbare Kraft, die als der all-wirksame Wille des Gemüts angerufen und demonstriert werden kann. Wenn sie verstanden wird, so können alle menschlichen Umstände von ihr beherrscht werden.
Man weiß instinktiv, daß das Rechttun von Gott beschützt wird. Die Christliche Wissenschaft erklärt, daß dieser Instinkt ein Beweis von der ewigen Gerechtigkeit des Gemüts ist, den der falsche, materielle Daseinsbegriff nicht verdunkeln kann. Mary Baker Eddy sagt in ihrem Werk „Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes“ (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 139): „Gerechtigkeit und Ehrlichkeit können nicht aufgegeben werden; ihre Lebenskraft bringt Leben mit sich — ruhiges, unwiderstehliches, ewiges Leben.“ Das Recht wird im Gemüt aufrechterhalten; und das Unrecht kann der eigenen Selbstzerstörung nicht entgehn, zu der es verdammt ist.
Auflehnung und Groll, welche die gefühlsmäßigen Folgen des Glaubens an die Wirklichkeit des Irrtums bilden, müssen zum Schweigen gebracht werden, wenn die Gegenwart des göttlichen Gesetzes der Gerechtigkeit in all seiner Weisheit und Macht bewiesen werden soll. In ihrer Allegorie eines mentalen Gerichtsverfahrens (Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, S. 430‒442) legt unsre Führerin die tröstliche Tatsache dar, daß wir vor allen Züchtigungen außer denen, die wir uns etwa selbst durch Sünden zugezogen haben, bewahrt sind, denn Christi Gesetz der Gerechtigkeit ist ein hohes Gesetz, bei dem wir Berufung einlegen können, wie etwa ein Rechtsanwalt für einen seiner Klienten Berufung bei dem höchsten Gerichtshof seines Landes einlegt.
Durch die barmherzigen Hilfeleistungen der Christlichen Wissenschaft verschwinden die falschen Bürden der Krankheit und der unverdienten Züchtigungen jeder Art. Sünden, Gelüste und Krankheiten, die erblicher Belastung zuzuschreiben sind, vergehen vor dem eingeborenen Recht der Unschuld, wenn Gottes Gesetz der Gerechtigkeit verstanden wird.
Rache kann niemals die Ungerechtigkeit wiedergutmachen. Vergeltung für ungerechte Behandlung, die man von anderen erlitten hat, schließt einen einfach von dem Reich des Gemüts aus, wo Gerechtigkeit und Billigkeit unumschränkt walten. Die beste Art, durch die Christliche Wissenschaft den Angriffen der Ungerechtigkeit entgegenzutreten, ist, bei dem göttlichen Prinzip und seiner vollkommenen Idee Berufung einzulegen, zu verstehen, daß Gott durch die unwandelbaren Kräfte der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit alles regiert, und die Existenz eines materiellen Daseinsbegriffes zu leugnen, worin die Sterblichen von dem Verhalten anderer und den unbarmherzigen Gesetzen der Materie abhängig zu sein scheinen; und vor allem dadurch daß wir Feinden sowohl wie Freunden Gerechtigkeit und Barmherzigkeit angedeihen lassen.
Wo Unschuld ist, da ist auch die Gerechtigkeit stets gegenwärtig und demonstrierbar. Das rechte Handeln macht die Gerechtigkeit beweisbar. Unehrlichkeit, Rache und Groll — sie alle verwirken den Schutz des Gesetzes der Gerechtigkeit, den die Wahrheit uns bietet. Nicht das Verhalten anderer, sondern das eigene Rechttun bestimmt das Maß, in dem uns die Gerechtigkeit in menschlichen Angelegenheiten zur Verfügung steht. Mrs. Eddy sagt in „Miscellany“ (S. 191): „Seid geduldig der Verfolgung gegenüber. Ungerechtigkeit hat nicht den zehnten Teil von der Macht der Gerechtigkeit.“ Und dann fügt sie hinzu: „Fahrt beständig fort in der Liebe und den guten Werken. Ihr Kinder des Lichts, ihr seid nicht Kinder der Finsternis. Laßt euer Licht leuchten. Haltet fest an der Grundlage der Christlichen Wissenschaft — ein Gott und ein Christus.“
Unsre Treue der Gerechtigkeit gegenüber wird durch unsre Demonstration des Einsseins mit Gott bestimmt. Inmitten einer Welt, die scheinbar von Materialität und Ungerechtigkeit verdunkelt ist, geistiges Licht ausstrahlend, kann ein jeder Einzelmensch, der erkennt, daß Gott Alles ist, und daß Er Sein Weltall mit Gerechtigkeit und Billigkeit regiert, unsagbar viel dazu beitragen, durch die Macht der Gerechtigkeit, welche den scheinbaren Fluch der Sterblichkeit überwindet, die menschlichen Leiden zu lindern.
Unser Leben der Gerechtigkeit zu weihen, der Demonstration von Gottes ewigem Gesetz des Guten — der Christlichen Wissenschaft — und niemals einen Augenblick den Gefühlen der Auflehnung und niedrigen Rachgelüsten nachzugeben, ist wahre Weisheit. Die Vergeltung kann den unentrinnbaren Gesetzen der Gottheit anheimgestellt bleiben. Gerechtigkeit als die allgegenwärtige Wahrheit des Seins auszuarbeiten, und keine Ungerechtigkeit als wirklich anzuerkennen, ist das tief befriedigende, tröstliche Vorrecht des Christlichen Wissenschafters. Die Gerechtigkeit Gottes ist nie abwesend. Die Wahrheit richtet immerwährend und bestimmt die Wirklichkeit oder Unwirklichkeit alles Augenscheins, indem sie ihre eigene Idee unterstützt und segnet.
Christus Jesus, der den Mittler zwischen dem Wahren und dem Falschen darstellte, drückte den Urteilsspruch der göttlichen Gerechtigkeit aus, indem er die Kranken und Sündigen heilte, die Disharmonie und den Mangel überwand und die Toten erweckte. Er sagte (Joh. 8:16): „So ich richte, so ist mein Gericht recht; denn ich bin nicht allein, sondern ich und der Vater, der mich gesandt hat.“ Seine Auferstehung von den Toten war der ewige Beweis, daß die Liebe und die göttliche Gerechtigkeit die Reinheit und das Rechttun niemals verlassen. Die Wahrheit bleibt bestehen. Die Wirklichkeit ist unwandelbar, und ein sündloses Leben demonstriert des Menschen ewiges Einssein mit der barmherzigen Wahrheit.
Unsre geliebte Führerin bewahrte ihre Freude und Würde inmitten scheinbarer Angriffe der Ungerechtigkeit, der falschen Darstellungen und der Verhöhnung, und schließlich wurde sie als Führerin anerkannt und als eine große Frau, deren Beitrag zu der sicheren Erlösung der Menschheit von allem Irrtum noch nicht voll gewürdigt worden ist. Aus der Fülle ihrer eigenen Erfahrung heraus erklärt sie (Vermischte Schriften, S. 277): „Kein materielles Sinnenzeugnis kann vor meinen Blicken den wissenschaftlichen Beweis verbergen, daß Gott, das Gute, allerhaben ist. Obgleich Er von Wolken umgeben ist, sitzen die göttliche Gerechtigkeit und das göttliche Gericht auf dem Thron. Die Liebe ist besonders nahe in Zeiten des Hasses, und nie näher, als wenn man inmitten der Gesetzlosogkeit gerecht sein und Böses mit Gutem vergelten kann.“