In der Bibel lesen wir so oft, daß jemand auf einen Berg ging, um mit Gott in Gemeinschaft zu treten, um Erleuchtung und Offenbarung zu suchen, und wieviel Gutes es zur Folge hatte. Abraham ging auf einen Berg, um zu opfern, und wurde von Gott gesegnet. Mose ging auf Gottes Gebot auf einen Berg und empfing dort die Zehn Gebote. Auf jener Höhe redete Mose mit Gott von Angesicht zu Angesicht, und es wurde ihm das Grundgesetz für die Regierung der ganzen Menschheit gegeben. David fand Sicherheit vor seinem Feind in einer Höhle in den Bergen; die Sunamitin suchte den Mann Gottes auf einem Berge auf, und Jesus ging oftmals auf einen Berg, um zu beten. Auf einem Berg hörten die Jünger das Gebet des Herrn und die Seligpreisungen, die Vorschriften für ein Gesegnetsein oder wahres Glück. Die Verklärung, eines der großen geistigen Erlebnisse in Jesu Laufbahn, fand auf einem Berge statt.
Sind diese Erfahrungen ein Hinweis, daß der Mensch Gott, der Quelle alles Guten, auf einer Bergeshöhe näher sei? Nein, die materielle Höhe ist von keiner Bedeutung. Johannes gibt uns im 21. Kapitel der Offenbarung die Antwort auf diese Frage (Vers 10, 11): „Und er [ein Engel] führte mich hin im Geist auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die große Stadt, das heilige Jerusalem, herniederfahren aus dem Himmel von Gott, die hatte die Herrlichkeit Gottes.“ Johannes erstieg keinen materiellen Berg, er wurde im Geist zu einem hohen geistigen Bewußtsein von Gott und dem unaufhörlich von Gott ausgehenden Guten erhoben. Die Christliche Wissenschaft enthüllt, daß wir diesen Berg geistigen Bewußtseins, von dem der materielle Berg nur ein Sinnbild ist, ersteigen müssen, wenn wir heute wieder erleben wollen, was diese damaligen Diener des einen Gottes erlebten.
Sind wir mit unserem gegenwärtigen Los nicht zufrieden? Möchten wir etwas Besseres, Schöneres, Beglückenderes suchen? Dann laßt uns auf den Berg gehen und wie Josua das Land erkunden. Er sah vom Bergesgipfel aus, daß das verheißene Land ein Land war, darin Milch und Honig floß, „ein sehr gutes Land“, das man von der Tiefebene und von der Wüste aus, wo er gewesen war, nicht hatte sehen können. Auf dem Berg geistigen Schauens, über der flachen Ebene des materiellen Sinnes und den dunklen Tälern der Begrenzung hat man einen unbeschränkten Ausblick. Hier, in dem klaren Bereich des unendlichen Gemüts können wir das Gute erkennen, das des Menschen, des Kindes Gottes, göttliches Erbe ist. Von dieser geistigen Höhe aus sehen wir, daß das Gemüt die eine unfehlbare, leitende Intelligenz ist; daß der Geist die eine alles befriedigende, unzerstörbare und immergegenwärtige Substanz ist; daß das Leben unsterblich und alltätig ist; daß die Liebe allumfassend und harmonisch ist. Mary Baker Eddy schreibt in ihrem Buch „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (S. 183): „Geistige Wahrnehmung enthüllt, gestaltet um, heilt.“
Sind wir entmutigt, uns nicht klar, sind unsere Pläne vereitelt? Suchen wir Führung und Leitung? Dann laßt uns vorwärts gehen und wie Elia auf dem Berge stehen. Er war ebenfalls verzagt und saß unter einem Wacholder, ehe er auf Gottes Gebot auf eine Höhe stieg. Dort hörte Elia die stille, sanfte Stimme der unendlichen Intelligenz und empfing den Rat und die Anweisung, die er so nötig brauchte. Wie Elia können auch wir die stille, sanfte Stimme hören, wenn wir auf den Berg der bewußten Erkenntnis, daß Gott das einzige Gemüt ist, steigen. Alles wahre Denken, Verständnis, Urteil, alle wahre Weisheit und Entscheidung gehen aus diesem einen Gemüt hervor. Wenn wir diese göttliche Intelligenz anerkennen und sehen, daß wir als Ideen des Gemüts sie widerspiegeln, werden wir Diener des Gemüts, hören wir seine Stimme und folgen seiner Führung; dann geben wir nichtiges, furchterfülltes und auf das Zeugnis der materiellen Sinne gegründetes falsches Denken auf. Wenn wir auf dem Berg stehen, wenn wir uns der Allheit Gottes und der Untrennbarkeit des Menschen von Ihm bewußt sind, kann uns kein anscheinender Sturm menschlicher Ansichten irreführen; kann uns kein anscheinendes Erdbeben sterblicher Ereignisse aus der Fassung bringen; kann uns kein sogenanntes Feuer zerstörender materieller Gewalten — seien sie atomischer, bakterieller oder irgend welcher Art — schrecken.
Ist unsere Versorgung begrenzt? Suchen wir eine größere Fülle des Guten? Dann laßt uns auf den Berg wissenschaftlichen Bewußtseins gehen, wo wir verstehen, daß nicht die Materie, sondern der Geist Substanz ist. Auf einem Berge bewies Jesus die unendliche Versorgung des Geistes für den Menschen. Angesichts von materiell sichtbarer Knappheit und Ungenüge speiste er über viertausend Menschen — nicht kärglich, sondern reichlich, und es waren noch sieben Körbe voll übrig. Der Meister erwartete alles Gute von Gott, dem Geist. Die Christliche Wissenschaft lehrt uns seinem Beispiel folgen. Dazu müssen wir das Tal der materiellen Annahme verlassen und auf den Berg der geistigen Wirklichkeit steigen. Im Tal glauben wir, daß Materie Substanz sei, und daß wir immer mehr Materie besitzen müssen, wenn wir von Beschränkung frei sein wollen. Doch haben viele, die großen materiellen Besitz erworben haben, den ersehnten Frieden nicht erlangt; denn die Materie hat weder die Macht noch die Intelligenz, dem Menschen Gutes zu verleihen. Nur der Geist kann die nötige Substanz geben. Das Gute kann also nicht in materiellen Dingen, sondern nur in geistigen Ideen erfaßt werden. Geistige Ideen segnen uns und geben uns alles, was wir brauchen. Sie können weder gezählt, aufgehäuft, zerstört oder gestohlen werden, noch verlorengehen. Keine Person kann sie knapp bemessen einer andern Person zuteilen. Sie können nicht hierhin ein wenig und dorthin ein wenig verteilt werden. Sie gehen, wie Lichtstrahlen aus der Sonne, aus ihrer Quelle, dem Geist, in unendlicher Fülle hervor. Wenn wir auf dem Berg geistiger Wirklichkeit stehen, wird es uns klar, daß wir nur zu der Tatsache zu erwachen brauchen, daß wir als Gottes geliebte Kinder diese geistigen, wesenhaften Ideen schon besitzen und in uns schließen.
Leiden wir an Herzeleid, einer Krankheit oder Schmerzen? Möchten wir geheilt werden? Dann laßt uns auf den Berg geistigen Verständnisses gehen, wo sich das Leben nicht in Krankheit und Leid, sondern in Harmonie und Freude darbietet. Als der Verfasser im Krieg seinen Sohn verlor, fand er nur dann Trost, wenn er das Tal der Todesschatten verließ und auf den Berg stieg und dort — im Bewußtsein des ewigen Lebens — verweilte. Dort berührten ihn Erschütterung, Kummer, Herzeleid und Verzweiflung nicht. Sie waren zurückgeblieben.
Das Ersteigen dieses Berges bestand darin, daß er die Tatsachen des geistigen Seins vorbehaltlos anerkannte. Er glaubte, daß der Geist, Gott, das Leben ist, und daß der Mensch Sein Bild und Gleichnis ist. Er verwarf den Gedanken, daß die Materie ein Teil des Daseins sei. Er erkannte an, daß, da der Geist das Leben ist, keine zerstörende materielle Gewalt, kein Torpedo, kein Ozean dem Leben ein Ende gemacht hatte oder je machen konnte. Er erkannte, daß sein Sohn und er selber als Ideen des Gemüts so ewig, von Krieg und Unheil so unberührt waren wie der Geist, der Urheber des Menschen. Er sah, daß sich in Wirklichkeit weder in der Beziehung zwischen Gott und seinem Sohn, noch in der Beziehung zwischen Gott und ihm selber etwas geändert hatte. Auf dem Berg der Erkenntnis des geistigen Seins war nicht nur Gott, das ewige Leben, nahe, auch sein Sohn schien nicht mehr in weiter Ferne, sondern ganz nahe. Er lernte auch verstehen, daß er auf diesem Berg bleiben mußte; denn sobald er in das Tal hinabstieg und den menschlichen Sinn der Dinge für wirklich hielt, waren der Schmerz und das Herzeleid wieder da. Daher blieb er mehr und mehr auf dem Berge — in dem hohen Bewußtsein, daß der Geist das Leben ist — und in diesem Bewußtsein fand er Frieden, eine dauernde Heilung von Leid.
Sind wir furchtsam? Suchen wir Sicherheit und Geborgenheit? Dann laßt uns auf den Berg geistigen Bewußtseins gehen und dort bleiben! Hier, in diesem reinen Bereich, ist Gott der einzige Gesetzgeber. Hier gibt es nichts zu fürchten; denn Haß ist vergangen, sogenannte Gesetze der Materie sind unwirksam, und das Böse kann selbst in seinen spitzfindigsten Formen nicht täuschen. Auf der Höhe erhabenen Denkens, auf der Jesus beständig weilte, konnte der Teufel ihn weder schrecken, versuchen noch ihm schaden. Jesu Vertrauen, daß sein Standpunkt unverletzbar war, geht aus seinen Worten hervor (Matth. 4, 10): „Hebe dich weg von mir, Satan! denn es steht geschrieben:, Du sollst anbeten Gott, deinen Herrn, und ihm allein dienen.‘ “ Jesus betete Gott an und liebte Ihn; daher war er sich immer bewußt, daß Gott ihn liebte. Durch dieses Bewußtsein der Gegenwart und Macht der Liebe konnte er das Vorhandensein einer andern Macht weder fürchten noch an sie glauben. Folglich hatte er Herrschaft über das angreifende Böse. Auch uns können Gefahr, Bosheit, Angriff, Sünde und Tod nicht erreichen, wenn wir die Niederung des materiellen Sinnes verlassen und in der Sicherheit und der unwandelbaren Ruhe des außerordentlich hohen Berges der Liebe weilen.
Wie können wir den Weg finden auf diese geistigen Höhen, wo Einmütigkeit herrscht? Wie zu Johannes kommt der Engel oder die Botschaft von Gott zu uns und hebt unser Denken höher. Diese göttliche Botschaft ist der Christus, der heute zum menschlichen Bewußtsein spricht und uns immer Gottes Weg zeigt. Mrs. Eddy schreibt im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 242): „Es gibt nur einen Weg zum Himmel, zur Harmonie, und Christus zeigt uns diesen Weg in der göttlichen Wissenschaft. Das heißt, keine andre Wirklichkeit kennen — kein andres Lebensbewußtsein haben — als das Gute, als Gott und Seine Widerspiegelung, und sich über die sogenannten Schmerzen und Freuden der Sinne erheben.“
Wir müssen das Verlangen haben, höher zu gehen. Wir müssen willens sein, den materiellen Sinn von Leben und Substanz aufzugeben, um die geistige Wirklichkeit zu erlangen. Manchmal widersetzen wir uns dem Aufgeben dieses Sinnes, selbst wenn er das irrige Bewußtsein in sich schließt, daß Haß, Furcht, Mangel, Krankheit und Tod im Leben inbegriffen seien. Aber es kommt der Tag, wo der Christus uns die Nutzlosigkeit und Unwirklichkeit dieses falschen Sinnes zeigt. Dann freuen wir uns, die göttliche Botschaft zu hören und zu befolgen, die sagt (Jes. 2, 3): „Kommt, laßt uns auf den Berg des Herrn gehen, zum Hause des Gottes Jakobs, daß er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen!“