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Sich selber und seinen Nächsten lieben

Aus der März 1951-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


In den Evangelien ist berichtet, wie ein im jüdischen Gesetz bewanderter Schriftgelehrter Christus Jesus einmal fragte, welches das wichtigste der unzähligen Gebote in den fünf Büchern Mose's sei. Sofort führte der Meister aus dem 5. Buch Mose das Gebot an, Gott restlos und von ganzem Herzen zu lieben, und er fügte — aus Mose's sorgfältiger Zusammenfassung unserer Pflicht gegen unsern Nebenmenschen, wie wir sie im 19. Kapitel des 3. Buchs Mose finden — ein zweites hinzu (Matth. 22, 39): „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

Lukas sagt uns, wie ein anderer Schriftgelehrter einmal um weitere Auskunft darüber bat: „Wer ist mein Nächster?“ Der Meister gab als Antwort darauf das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Der Schriftgelehrte hätte jedoch noch andere Fragen stellen können: „Was heißt wahrhaft lieben?“ und: „Wer ist dieses ‚ich selbst‘?“

Es bedarf keiner tiefen Wahrnehmung, um zu sehen, daß dieses zweite Gebot Habgier verbietet, zu Freundlichkeit ermutigt, Selbstüberhebung und Halsstarrigkeit zum Schweigen bringt und Gerechtigkeit hochhält; daß jemand, der es befolgt, einen andern nicht ungerecht oder unehrlich übervorteilt, nie kalt und gefühllos gegen seinen Bruder ist, und sein Denken, Reden und Handeln immer mäßigt durch die nützliche Gewohnheit, daß er versucht, „Dinge vom Standpunkt des andern aus zu sehen“. Aber für die Menschheit im allgemeinen nur soviel Zuneigung haben, wie wir für unsere menschliche Auffassung von uns selber haben, heißt die tiefe Bedeutung und Nützlichkeit des Gebots aus den Augen verlieren. Viele Sterbliche haben sich selber gar nicht gern; ja, wenn wir die kurze Erklärung des Apostels Paulus (Röm. 13, 10): „Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses“ zum Prüfstein der Liebe machen, könnte von wenigen von uns gesagt werden, daß wir uns selber lieben; denn die Sterblichen leiden oft durch das, was sie sich selber zufügen.

Aber der Meister wußte besser als irgend jemand vor ihm gewußt hatte, daß das wahre Selbst des Menschen das Kind Gottes, die Offenbarwerdung der göttlichen Liebe ist, daß es geistig und vollkommen ist. Im christlich-wissenschaftlichen Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ erklärt und erläutert Mary Baker Eddy seine Worte und Werke, so daß wir seine Lehren im Alltag zweckdienlich anwenden können. Sie schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 476, 477): „Jesus sah in der Wissenschaft den vollkommenen Menschen, der ihm da erschien, wo den Sterblichen der sündige, sterbliche Mensch erscheint. In diesem vollkommenen Menschen sah der Heiland Gottes eignes Gleichnis, und diese korrekte Anschauung vom Menschen heilte die Kranken.“

Dieser vollkommene Mensch ist unendlich liebenswert. Er ist eine göttliche Idee, Gottes Ebenbild, das Bild und Gleichnis seines Vater-Mutter-Gottes, der göttlichen Liebe, und hat folglich alle innigen und freundlichen Tugenden und keinerlei Untugend. Schön, aber nicht eitel; reichlich versorgt mit Gottes Schätzen, aber weder stolz noch überladen; weise und intelligent, aber weder anmaßend noch befehlshaberisch; standhaft, aber nicht halsstarrig; gütig, aber nicht schwach; aus freiem Willen, aber innerhalb des Gesetzes handelnd; demütig, aber nicht unterwürfig; stark, aber nicht herrschsüchtig; gesund, rüstig, liebevoll, selbstlos, ist er buchstäblich die sich bekundende Liebenswürdigkeit des Guten. Lieben heißt diesen wirklichen, diesen vollkommenen Menschen verstehen und erkennen, daß dieses vollkommene Kind, diese vollkommene Idee Gottes das wahre Selbst, die geistige, unkörperliche Individualität eines jeden ist.

Viele menschliche Begriffsbestimmungen des Wortes „Liebe“ sind nur entstellende Nachahmungen seiner hohen und heiligen Bedeutung. In der Christlichen Wissenschaft versteht man, daß Liebe menschlich zum Ausdruck kommt als jene reine Nächstenliebe, von der es im 13. Kapitel des 1. Briefs an die Korinther heißt, sie sei langmütig, freundlich, selbstlos, demütig, höflich, nie ärgerlich oder erbittert, immer hoffnungsvoll und freigebig, sie erkenne alles an, was gut sei, und frohlocke nicht über Böses. Vollkommene Liebe ist Gott selber, sie ist in Seiner genauen Widerspiegelung und Idee, dem geistigen, wirklichen Menschen, verkörpert. Jemand wissenschaftlich lieben heißt diesen wahren Menschen oder die Christusidee als sein wirkliches Sein sehen. Die Christlichen Wissenschafter nennen dies ganz richtig die Wahrheit wissen.

Diese geistige, wissenschaftliche Liebe — dieses Wissen der Wahrheit — ist das Allerzweckdienlichste in der Welt. Sie gestaltet unsere menschliche Erfahrung und Umgebung um. Sie heilt Krankheit dadurch, daß sie die Krankheitsannahme durch das Bewußtsein der Gesundheit ersetzt. Sie hilft jeder Not dadurch ab, daß sie die Furcht vor Mangel durch das Erleben von Fülle ersetzt. Sie überwindet Sünde dadurch, daß sie an Stelle eines irrenden Sünders den rechtschaffenen Menschen enthüllt, ein Vorgang, den der Meister „von neuem geboren“ werden nannte. Sie rottet jede denkbare Aufregung, Sorge und Unstimmigkeit durch die Wahrheit der geistigen, vollkommenen Schöpfung Gottes aus.

Jemand wie unser wahres Selbst lieben heißt also, ihn in der Wissenschaft so sehen, wie der Meister den Menschen sah — den vollkommenen Menschen, Gottes eigenes Gleichnis sehen — und anerkennen und verstehen, daß er die Offenbarwerdung der Güte Gottes und Seiner Liebe ist. Wir können für uns selber oder unsern Nächsten nichts tun, was ihm oder uns so zugute kommt wie diese wissenschaftliche Liebe, dieses wahre Gebet.

Nachdem der Meister das Gleichnis vom barmherzigen Samariter erzählt hatte, fragte er (Luk. 10, 36): „Welcher dünkt dich, der unter diesen dreien der Nächste sei gewesen dem, der unter die Mörder gefallen war?“ Und er billigte die Antwort: „Der die Barmherzigkeit an ihm tat.“

Um das ungemein wichtige Gebot des Meisters zu befolgen, müssen wir gegen jedermann, mit dem wir in Berührung kommen, barmherzig sein; und wir haben keinen Nächsten, der uns näher wäre als unser eigenes menschliches Bewußtsein. Dieser menschliche Sinn fällt vielleicht jeden Tag unter die diebischen Einflüsterungen Müdigkeit, Entmutigung, Neid, Mißgunst, Beschränkung und Häßlichkeit, die ihm, wenn er ihnen nicht widersteht, seine gottgegebene Harmonie und Freude rauben. Wahre Barmherzigkeit besteht im Erkennen des wirklichen Menschen, des geistigen Selbst aller, und darin, daß man die materielle, sterbliche Ansicht vom Menschen, die der Krankheit, der Sünde und der Begrenzung ausgesetzt ist, als eine Nachahmung und Unwahrheit verneint. Laßt uns zuerst und beharrlich gegen unsere menschliche Auffassung von uns selber barmherzig sein!

Oft gesteht ein Christlicher Wissenschafter: „Wenn mich jemand um Hilfe bittet, arbeite ich sofort; aber die Wahrheit für mich selber zu wissen schiebe ich auf!“ Er ist sich gewöhnlich nicht bewußt, daß er damit seinen Ungehorsam gesteht gegen die ausdrückliche Forderung von Mrs. Eddy, die sie in „Miscellaneous Writings“ (S. 127) gegeben hat: „Eines habe ich sehr gewünscht, und ich ersuche nochmals ernstlich darum, nämlich, daß die Christlichen Wissenschafter hier und anderwärts täglich für sich selber beten, nicht laut oder auf den Knien, sondern im stillen, demütig und inbrünstig.“ Und in dem Artikel „Zur Anleitung der Mitglieder“ im Handbuch Der Mutterkirche (S. 40–49) weist sie darauf hin, daß tägliches Beten Pflicht jedes Mitglieds Der Mutterkirche ist. Wer durch ein solches demütiges und inbrünstiges Beten seine eigene geistige Wesenseinheit, sein eigenes geistiges Selbst, klar und liebevoll beweist, ist am besten in der Lage, seinem Bruder zu helfen. Nachdem er den Balken aus seinem eigenen Auge gezogen hat, kann er seines Bruders geistige Wesenseinheit und Vollkommenheit sehen.

Wir können andern natürlich nur dann christlich-wissenschaftliche Behandlung erteilen, wenn sie uns darum bitten; aber es ist unsere Pflicht und unser Vorrecht, unser eigenes Denken klar zu erhalten und die Sünde und Krankheit, deren das sterbliche Gemüt sie irrigerweise beschuldigt, im stillen wissenschaftlich zu verneinen. Der Christliche Wissenschafter ist sein eigener erster Patient, die Welt ist sein zweiter, und das tägliche Gebet für die ganze Menschheit, wie es im Handbuch (Art. VIII, Abschn. 4) vorgeschrieben ist, bereichert seinen Beweis sehr.

„Die Liebe höret nimmer auf“, schrieb Paulus. Jedes verständnisvolle Gebet, jede verständnisvolle Erklärung der Wahrheit hat ihre sichere Wirkung. Unsere christliche, wissenschaftliche Liebe zu unserem Nächsten und uns selber kann und wird alle Spreu menschlichen Denkens vernichten, das Sterbliche entfernen und das Unsterbliche enthüllen, und die Menschen die Schönheit und Vollkommenheit, die Einmütigkeit und selbstlose Freude, die das göttliche Leben widerspiegeln, erleben lassen.

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