Die Geschichte des Urchristentums zeigt, daß die ursprüngliche Reinheit der Botschaft des Evangeliums von den zahlreichen Philosophien und heidnischen Bräuchen des Altertums bekämpft wurde. Diese religiösen Bräuche hatten Jahrhunderte lang geherrscht; ja sie bildeten die Wissenschaft, die Theologie und die Heilkunst der sterblichen, materiellen Denker.
Als Christus Jesus auftrat, um den Menschen ihre Gotteskindschaft zu verkündigen und seine Worte durch Werke zu beweisen, bedeutete dies das Grabgeläute für alle philosophischen Abstraktionen. Jesu geistiger Ursprung gab ihm eine Vollmacht ohnegleichen. Er war sich der Gotteskindschaft des Menschen so klar bewußt, daß die Vorgänge sittlicher Umgestaltung, die der Durchschnittssterbliche in seiner geistigen Entwicklung durchzumachen hat, für ihn nicht nötig waren. Nach den Worten des Apostels Paulus wurde Jesus „versucht allenthalben gleichwie wir, doch ohne Sünde“ (Hebr. 4:15). Die ihm innewohnende Erkenntnis von Gott und seiner Gottessohnschaft schloß keinen bloß philosophischen oder abstrakten Begriff in sich. Er erklärte die Wahrheit über Gott und den Menschen, und seinen Erklärungen folgten sofort Beweise ihrer Richtigkeit. Seine Heilungen waren Beweise der Wahrheit seiner Lehren.
Die Vertreter heidnischer Religionen, griechischer Philosophien und des orientalischen Mystizismus, die damals in Fülle vorhanden waren, konnten die umwälzenden Ideen des neuen Lehrers nicht ohne weiteres annehmen, sondern bekämpften ihn mit aller Macht, um ihre eigenen Theorien aufrechtzuerhalten. Sie stützten sich nicht auf Beweis, sondern hielten an der Annahme fest, daß das menschliche Gemüt, Hypnotismus, Mesmerismus und Zauberei Einfluß hätten. Eine philosophisch und scheinreligiös eingestellte Gemeinde leistete Jesus auf allen Seiten Widerstand auf Grund ihrer volkstümlichen Überlieferungen. Die von Jesus verkündigte geistige Tatsache, daß der Mensch das Kind Gottes ist und daß dies immer bewiesen werden kann, war eine Herabsetzung für ihre weltliche Weisheit und ihren intellektuellen Hochmut. Mary Baker Eddy erklärt mit Bezug auf die Christus Jesus von Gott zugewiesene Bestimmung, ein höheres Christentum zu gründen (Miscellaneous Writings, S. 162): „Von dieser strahlenden, gottgekrönten Höhe trat der Nazarener plötzlich vor das Volk und die philosophischen Schulen der Gnostiker, der Epikureer und der Stoiker. Er mußte sich der Flut dieser sich aufbäumenden, aufgebrachten Elemente entgegenstemmen und gelassen über ihre heftig bewegten, schäumenden Wogen wandeln.“
Wer die Geschichte des Christentums studiert, kennt die Kämpfe der urchristlichen Kirche, die Lehre Christi Jesu in ihrer ursprünglichen Reinheit aufrechtzuerhalten. Der riesige Mut eines Paulus, der Ungemach, Leiden und Beschimpfung erduldete, um die Reinheit des christlichen Glaubens zu bewahren, erfüllt uns mit Bewunderung. Er schrieb bekanntlich einmal (2. Kor. 11:3): „Ich fürchte aber, daß, wie die Schlange Eva verführte mit ihrer Schalkheit, also auch eure Sinne verrückt werden von der Einfalt in Christo.“ Seine Furcht war nicht unbegründet; denn die Menschen verloren das Heilungswerk, das Jesu Mission so klar gekennzeichnet hatte, allmählich aus den Augen. Das Christentum wurde mit theologischen Lehrsätzen überladen und mit Heidentum vermischt, bis Heilung (der Beweis der Gegenwart und Macht des Christus) etwa um das Jahr 325 n. Chr. aus der christlichen Kirche verschwand.
Diese geschichtlichen Begebenheiten sind eine Warnung, die wir nicht unbeachtet lassen dürfen. Die Christliche Wissenschaft ist gekommen, um die ursprüngliche Einfachheit des Christentums wiederherzustellen und die Wissenschaft des unwandelbaren geistigen Gesetzes und seine Anwendung auf menschliche Schwierigkeiten darzubieten. Mrs. Eddy schützte ihre Offenbarung der Wahrheit gegen die Irrtümer menschlicher Meinungen und falscher Theologien durch ihre Veröffentlichung des christlich-wissenschaftlichen Lehrbuchs „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ und ihre anderen Werke einschließlich des Handbuchs Der Mutterkirche. Ihre inspirierten Schriften sind ein Führer zur rechten Anwendung der Christlichen Wissenschaft, und kein ehrlicher Anhänger, der ihre Anweisungen treu befolgt, kann irregehen. Aber jeder Anhänger sollte erkennen, daß altes Heidentum, abstrakte Philosophie und orientalischer Mystizismus immer noch bestehen und den unachtsamen Wissenschafter auf ihre breiten und leichten Wege locken.
Nehmen wir zwei Beispiele dieser Philosophien, nämlich den Epikureismus und den Neuplatonismus. Die epikureischen Lehren der Griechen wiederholen sich heute in der Lehre, daß die körperlichen Sinne unsere Führer zur Wahrheit seien, daß der Mensch materiell sei, und daß der Tod an und für sich kein Übel sei. Der Neuplatonismus, der ein bitterer Gegner des Urchristentums war, da er auf Abstraktionen und der völligen Auflösung der Individualität des Menschen bestand, war ein noch täuschenderer Irrtum, weil er unter dem Deckmantel des Guten arbeitete. Er zeigt sich heute in den Annahmen, die behaupten, es sei nicht wichtig, daß die Menschen vom Geist des Evangeliums durchdrungen werden, da das materielle menschliche Dasein ja völlig unwirklich sei, und daß daher keine sittliche Erneuerung als Schrittstein zum Geistigen nötig sei.
Das Verneinen der Individualität des Menschen ist auch für das Ausüben der Christlichen Wissenschaft unheilvoll; eine abstrakte Idee vom Himmel untergräbt die Entschlußkraft und kann zu morgenländischem Fatalismus führen. Man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, daß Betrachtung nicht das gleiche bedeutet wie Gemeinschaft mit Gott.
Bei unserem Fortschreiten im Studium und der Anwendung der Christlichen Wissenschaft finden wir, daß es beständig notwendig ist, durch ein Vergleichen festzustellen, ob unser Verständnis der in der Bibel und im christlichwissenschaftlichen Lehrbuch enthaltenen unbedingten Wahrheit genau entspricht. Wenn wir dies nicht tun, kann ein kleiner metaphysischer Irrtum sich unbemerkt zu einem großen Fehler entwickeln. Es ist weise, uns streng an unsere Bücher zu halten und selbst, wenn wir nur wenig lernen, darauf bedacht zu sein, daß dieses wenige die rechte und reine Christliche Wissenschaft ist, die Mrs. Eddy uns enthüllt hat.
Wir könnte heute, wo die reine und höchst einfache Wissenschaft des Christentums dem Anprall intellektueller Philosophien und des orientalischen Mystizismus standzuhalten hat, sicher sein, daß unser Fortschreiten in der Wissenschaft beschützt wird durch unser Verlangen, Mrs. Eddys Lehren treu zu sein, sowie dadurch, daß wir bei jedem Schritt vorwärts demütig bei Gott Führung suchen.
Mrs. Eddy war eine Bahnbrecherin, die den Weg bezeichnete durch einen Wald sterblicher Lehren und Annahmen. Sie fürchtete nicht, den Weg zu verfehlen. Sie hatte den festen Glauben, daß Gott sie führte, und dieser Glaube war ihr Halt. Wenn Gott ihr einen Gedanken eingab, ging sie darauf ein. Wenn Gott ihr den Weg wies, gehorchte sie ohne Widerrede. Tiefer Glaube, Demut, Ehrlichkeit und Geistigkeit beschützten ihre Mission, und sie erwies sich dadurch auch der Stellung würdig, die sie heute einnimmt als Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft und Führerin der christlich-wissenschaftlichen Bewegung. Derselbe Glaube, dieselbe Ehrlichkeit, Demut und Geistigkeit werden auch unser Halt sein, so daß wir bei der reinen, unverfälschten Christlichen Wissenschaft beharren.