Gottes leitende Hand ist uns immer nahe. Demut befähigt uns, dies zu erkennen. Der Glaube an das Gute macht es uns leicht zu gehorchen. Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft, beschreibt die zwingende Kraft dieser Führung der Liebe, wenn sie uns in ihrem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ sagt (S. 559): „Die unhörbare Stimme der Wahrheit ist für das menschliche Gemüt als ‚wie ein Löwe brüllet‘. Sie wird in der Wüste und an dunkeln Orten der Furcht gehört.“ Die einzige Forderung, die die Wahrheit an uns stellt, ist, daß wir auf ihre Stimme achten. Die Christliche Wissenschaft zeigt uns, wie wir das tun können.
Unsere geliebte Führerin suchte unermüdlich Gottes Leitung. Es wird erzählt, daß sie, als sie zum ersten Mal das ursprüngliche Gebäude Der Mutterkirche besuchte, an eins der Leserpulte trat und diese Worte eines bekannten Kirchenliedes wiederholte:
„O Jehova, groß, erhaben,
Führ mich durch dies öde Land;
Ich bin Dein, und Du bist mächtig,
Halte mich an starker Hand.“
(Siehe „Mary Baker Eddy, Ein lebenswahres Bild“ von Lyman P. Powell, Auflage 1950, S. 174). Und viele Jahre vorher, als sie die Pastorin der Kirche war, verlieh sie der Sehnsucht ihres Herzens Ausdruck in dem ergreifenden Gedicht, das mit den folgenden Worten beginnt (Gedichte, S. 14):
„Hirte mein, zeige mir, wie ich soll gehen
Über die steilen, die einsamen Höh'n,
Wie ich wohl sammeln, wie säen ich kann,
Wie Deine Schafe ich weiden !“
Mrs. Eddy wußte wohl, daß Gottes Führung uns immer zu Entscheidungen hinlenkt, die heilen und segnen. In dem Verständnis von der Einheit und Allheit des Gemüts, das die Christliche Wissenschaft verleiht, können wir in der wolkenlosen Atmosphäre der Intelligenz leben und atmen. Wie unsere liebe Führerin, so können auch wir uns frei machen von den Suggestionen des persönlichen Sinnes und des menschlichen Willens. Selbst „in der Wüste und an dunkeln Orten der Furcht“ können wir den spontanen Antrieb fühlen, der uns zu dem Pfad lenkt, auf dem wir wandeln sollen.
Geographisch gemessen, beträgt die Entfernung von Ägypten bis zum Gelobten Lande nicht viel mehr als 320 Kilometer. Für die Kinder Israel bedeutete dies ein vierzig Jahre langes Wandern. Sie mußten die Lektionen ihrer Wüstenwanderung lernen. Die Erlösung aus der pharaonischen Knechtschaft war nur der Anfang. Lektionen des Mutes, der Standhaftigkeit, des Gehorsams und der Selbstaufopferung mußten noch gelernt werden, ehe das Ziel erreicht werden konnte. In der Bibel lesen wir (2. Mose 13:17, 18): „Da nun Pharao das Volk gelassen hatte, führte sie Gott nicht auf der Straße durch der Philister Land, die am nächsten war; denn Gott gedachte, es möchte das Volk gereuen, wenn sie den Streit sähen, und sie möchten wieder nach Ägypten umkehren. Darum führte er das Volk um auf die Straße durch die Wüste am Schilfmeer.“ Doch während des langen und oft schweren Herumwanderns der Kinder Israel in der Wüste war die Führung Gottes ihnen immer nahe. Es gab Nahrung für sie in der Wüste; es gab Wasser in der Wüste; es gab Schatten in der Wüste; und in den dunkelsten Stunden leitete sie der Liebe führendes Licht in Sicherheit weiter.
In der Einöde menschlicher Unsicherheit bedürfen wir sehr der Führung. Es genügt nicht, sie uns zu wünschen, wie zuversichtlich es auch sein mag. Um Freiheit genießen zu können, müssen wir die Freiheit verdienen. Der Wüstenweg hat keine Stätte in der Wirklichkeit des Seins. Es ist ein Pfad, den wir uns selbst schaffen. Sein Ausgangspunkt besteht in unserm eigenen Widerstand gegen Gottes Gebote. Er endet mit unserer Ankunft im Gelobten Land: unserer Erkenntnis von Gott, dem unendlichen Guten, als Alles-in-allem. Doch selbst, wenn uns der Weg zu lang scheint, wird unsere Wanderung uns nicht ermüden, falls wir ernsthaft weiterstreben und unsere Augen auf unser Ziel geheftet halten. Die einzigen Wegweiser, auf die wir achten müssen, sind Gebet und Selbstaufopferung. Die Versuchung, bald diesen bald jenen Weg einzuschlagen, Kurzwege zu suchen und die Wegweiser zu übersehen, wird uns nur irreführen. Wir selbst bestimmen die Dauer unserer Wanderung und ihrer Gefahren. Wir selbst bestimmen das Tempo unseres Wanderns. Wenn wir jeden Schritt vorwärts in Befolgung des göttlichen Geheißes tun, wird all unser Bedarf gedeckt werden, und wir werden volle Genüge haben.
Jeder Christliche Wissenschafter fragt sich, warum er wohl nicht schneller auf dem Wüstenweg vorwärts kommt, und warum er ihn nicht schneller hinter sich lassen kann. Es ist gut, wenn wir uns oft derlei Fragen stellen. Doch noch besser ist es, sich rückhaltlos auf den geistigen Sinn zu verlassen, der einen über den unharmonischen Augenschein der materiellen Sinne erhebt. Der geistige Sinn bringt die hartherzige Selbstgefälligkeit des Intellektualismus zum Schweigen und erleuchtet die scheue Selbstunterschätzung der mangelnden Erfahrung. Er weckt uns auf, so daß wir den wahren Zustand des Menschen als Kind Gottes erkennen können. Diese geistige Wahrnehmung weist spontan die Suggestionen des tierischen Magnetismus zurück, die Gottes Schöpfung herabsetzen und Seine Macht leugnen.
Wie dunkel der Wüstenweg auch sein mag, der erlösende Christus, die Wahrheit, findet uns dort und führt uns aufwärts. Es ist nicht genug, Gottes Gegenwart zu behaupten; wir müssen diese Gegenwart fühlen. Dann wird die praktische Offenbarwerdung des Guten, die das Böse verdrängt, in unserem Leben in die Erscheinung treten. In dem Maße, wie wir mehr Ehrlichkeit, mehr Reinheit und mehr Liebe ausdrücken, werden wir Fortschritt machen. Das Bemühen, das Gelobte Land zu erreichen, ohne zuvor unsere Beweggründe und Handlungen zu läutern und zu vergeistigen, führt nur zu Selbsttäuschung. Es kann nicht erreichen, weil es nicht innerlich erlangt hat. Christus Jesus erklärt dies treffend in seinem Gleichnis vom verlorenen Sohn. Erst als er innerlich bereit war, sich seinem Vaterhause wieder zuzuwenden, vermochte der irrende Sohn zu verstehen, daß Heim und Glück ihm nicht versagt waren. Ohne diese praktische Reue und diese Anstrengungen, seine Fehler zu berichtigen, würde der verlorene Sohn nicht den liebenden Gruß des Vaters gehört haben. Nicht Worte, sondern Taten beweisen unsere Aufrichtigkeit. Das menschliche Handeln muß die göttliche Wirklichkeit zum Vorbild haben, sonst ist es vergeblich.
Die Wildnis der menschlichen Annahmen, aus denen wir uns zu erheben haben, nennt sich Wissenschaft, Theologie und Medizin. Um geistigen Fortschritt zu machen, müssen wir alle Systeme des Wissens hinter uns lassen, die sich auf die Theorie gründen, daß die Materie Leben und Intelligenz hat, und daß sie schöpferische Kraft besitzt. Die Christliche Wissenschaft lehrt uns, daß Gott die einzige Kraft ist, und daß Er das einzige Leben und Gemüt des Menschen ist. Wenn wir uns beständig dieser höchst wichtigen Tatsachen bewußt bleiben, so werden wir immer wieder Gelegenheit finden, ihre Wahrheit zu beweisen. Unser Fortschritt wird sich dementsprechend beschleunigen. Bei diesem Fortschreiten über die täuschenden Ansprüche des menschlichen Wissens hinaus werden wir von all dem in unserem Leben unterstützt, das einer Sehnsucht nach dem Guten entspricht. Lichtblicke des Göttlichen erreichen jedes menschliche Herz. Wenn auch manchmal unbewußt, sehnen sich die Sterblichen nach Befreiung aus dem Kerker ihrer Unwissenheit, Sünde und Pein, um Gottes Führung zu suchen und zu befolgen. Es ist diese undefinierbare Liebe zum Geistigen, die uns befähigt, die „unhörbare Stimme“ der Wahrheit zu vernehmen. Sie verbindet uns mit der Allmacht des Gemüts und bringt uns auf den Pfad zurück, der zur Erlösung führt. Ich kann dies durch ein Erlebnis meiner eigenen Erfahrung veranschaulichen.
In der Hütte eines Bergmanns in der westamerikanischen Wüste fand ich die laufende Nummer einer Zeitschrift. Ich stieß darin auf einen Aufsatz aus einer Artikelserie, die bestimmt war, die Christliche Wissenschaft herabzusetzen. Für mich war die Wissenschaft damals nicht mehr als ein Name. Ich las den Aufsatz, und er würde keinen Eindruck auf mich gemacht haben, wenn darin nicht spottend ein ganz kurzer und einfacher Satz aus Mrs. Eddys Schriften zitiert worden wäre, der mein Interesse erregte. Dieser Satz ist auf Seite 199 unseres Lehrbuches zu finden. Er lautet: „Der Stabhammer nimmt durch den Gebrauch nicht an Größe zu.“ Diese ganz elementare Bemerkung erwies sich mir als die „unhörbare Stimme“ der Wahrheit, die selbst „in der Wüste und an dunkeln Orten der Furcht“ gehört wird. Zum ersten Mal in meinem jungen Leben wurde es mit klar, daß die Wirklichkeit der Materie in Frage gestellt werden könnte. Diese Herausforderung kam in einfachen Ausdrücken, die ich verstehen konnte, und der Gedanke verfolgte mich sozusagen. Ich konnte ihn nicht mehr loswerden. Später kam ich in den Besitz des Buches „Wissenschaft und Gesundheit“ und begann, selbst die Wahrheit der Lehren Mrs. Eddys zu beweisen. Aus diesem Erlebnis erwuchs mir eine sich immer steigernde Bereitwilligkeit, Gottes Führung anzunehmen, und eine wachsende Fähigkeit, sie zu erkennen.
Die Christlichen Wissenschafter erinnern sich in demütiger Dankbarkeit daran, wie Mrs. Eddy auf dem, was ihr Sterbelager zu sein schien, die göttliche Wirklichkeit erkannte, die ihre Gesundheit wiederherstellte. Der Lichtblick des Christus, den sie in jener dunklen Stunde erhaschte, wurde immer heller und führte sie zu der vollkommenen und endgültigen Offenbarung der Christlichen Wissenschaft. Kein anderes Ereignis der Weltgeschichte ist bedeutungsvoller als dieses gewesen.
Der theologische Aberglaube, der Saulus von Tharsus in Banden hielt, verschwand, als sein Bewußtsein von dem heilenden Christus erleuchtet wurde. Gottes führende Hand erreichte ihn auf der staubigen Straße nach Damaskus. Die Aufrichtigkeit des Saulus rüstete ihn aus, den neuen Forderungen genügen zu können. Er schritt mutig vorwärts, ohne zurückzuschauen. Gar vieles können die Christlichen Wissenschafter von der Bekehrung des Saulus lernen. Auch an sie tritt manchmal die Forderung heran, überwundene kirchliche Bindungen und Vorurteile abzuwerfen. Die Führung der Liebe lenkt uns immer hinweg von überwundenen Vorstellungen, niemals zu ihnen hin. Wenn der Anfänger sich dessen eingedenk bleibt, braucht er die Drohungen und Verfolgungen nicht zu fürchten, die das Annehmen der Christlichen Wissenschaft zu trüben scheinen. Für alles, was er scheinbar aufgeben muß, wird er vollen Ersatz finden. Die Wanderung zum Gelobten Land ist sicher, denn die Allgegenwart der Liebe umgibt uns auf Schritt und Tritt.
Mrs. Eddy gründete ihre Kirche, um uns auf dieser Fahrt zu beschützen. Aktive Kirchenmitgliedschaft bietet täglich Gelegenheiten, die lenkende Macht der Liebe zu beweisen und andern zu helfen, diese Macht besser zu verstehen. Unsere Mitgliedschaft bereichert uns durch Versicherungen von des Menschen Einssein mit dem göttlichen Prinzip, der Liebe, und von Gottes Liebe zu allen Seinen Kindern. Sie erbringt den praktischen Beweis von der Brüderschaft der Menschen. Die Wüste blüht fröhlich, wenn wir uns versammeln, um Gott in einem unserer Gottesdienste zu loben.
Auch ist Heilung für alle vorhanden, die sich in wahrer Aufrichtigkeit der Christlichen Wissenschaft zuwenden, um Heilung von Krankheit zu finden. Die Wissenschaft heilt Krankheit, denn die Krankheit ist nur ein Wahnbild des sterblichen Gemüts. Gott sendet die Krankheit nicht, noch gibt Er Seine Einwilligung dazu. Sie ist ein Traum, aus welchem Christus, die Wahrheit, uns erweckt. Wenn wir einmal erweckt worden sind, so ist es notwendig, wach zu bleiben. Ein mattherziges Aufgeben des Vertrauens auf medizinische Heilmittel ist nicht genügend. Je klarer wir dies erkennen, und je treuer wir in unserm Leben daran festhalten, desto sicherer wird unsere Demonstration von Gesundheit und Wohlbefinden sein. Die Vertreter medizinischer Theorien bemühen sich aggressiver denn je, das Denken von Kindern, Männern und Frauen zu beeinflussen und ihre Körper zu beherrschen. Auf diesem Wüstenwege hypnotischer Suggestion wird der Christliche Wissenschafter unerschrocken seinen Standpunkt behaupten. Die Christliche Wissenschaft bringt uns den größten Segen, der uns in diesem menschlichen Leben werden kann. Sie offenbart uns Gott, das göttliche Prinzip. Der Mensch, der vom göttlichen Prinzip regiert wird, reagiert nicht auf die Beeinflussung des tierischen Magnetismus. Arzneien, medizinische Diagnosen und Psychoanalyse sind die tragischen Spielzeuge des sterblichen Gemüts. Sie sollten keinen Christlichen Wissenschafter irreführen. Eine Laune der falschen Annahme weicht der anderen; doch schließlich muß die Lektion gelernt werden, daß Gott, der Geist, des Menschen unversiegbarer Gesundbrunnen ist.
Wir haben nichts zu fürchten, wenn wir Gott — und Ihm allein — vertrauen, auf allen unseren Wegen. Seine Führung leitet uns in Seine Gegenwart, in das Gelobte Land der Freiheit und der Herrschaft. Der Prophet Jesaja sah diese Erlösung voraus, als er schrieb (42:16): „Die Blinden will ich leiten auf dem Wege, den sie nicht wissen; ich will sie führen auf den Steigen, die sie nicht kennen; ich will die Finsternis vor ihnen her zum Licht machen und das Höckerichte zur Ebene. Solches will ich ihnen tun und sie nicht verlassen.“