Im 24. Psalm lesen wir (3:4): „Wer wird auf des Herrn Berg gehen, und wer wird stehen an seiner heiligen Stätte? Der unschuldige Hände hat und reines Herzens ist.“
Bei welcher Gelegenheit wären diese Worte wohl besser zum Führer geeignet, als bei der Leserwahl in einer christlich-wissenschaftlichen Kirche? Unschuldige Hände und ein reines Herz sind die Haupterfordernisse für das Vorrecht, an heiliger Stätte zu stehen; das heißt, es muß jemand sein, der sich ernstlich bemüht hat, viel Materialität aufzugeben und viel Geistigkeit zu gewinnen. Für kein anderes Amt hat Mary Baker Eddy im Handbuch Der Mutterkirche und in ihren anderen Schriften so bestimmte geistige Bedingungen niedergelegt und Vorkehrungen getroffen, wie für das Amt eines Lesers. Diese Forderungen sollten immer wieder und besonders vor Leserwahlen eingehend studiert werden.
Mrs. Eddys Worte auf Seite 455 in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ stimmen mit der oben angeführten Bibelstelle überein. Dort sagt sie: „Gott wählt für den höchsten Dienst nur jemand aus, der zu einer solchen Tauglichkeit für denselben herangewachsen ist, daß jeglicher Mißbrauch der Mission zur Unmöglichkeit wird. Der Allweise verleiht Sein höchstes Pfand nicht einem Unwürdigen. Wenn Er einen Boten bevollmächtigt, so ist es einer, der Ihm geistig nahe steht.“ Diese Worte sagen uns aber auch deutlich, daß wir Gott die Wahl überlassen müssen. Menschliches Planen, menschliche Meinungen und Eigenwille müssen dem göttlichen Willen untergeordnet werden. Es muß uns klar sein, daß das eine Gemüt, die einzige Intelligenz, alles durch das Wirken Seines Gesetzes bestimmt und entscheidet. Wenn wir dann aufmerksam darauf lauschen, was Gott, Gemüt, uns zu sagen hat, werden wir Seinen Willen vernehmen und ihm gehorchen. „Liebe inspiriert, erleuchtet, bestimmt und führt den Weg“ (ebd., S. 454).
Die Geschichte von Samuel, der David zum König salbte, ist ein gutes Beispiel hierfür. Auf Gottes Geheiß ging Samuel nach Bethlehem, um von Isais Söhnen den zu salben, den Gott zum König auserwählt hatte. Der Herr sprach zu Samuel (1. Sam. 16:3): „[Du] sollst Isai zum Opfer laden; da will ich dir weisen, was du tun sollst.“ Samuel tat, wie der Herr ihm geheißen hatte und lud Isai, seine Söhne und die Ältesten der Stadt zum Opfer. Es war Samuel vorher nicht gezeigt worden, welchen der Söhne Isais er zum König salben solle, und als die Söhne nun hereinkamen, glaubte Samuel, es sei Eliab. Aber der Herr sprach zu ihm: „Siehe nicht an seine Gestalt noch seine große Person; ich habe ihn verworfen. Denn es geht nicht, wie ein Mensch sieht: ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an.“
Nachdem sieben der Söhne Isais an Samuel vorübergegangen waren, sagte Samuel: „Der Herr hat der keinen erwählt. ... Sind das die Knaben alle?“ Isai antwortete, daß noch der jüngste übrig sie, der die Schafe hütete. Samuel bat, man möge ihn holen, und als er kam, sprach der Herr zu Samuel: „Auf! und salbe ihn; denn er ist's.“ Dann lesen wir, daß Samuel sein Ölhorn nahm und David salbte mitten unter seinen Brüdern.
Diese inspirierende Erzählung hat auf die Verfasserin immer tiefen Eindruck gemacht. Wir sehen, daß Samuel sehr wachsam sein mußte, um sich nicht von Äußerlichkeiten täuschen zu lassen. Gottes Stimme sprach beständig zu ihm, und als er aufmerksam darauf lauschte, konnte er den Willen Gottes erkennen und ausführen. Samuel war sich seiner wichtigen Aufgabe bewußt und erfüllte sie gewissenhaft. Und was tat David? Gehorsam ließ er sich zum König salben. Und die Erzählung sagt von ihm: „Der Geist des Herrn geriet über David von dem Tage an und fürder.“
Samuel und David sind ausgezeichnete Vorbilder für uns. Laßt uns ihrem Beispiel folgen. Laßt uns bei Leserwahlen, wie bei andern Wahlen und Entscheidungen des Vorstands sehr wachsam sein, daß wir nicht durch Äußerlichkeiten getäuscht und durch die Gedanken anderer beeinflußt werden. Wenn wir bei all unsren Handlungen wirklich auf Gottes Stimme lauschen, dann und nur dann kann sich Gottes Plan entfalten, und wir bleiben vor Fehlern bewahrt.
In weiser Voraussicht hat uns Mrs. Eddy im Handbuch, Art. VIII, Abschn. 1, „eine Richtschnur für Beweggründe und Handlungen“ gegeben, die wir beherzigen müssen. Die Tatsache, daß sie, gemäß dem Handbuch, am ersten Sonntag jeden Monats vom Pult verlesen werden soll, zeigt, wie wichtig sie ist. Sie beginnt mit den Worten: „Weder Feindseligkeit noch rein persönliche Zuneigung sollte der Antrieb zu den Beweggründen und Handlungen der Mitglieder Der Mutterkirche sein.“ Laßt uns den Satzungen des Kirchenhandbuchs in jeder kleinsten Einzelheit treu und gehorsam sein. Gehorsam gegen sie bringt Segen zu jeder Zeit.
Jeder Leser oder Beamte, der, wie David, vom Gemüt ausersehen und erwählt ist, kann sein Amt mit der Gewißheit antreten, daß auch auf ihn „der Geist des Herrn“ gekommen ist. Eine aufrichtige Christliche Wissenschafterin machte einmal eine solche Erfahrung. Sie war Mitglied einer christlich-wissenschaftlichen Vereinigung in einer kleinen Stadt. Nachdem ihr Mann dann in eine andere Stadt versetzt worden war, wo sich eine große Kirche Christi, Wissenschafter, befand, ging ihr Wunsch, Klassenunterricht zu haben, bald in Erfüllung.
Zu gegebener Zeit wurde sie Mitglied dieser Kirche und diente ihr mit großer Freude in mehreren Ämtern. Sie hatte immer große Ehrfurcht vor dem heiligen Amt des Lesers gehabt, und sie würde nie gewagt haben, auch nur daran zu denken, sie könne für dieses Amt gewählt werden. Doch Gott hatte es anders vorgesehen. Einige Jahre später, kurz vor den Leserwahlen, kam ihr der Gedanke, daß sie für das Amt in Betracht kommen sollte. Sie wollte es nicht glauben. Als aber der Gedanke immer wieder auftauchte, sagte sie sich: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe“ (Luk. 22:42), und so fand sie den inneren Frieden und auch die Überzeugung, daß sie nicht nein sagen dürfe, sollte bei der Leserwahl der Ruf an sie ergehen.
Es erforderte gewiß Mut von ihr, dieses Amt damals, noch in der Kriegszeit, anzunehmen. Aber gerade jene ungünstigen und schwierigen Verhältnisse hatten sie schon vorher angetrieben, noch intensiver zu studieren und sich rückhaltlos an Gott zu wenden. Unter anderem konnte sie die Tatsache erfassen, daß die Annahme von vielen Nationalitäten nicht in die Familie der geistigen Ideen gehört, die einen Vater-Mutter Gott haben. Die Worte der Offenbarung (2:26, engl. Bibelübers.): „Wer überwindet, ... dem will ich Macht geben über die Völker“ wurden ihr erleuchtet. So brachte ihr diese scheinbar schwere Zeit reichen Segen und großen Gewinn.
Tatsächlich kam es dann so, daß sie bei der Leserwahl gewählt wurde, und daß sie die Wahl annahm. Im sicheren Wissen, von Gott berufen zu sein, trat sie ihr Amt vertrauensvoll und freudig an. Als vier Wochen später, während des Sonntagsgottesdienstes, ein schwerer Fliegerangriff kam, wurde ihr ganz besonders bewiesen, daß „der Geist des Herrn“ mit ihr war. Ohne ein einziges Mal fehlen zu müssen, abgesehen von den üblichen Ferien, konnte sie drei Jahre lang zur Ehre Gottes wirken. Mit einem Herzen voll Dankbarkeit blickt sie auf diese Zeit zurück, denn sie bewies ihr die Wahrheit von Paulus’ Worten (Phil. 2:13): „Gott ist's, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen“.