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Nicht Märtyrer, sondern Zeuge

Aus der Oktober 1954-Ausgabe des Herolds der Christlichen Wissenschaft


Die ersten Christen waren oft Märtyrer ihres Glaubens. Sie waren standhaft in der Nachfolge Christi und erduldeten oft ein Martyrium durch ihre Verfolger. Männer und Frauen, ohne Unterschied, wurden vor die Löwen geworfen oder um ihres Glaubens willen am Märtyrerpfahl verbrannt. Ungeachtet dieser Verfolgungen gewann die christliche Kirche an Stärke und Einfluß. Von den ersten Christen kann wahrlich gesagt werden: „Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche.“

Im Anfang war das Christentum eine revolutionäre Lehre. Es forderte Opposition heraus, da es den allgemein angenommenen Meinungen der Menschheit entgegengesetzt war. Es wagte, Stolz und Selbstsucht des unbeschränkten Herrschertums mit seinen Lehren der Gleichheit und Brüderschaft zu bekämpfen, und Haß und Brutalität mit dem Evangelium der Liebe zu unterdrücken.

Die christlichen Märtyrer nahmen bereitwillig ihr Schicksal auf sich, denn sie glaubten an ihre gerechte Sache und hatten die feste Überzeugung, daß der Tod ein Mittel sei, durch das sie in den Himmel kommen könnten. Seit jenen Tagen haben wir einen höheren Stand der Zivilisation erreicht, doch haben wir auch unseren Glauben an die Lehre aufgegeben, daß Leiden ein Mittel der Gnade sei; haben wir die Annahme aufgegeben, daß der Tod an sich die Pforten des Himmels öffnen könne?

Die Bezeichnung Märtyrer ist gleichbedeutend mit Leiden, und man versteht unter Märtyrern diejenigen, die für ihren Glauben leiden oder gelitten haben. Ursprünglich bedeutete das Wort Zeuge, wie Mary Baker Eddy in „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ auf Seite 134 mit folgenden Worten erklärt: „Das Wort Märtyrer, aus dem Griechischen, bedeutet Zeuge; aber diejenigen, die für die Wahrheit zeugten, wurden so häufig bis zum Tode verfolgt, daß das Wort Märtyrer mit der Zeit in seiner Bedeutung beschränkt wurde; und so ist es gekommen, daß man jetzt damit nur noch jemand meint, der für seine Überzeugung leidet.“

Ein Christlicher Wissenschafter mag sich mit Recht fragen: „Bin ich Märtyrer oder Zeuge? Glaube ich an die Notwendigkeit des Leidens und halte ich es vielleicht sogar für ein Gnadenmittel? Oder beweise ich meine Unempfänglichkeit für das Böse durch ein Verständnis vom Leben in Gott, Geist — vollkommen, geistig und ewig?“

Jesus wurde als der „Mann der Schmerzen“ (engl. Bibelübers.) angesehen; aber nicht um seiner selbst willen litt er Schmerzen, sondern um der geistigen Stumpfheit und Untreue der Welt willen. Er kam, um den Weg der Erlösung zu weisen. Er kam, um reicheres Leben, bessere Gesundheit, mehr Freude und Freiheit zu bringen; aber seine Gegner vertrieben und kreuzigten ihn. Sogar die zur Synagoge Gehörenden, an die, unter anderen, seine Botschaft gerichtet war, versuchten, ihn von einem Berge hinabzustürzen; doch das Evangelium berichtet (Luk. 4:30): „Er ging mitten durch sie hinweg.“

Wäre das Märtyrertum der Weg zur Erlösung, so würde er diesen Weg bei der Gelegenheit eingeschlagen haben. Aber er war kein Märtyrer, sondern ein Zeuge. Indem er für die Gegenwart und Macht Gottes zeugte, bewies er, daß er von den Vernichtungsanschlägen auf ihn unberührt blieb. Er verstand Gott in der rechten Weise, und dieses Verständnis gab ihm die Gewißheit, daß sein Leiden nicht des Vaters Wille war. Hier mag jemand fragen: „Aber wurde er nicht durch die Kreuzigung zum Märtyrer? War es nicht Gottes Wille, daß er am Kreuze litt?“ Er ließ die Kreuzigung zu, um der Welt beweisen zu können, daß es keinen Tod gibt. Wäre er nicht gestorben und wieder auferstanden, wie hätte er uns dann den Beweis der Unsterblichkeit erbringen können? Er machte nicht den Versuch, das Kreuzigungserleben zu umgehen, obwohl er wußte, daß er die Kraft dazu hatte. Er sagte bei dieser Gelegenheit (Matth. 26:53): „Meinst du, daß ich nicht könnte meinen Vater bitten, daß er mir zuschickte mehr denn zwölf Legionen Engel?“

Hätte Jesus den Wunsch gehabt, der harten Prüfung der Kreuzigung zu entgehen, so wäre die Kundwerdung geistigen Schutzes sofort zur Stelle gewesen, wie es der Fall war, als seine Feinde versuchten, ihn vom Berge hinabzustürzen, um ihn zu töten. Der Meister war unempfänglich für Bosheit; als der Sohn Gottes konnte er nicht leiden.

Im Gegensatz zu Jesu Unempfänglichkeit für Leiden erduldete sein Jünger Stephanus durch die Juden ein Martyrium (Apg. 7:58). Was machte die Erfahrung des Stephanus so verschieden von der Jesu? War es nicht die Tatsache, daß er sein mutiges Verurteilen seiner Verfolger nicht gegen den Haß, den diese Verurteilung hervorrief, zu schützen wußte? Er war sich des Schutzes gegen Bosheit und Haß, den die göttliche Liebe uns gewährt, nicht bewußt.

Ein Christlicher Wissenschafter sollte kein Märtyrer, sondern ein Zeuge sein. Er sollte seine Unempfänglichkeit für Angriffe beweisen und somit nicht für Rechttun gestraft werden. Manchmal hören wir Bemerkungen wie „seitdem ich ein Amt in der Kirche bekleide, habe ich so viel zu überwinden“ oder „diese Arbeit hat mir eine Menge Malpraxis zugezogen.“ Im Gegensatz zu diesen Annahmen haben viele langjährige und erfolgreiche Arbeiter in der christlich-wissenschaftlichen Bewegung die Erfahrung gemacht, daß sie umso sicherer und glücklicher wurden, je mehr sie ihr Leben dem Christus weihten.

Für gute Werke gibt es keine Bestrafung, aber für die Sünden, die, statt aufgegeben zu werden, noch begangen werden. In solchem Falle wird Leiden zum Heilmittel, denn es zwingt den Sünder, von seinen Sünden abzulassen und in dieser Weise seine Befreiung vom Leiden zu fordern. Wer vom Leiden heimgesucht wird, der sollte den Glauben an Strafe handhaben und erkennen, daß dieser Glaube eine Phase der scholastischen Theologie ist, der von dem Gesetz der Liebe in Acht und Bann getan wird. Mrs. Eddy schreibt in „Wissenschaft und Gesundheit“ (S. 384): „Gott straft den Menschen niemals für Rechttun, für ehrliche Arbeit oder für Taten der Freundlichkeit, wenn sie ihn auch der Übermüdung, der Kälte, der Hitze oder der Ansteckung aussetzen.“

Der Himmel öffnet sich uns nicht auf Grund eines Märtyrertums, sondern weil wir für die Gegenwart und Macht Gottes zeugen und weil wir unsere Unempfänglichkeit für Angriffe fordern, entsprechend unserer Überzeugung, daß wir das Licht der Wahrheit ausdrücken, in das weder Dunkelheit, Krankheit noch Tod eindringen können. Dieses Verständnis trägt reichen Lohn in sich, denn es macht uns zu Nachfolgern des Meisters und mit ihm werden wir der Erlösung vom Leiden teilhaftig, die er uns brachte.

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