Wenn die Christliche Wissenschaft richtig verstanden und aufrichtig angewandt wird, so überwindet sie alle den Sterblichen bekannten Begrenzungen und offenbart die immer gegenwärtigen, reichen Hilfsmittel Gottes, die allen zur Verfügung stehen. Zuweilen fühlt ein Mensch sich bedrückt, wenn er an sein anscheinend unzureichendes Einkommen denkt oder sein nachlassendes Geschäft oder seine unzulängliche Erziehung oder auch seine begrenzte Umgebung und Entfaltungsmöglichkeit. Er mag sich durch den Beistand, den er einem Verwandten leisten muß, beschwert fühlen, oder gar durch den entmutigenden Augenschein, daß sein Körper an ein Lager gefesselt ist. Oder es mag ihm scheinen, daß er der Sklave einer unerfreulichen Gewohnheit ist.
Doch dies alles sind Probleme, die nur zu oft den Menschen anhaften, und sie können tapfer und zuversichtlich mit den Wahrheiten der Christlichen Wissenschaft bekämpft werden. Aber Zweck und Ziel unserer Arbeit sollte größer sein, als nur ein augenblickliches Problem der Begrenzung zu überwinden. Jesu Arbeit im Grabe wurde nicht nur unternommen, um einem materiellen Körper wieder Leben einzuflößen. Seine Absicht war, der Menschheit zu beweisen, daß das Leben todlos und geistig ist. In der Tat bewies Jesus allen Menschen, daß weder der Tod noch die sogenannte materielle Existenz irgend etwas zu tun haben mit dem wahren Sein des Menschen, des Kindes Gottes. Und er versicherte uns, daß auch wir die Vollkommenheit, Vollständigkeit und Fülle der göttlichen Liebe widerspiegeln werden, wenn wir in seine Fußtapfen treten.
Das ist also die Aufgabe, mit der wir alle betraut sind, was das Problem der Begrenzung scheinbar auch sein mag — durch ernstes Studium und Gebet zu der Überzeugung zu kommen, daß alle Annahmen der materiellen Existenz der Wirklichkeit und Macht entbehren. Diese Tatsache hilft uns, klarer die große Wahrheit zu erkennen, daß der Mensch als eine Idee Gottes, des Geistes, ein sündloses, furchtloses, vollkommenes Wesen ist. Und im Licht dieser Wahrheit muß jeder Augenschein von Begrenzung ebenso gewißlich verschwinden, wie Dunkelheit dem Lichte weicht. Die Wirkung zeigt sich in besserer Gesundheit und besseren Lebensbedingungen sowie auch in Befreiung von knechtenden Gewohnheiten — gleichviel ob mentaler, moralischer oder körperlicher Natur.
Das Erkennen und Verstehen Gottes als Seele, mit unbegrenzten Hilfsmitteln, bringt Inspiration in unser menschliches Leben und macht es harmonischer. Durch das Verstehen der Seele wird es dem Menschen möglich, seine Horizonte zu erweitern und sich zu immer größeren Höhen der Leistungen, der Fülle und des Erfolgs zu erheben. Dies Verständnis fördert unsere Gesundheit, gibt uns den rechten Begriff von Sicherheit und bestätigt so die Erklärung Mary Baker Eddys in ihrem Werk „Miscellaneous Writings“ (Vermischte Schriften, S. 183): „Der Mensch ist frei geboren — er ist weder ein Sklave der Sinne, noch ein gedankenloser Wanderer durch die sogenannten Freuden und Leiden bewußter Materie. Der Mensch ist Gottes Bild und Gleichnis; alles, was Gott möglich ist, ist auch dem Menschen als der Widerspiegelung Gottes möglich.“ Welch herrliches Erbe des Guten ist uns hier und jetzt zuteil geworden als reichen und klaräugigen Kindern der Seele!
Die Seele verleiht dem Menschen Macht und identifiziert ihn ewiglich mit der Allmacht des göttlichen Gemüts. Durch die Erkenntnis dieser Tatsache und das Festhalten daran kann der Mensch die Furcht überwinden. Er tritt allen unharmonischen Lagen mit der Vollmacht des Geistes entgegen. Seine Arbeit bringt ihm reiche Früchte. Als die Jünger durch den materiellen Augenschein des Mangels bedrückt waren, sagten sie von den fünf Broten und zwei Fischen (Joh. 6:9): „Was ist das unter so viele?“ Doch Jesus suchte suchte seinen Beweis der Versorgung in der Seele, und er verwarf das sterbliche Sinnenzeugnis, indem er die Fünftausend speiste.
Als unsere Führerin damit beschäftigt war, „Wissenschaft und Gesundheit“ zu schreiben — wie das Lehrbuch damals betitelt war — kaufte sie ein Haus in Lynn, Massachusetts. Zu der Zeit war ihr Einkommen sehr gering. Sie war gezwungen, Mietern alles außer dem Vorderzimmer auf dem Erdgeschoß und einem kleinen Mansardenzimmer zu überlassen, in das sie sich zurückzog, um „Wissenschaft und Gesundheit“ zu vollenden. Dies Dachstübchen hatte keine Heizung und kein Fenster außer einem Oberlicht in dem schrägen Dach. Hier arbeitete unsere Führerin an ihrem kostbaren Manuskript.
Könnten wir uns vorstellen, daß sie sich als auf eine Dachstube beschränkt ansah und daß sie ihr Los bejammerte? Keineswegs! Ihr Bewußtsein war nicht auf die vier Wände des Zimmers beschränkt. Ihr Denken beschäftigte sich mit ihrem großen Unternehmen — dem Vordringen in das Reich des Geistes. Ihre Absicht war völlig frei von Selbstsucht. Sie wollte die großen Wahrheiten der Christlichen Wissenschaft mit der ganzen Menschheit teilen. Sie wollte die Menschen hinweisen auf ihr Geburtsrecht der Freiheit von allen Beschränkungen des materiellen Sinnes.
Schritt für Schritt überwand Mrs. Eddy die Begrenzungen dieser Umgebung. Im Verhältnis ihres Fortschrittes in ihrer großen Aufgabe überwand sie auch die Hindernisse, die sich ihr entgegenstellten, und stieg im Ansehen ihrer Nachfolger und der Allgemeinheit. Und zugleich mit dem geistigen Erfolgkam kam auch äußerer Wohlstand, der zwar nicht nur für ihre eigene Bequemlichkeit und Befriedigung verwendet werden sollte, sondern für die Förderung der Religion der Christlichen Wissenschaft, zum Besten der ganzen Menschheit.
Mögen doch alle, die da denken, daß sie in Einsamkeit, Dunkelheit und Mangel befangen sind, mit Problemen, die zu groß sind, um Lösung zu erwarten, über das dem selbstlosen Dienste der Menschheit geweihte Leben unserer Führerin nachsinnen, und ihrem Beispiel und ihren Weisungen folgen. Und mögen sie doch den wahren Begriff des Menschen als des geliebten Gegenstandes der zärtlichen Fürsorge und Versorgung der Seele annehmen und daran festhalten.
Unsere Liebe zu unserer Führerin und unsere Dankbarkeit für ihre Offenbarung der Wahrheit des Seins sollte zu unserem Tribut gehören, dem „Zehnten“, den wir täglich zu dem Altar des Geistes bringen. Dann werden wir uns freuen in der Fülle des Guten, das der Prophet Maleachi uns verheißen hat (3: 10): „Bringet aber den Zehnten ganz in mein Kornhaus, auf daß in meinem Hause Speise sei, und prüfet mich hierin, spricht der Herr Zebaoth, ob ich euch nicht des Himmels Fenster auftun werde und Segen herabschütten die Fülle.“
