Die allgemeine Unruhe unter den Völkern ist ein Beweis, daß der Christus, Gottes vollkommene Idee, die Welt zur Erkenntnis der großen Fragen des Christusbereichs, des Himmelreichs, erweckt. Gerechtigkeit und Freiheit werden weit und breit als Rechte anerkannt, die jedermann zustehen. Böse Gemüter mögen dem Anschein nach diese Rechte verdrehen und entstellen, und menschliche Willenskraft mag versuchen, das Reich mit Gewalt einzunehmen. Doch solche Irrtümer werden durch die unwiderstehliche, heilende Kraft des Christus-Erscheinens berichtigt werden, und das Reich Gottes wird schließlich als die einzige Wohnstätte des Menschen verstanden werden.
Die Heilige Schrift legt das grundlegende Problem der Menschheit sowie seine Lösung dar. An Hand allegorischer Beispiele lehrt die Bibel, daß das sterbliche Leben ein tiefer mesmerischer Schlaf ist — der Adam-Traum, in dem die Materie Substanz zu sein und Leben in der Materie zu existieren scheint, und in dem der Tod der Materie die unvermeidliche Folge dieses falschen Daseins ist. Die Christliche Wissenschaft macht es klar, daß das Erwachen der Menschen aus ihrem sterblichen Traum zu dem wirklichen Leben im Reiche Gottes schließlich die Probleme der Welt lösen wird.
Die Wissenschaft betrachtet Christi Jesu Leben als das vollkommene Beispiel für die Art, in der dieses Erwachen erlangt wird. Der Meister zerstörte das falsche Bewußtsein, indem er das Christus-Bewußtsein als sein wahres Selbst, sein individuelles Sein, demonstrierte. Bei der Himmelfahrt verschwand der fleischliche Körper, in welchem er vorübergehend den Augen der Menschheit erschienen war. Am Ende muß ein jeder, wie Jesus es tat, der erweckenden Macht des Christus nachgeben und sich seiner eigenen Individualität bewußt werden, die Gottes geistiges, todloses, unkörperliches Ebenbild ist.
Mary Baker Eddy sagt in ihrer Botschaft an Die Mutterkirche von 1901 (S. 8): „Der Christus war Jesu geistige Selbstheit; daher existierte der Christus schon vor Jesus, welcher sagte: ,Ehe denn Abraham ward, bin ich'.“ Hier macht unsere Führerin einen Unterschied zwischen dem körperlichen Jesus und dem unkörperlichen Christus, dem Sohn der Jungfrau-Mutter und dem Sohn Gottes. Der Meister sagte selbst (Joh. 3:6): „Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch; und was vom Geist geboren wird, das ist Geist.“ Indem der Meister sich als den Sohn Gottes bezeichnete, und indem er die göttliche Natur, die dem Gotteskind angehört, zum Ausdruck brachte, bewies er die Kraft des Christus, ihn aus dem Traum des Fleisches zu erwecken.
Das Erwachen durch den Christus findet stets in unserm Innern statt. Unsere Christus-Selbstheit — der Ausdruck Gottes — behauptet seine Gegenwart und erhebt das von einem Leben in der Materie träumende Denken aus seinem tiefen Schlaf. Wenn auch dieser Weckruf von außen oder durch die geistigen Bemühungen und Unterweisungen anderer zu kommen scheint, so ist es doch immer unsere eigene innere Empfänglichkeit, die den Ruf vernimmt und das Erwachen möglich macht. Mrs. Eddy sagt in dem Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ (S. 230): „Dieses Erwachen ist das ewige Kommen des Christus, das Vor-Erscheinen der Wahrheit, welches Irrtum austreibt und die Kranken heilt.“
Die Verpflichtung des einzelnen beim Ausarbeiten seiner Erlösung von der endlichen Lebensauffassung ist, sich nichts anderes bewußt zu sein, als der Ordnung und Vollkommenheit des wirklichen Seins. Das bedeutet, die göttliche Natur in solchem Maße zum Ausdruck zu bringen, daß die Christus-Kraft gegenwärtig ist, um die sterblichen Übel jeglicher Art zu zerstören. Das wirkliche Bewußtsein tut sich kund, wenn wir verstehen, daß das sterbliche Bewußtsein ein unwirkliches Gemüt, ein Gemütsersatz, ist und sein böses Wesen eine gesetzlose Täuschung.
Oft fühlen sich die menschlichen Wesen vom Licht des Christus ausgeschlossen. Sie sehnen sich danach, der Christus möge durch die Wand des Materialismus, die sie von der Wirklichkeit zu trennen scheint, hindurchbrechen. Doch sie müssen erkennen, daß Gott und Sein Christus niemals abwesend sind, sondern das Universum mit der Herrlichkeit des geistigen Lichtes erfüllen. Jeder Mensch lebt inmitten des geistigen Lichtes, wie unklar er sich auch darüber sein mag. Johannes schrieb (1:5): „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht begriffen.“ Wie nötig ist es, daß der dunkle Traum der Sterblichkeit seinen Anspruch auf Existenz aufgibt und verschwindet.
Der sterbliche Daseinsbegriff ist eine selbstgeschaffene Täuschung, deren Leiden nur eine Steigerung dieses Daseinsbegriffes sind und dazu dienen, die Täuschung noch zu verstärken. Doch eine Täuschung hat kein Prinzip, auf das sie sich stützt, kein Gesetz, das sie regiert, keine Identität, kein wahres Bewußtsein. Obwohl der falsche Daseinsbegriff „ich“ sagt und sich selbst so weit betrügt, daß er erlebt, was er glaubt, so wird er dennoch mit Sicherheit zum Schweigen gebracht durch das innere Aufrütteln des „Ichs“, welches den Vater widerspiegelt, das christusgleiche Selbst, das sich immer des Geistes und seines Reiches bewußt ist.
Da das geistige Erwachen aus dem Innern kommt und ein inneres Erheben des Denkens zu allem, was wirklich existiert, ist, so können nie die äußeren Umstände oder Personen für die Täuschungen verantwortlich gemacht werden, die unsere Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen scheinen. Man kann jederzeit innerlich aufwachen und die Wahrheit über Menschen und Zustände erkennen. Man kann es ablehnen, sich täuschen zu lassen. Man kann jeden sterblichen Begriff für die geistige Idee, die er nachahmt, eintauschen und in dieser Weise seine wahre Selbstheit in Besitz nehmen. Solch intelligenter Denkvorgang beweist, daß die erweckende Gegenwart des Christus in uns das Erscheinen unserer wahren Individualität ist. Paulus ermutigte seine Freunde in Galatien, ihre wahre Gotteskindschaft kennen zu lernen mit den Worten (Gal. 4:6, 7): „Weil ihr denn Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreit: Abba, lieber Vater! Also ist nun hier kein Knecht mehr, sondern eitel Kinder; sind's aber Kinder, so sind's auch Erben Gottes durch Christum“ — Erben der Allmacht durch das wirkliche Selbst.
Wer glaubt, er habe einen Feind, der sollte in sein Inneres blicken, um das wahre Verständnis vom Menschen zu finden. Er sollte dann seine eigene Vorstellung von jenem Feinde umwandeln statt in Gedanken eine andere Mentalität zu beeinflussen zu suchen. Christus Jesus lehrte uns beten (Matth. 6:12): „Vergib uns unsere Schulden, wie wir unsern Schuldigern vergeben.“ Dem Verlangen nach der Verzeihung Gottes für unser Versäumnis, daß wir den Menschen nicht so sahen, wie Gott ihn erschaffen hat, müssen ausgezeichnete Heilungen folgen. Die Christlichkeit des Meisters machte es ihm möglich, diese wahre Einsicht zu haben. Er war zu intelligent, ein falsches Bild als wahr anzunehmen, zu liebevoll, auf eine haßerfüllte Auffassung einzugehen, von der er wußte, daß sie eine ungerechte Lüge über den Menschen war.
Der Christus in uns bringt die Macht Gottes, die Vollmacht des illusionzerstörenden Gesetzes zum Ausdruck. Wer sich der Gegenwart Gottes hingibt, findet ihre Macht unwiderstehlich und ihren umwandelnden Einfluß in seinem Denken und seiner Erfahrung beständig am Werke. Mrs. Eddy sagt (The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany, S. 159): „Das Unendliche kann nicht im Endlichen begraben werden; der wahre Gedanke tritt aus dem Innern und äußerlich in Erscheinung, und das ist das einzig richtige Wirken; das, wodurch wir unsere höhere Natur erreichen.“ Durch die Christliche Wissenschaft wird die Gegenwart des Christus in großem Umfange demonstriert. Durch die Wissenschaft wird sich die Menschheit gewißlich ihrer „höheren Natur“ bewußt werden, und der Mensch wird als Gottes Ebenbild erkannt werden, geistig und ewig wach im Reich des unendlichen Guten.
