Das Streben, die Materie zu verstehen — das Bemühen, sie nutzbar zu machen und zu beherrschen, vor allem aber, ein Mittel gegen ihre Übel zu finden — all das ist von jeher für jeden Denkenden von größtem Interesse gewesen. Meistens ging dies Streben von dem Standpunkt aus, daß die Materie sich selbst erhalte und wesentlich und wirklich sei. Bei diesem Vorgehen, das der geistigen Einsicht ermangelt, ist die Frage nach der Natur der Materie nicht wahrhaft beantwortet worden, noch kann sie es je werden. Doch die Christliche Wissenschaft gibt der Menschheit heute die Antwort in ihrer Erklärung der wissenschaftlichen Wahrheiten.
Diese Wissenschaft, die eine göttliche Ursache und ihre geistige Auswirkung offenbart, erklärt nicht nur logisch und beweist überzeugend die wesenlose, unwirkliche Natur der Materie, sondern sie ermöglicht völlige Befreiung von den Nöten und Schmerzen der Materie. Diese Wissenschaft erklärt, daß die Materie mit ihren Übeln nur eine irrige mentale Vorstellung ist, nicht die von Gott beschützte Wirklichkeit des Seins. In „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ schreibt Mary Baker Eddy, unsere geliebte Führerin (S. 278): „Die göttliche Metaphysik erklärt die Materie hinweg. Geist ist die einzige Substanz und das einzige Bewußtsein, das die göttliche Wissenschaft anerkennt.“
Da die Materie also durch die Christliche Wissenschaft „hinweg erklärt“ werden kann, kann sie nicht in der göttlichen Logik und der Wahrheit des Seins bestehen. Auf dieser gleichen Grundlage haben auch die Übel der Materie keine auf einer Tatsache beruhende Existenz. Genau genommen, kann der Geist, das unendliche All, unmöglich einen Gegensatz haben. Daher kann keine falsche Vorstellung, die sich selbst als Materie oder als Auswirkung der Materie bezeichnet, in Wirklichkeit existieren. Als Anhänger der Christlichen Wissenschaft möchten wir natürlich diese Wahrheit augenblicklich in unserer eigenen Erfahrung beweisen. Wir würden gern den falschen Glauben an die Materie und die Furcht vor ihr — das Bewußtsein, unter ihrer Herrschaft und in ihren Banden zu sein — sofort und restlos ablegen. Aber dies zu tun erfordert mehr als nur intellektuelle Behauptungen über die Materie.
Lediglich mit der menschlichen Vernunft zuzugeben, daß die Materie kein wirkliches Dasein besitzt, löst keines ihrer menschlichen Probleme. Doch durch hingebungsvolles christliches Streben das geistige Gesetz verstehen und beweisen, verringert den Glauben an die Materie und an ihre sie begleitenden Disharmonien von Tag zu Tag mehr. Wenn durch geheiligtes Gebet die Entmaterialisierung und Vergeistigung des Denkens anhält, lernen wir verstehen, daß wir, um die Materie zu überwinden, zuerst die Phasen der sterblichen Annahme überwinden müssen, die die Materie ausmachen. So werden Übel wie Furcht, Haß, Leidenschaft, Faulheit, Schwachheit, Altern, Verfall durch geistige Wirklichkeiten ersetzt, wie Liebe, Vertrauen, Zufriedenheit, Energie, Stärke, Unsterblichkeit.
Die Annahme, daß der Mensch der Materie entstamme und in der Materie lebe, bringt der Menschheit viel Leiden. Der sterbliche Körper hat keine wirkliche Wesenheit, er ist lediglich ein vergegenständlichter Gedanke. Wir können diesen falschen Sinn oder die ihn begleitenden Übel nicht überwinden, solange wir unseren Blick angstvoll auf die Materie gerichtet halten. Wenn sich der geistig klare Blick von der Körperlichkeit abwendet und in die Wirklichkeit des Seins schaut, dann wird die wahre Identität gesehen, aber nicht als materieller Körper, der von Zweifel, Schrecken und Furcht umgeben ist, sondern als individualisierte und zum Ausdruck gebrachte geistige Eigenschaften. Der wirkliche Mensch bleibt unbehelligt von aller Not und Gefahr.
In dem Bemühen, uns von dem zu befreien, was uns als Schmerzen und Begrenzungen der Materie erscheint, erklären wir oft wissenschaftliche Wahrheiten, wie sie in der Bibel und in den Schriften unserer Führerin zu finden sind und verneinen damit die Gegenwart und Wirklichkeit der Materie. Was uns nottut, ist ein sich ständig vertiefendes, klareres Verständnis von der geistigen Bedeutung dieser Erklärungen. Eine von ihnen lautet (Wissenschaft und Gesundheit, S. 475): „Der Mensch ist Idee, das Bild der Liebe; er ist kein körperlicher Organismus.“ Hier wird der Mensch von der Materie getrennt und mit der Liebe, dem göttlichen Prinzip, identifiziert.
Um den geistigen Begriff vom Menschen in der menschlichen Erfahrung nutzbar zu machen, müssen wir die Wahrheit leben, die er dartut. Um uns unseres wirklichen Seins als „Idee, des Bildes der Liebe“ bewußt zu sein, ist es notwendig, unseren eigenen Zustand als geliebter und liebender Sprößling Gottes anzuerkennen und täglich zu beweisen. Als Kinder der göttlichen Liebe sind wir nicht verderbt, vielmehr gern bereit, die Gebote der Liebe zu erfüllen, zuversichtlich das Gute erwartend. Einzig und allein auf diese Weise werden wir von uns selbst und andern als das Ebenbild der Liebe erkannt.
Im Lichte der Christlichen Wissenschaft sehen wir, daß jeder materielle Gesichtspunkt und aller Glaube an die Materie in direktem Gegensatz zu den heilenden Kräften der christlichen Liebe stehen. In ihrem Buch „Unity of Good“ (Einheit des Guten), Seite 53, bezeichnet Mrs. Eddy die Materie als antichristlich. Wie könnte es anders sein, da die Materie das gröbere Element des sterblichen Gemüts und das sterbliche Gemüt völlig antichristlich ist?
In „Wissenschaft und Gesundheit“, Seite 468, stellt Mrs. Eddy die Frage: „Wie lautet die wissenschaftliche Erklärung des Seins?“ Ihre Antwort legt eine tiefe geistige Wahrheit dar. Sie lautet: „Es ist kein Leben, keine Wahrheit, keine Intelligenz und keine Substanz in der Materie. Alles ist unendliches Gemüt und seine unendliche Offenbarwerdung, denn Gott ist Alles-in-allem. Geist ist unsterbliche Wahrheit; Materie ist sterblicher Irrtum. Geist ist das Wirkliche und Ewige; Materie ist das Unwirkliche und Zeitliche. Geist ist Gott, und der Mensch ist Sein Bild und Gleichnis. Folglich ist der Mensch nicht materiell; er ist geistig.“
Hier wird die Gültigkeit der Materie widerlegt und die Allheit der göttlichen Wirklichkeit bekräftigt. Zu sagen, daß diese Bekräftigungen nicht verstanden werden können, wenn die von ihnen dargelegten Wahrheiten rein intellektuell aufgefaßt werden, bedeutet keineswegs, den Wert des Buchstabens zu unterschätzen. Für ein lebhaftes geistiges Wachstum ist es notwendig, den Buchstaben zu verstehen; um jedoch gute Heiler zu sein, muß dem Verständnis des Buchstabens noch das volle Maß vom Geist der Wahrheit und Liebe hinzugefügt werden. Nur das geistige Licht im Denken des Christlichen Wissenschafters befähigt ihn, die wahre Bedeutung der „wissenschaftlichen Erklärung des Seins“ zu erfassen und ihre heilende Kraft zu nutzen.
Der Materialismus kann weder die Voraussetzung noch die Schlußfolgerung dieser Erklärung der Wahrheit erfassen. Durch unser Verständnis von der Christlichen Wissenschaft, durch die Vergeistigung des Denkens, die zu absoluter Heiligkeit führt, erkennen wir in zunehmendem Maße die Nichtsheit der Materie und die Wirklichkeit des geistigen Seins. So gelangen wir zu dem unwiderleglichen Beweis von der wissenschaftlichen Genauigkeit der Erklärung unserer Führerin und deren praktischem Wert für das Heilen der menschlichen Angelegenheiten.
Der Meister überwand jede Phase des Glaubens, die Materie sei wirklich oder besitze auch nur im geringsten Grade Leben und Intelligenz, selbst bis zu dem Punkt seiner endgültigen Erhebung über alle Materie. Jesus muß die christliche Liebe als äußerst wichtig für den Beweis der Allerhabenheit des Gemüts angesehen haben, denn er war im höchsten Maße liebevoll. Seinen Nachfolgern gegenüber betonte er, wie notwendig es war, aufrichtig, gerecht, gütig und treu zu sein. Er gebot ihnen immer wieder, zu lieben und gleich ihm, ihre Liebe durch selbstloses Wirken zu beweisen. Jesus wußte, daß man nicht an geistiger Kraft zunehmen kann, wenn geistige Liebe nicht im Überfluß vorhanden ist.
Seine eigene Gabe des Heilens erklärend, sagte der Meister (Joh. 14:10): „Der Vater aber, der in mir wohnt, der tut die Werke.“ Das göttliche Prinzip, Liebe, das er durch seine eigene Geistigkeit zum Ausdruck brachte, war die Kraft, die ihn befähigte, zu heilen und zu erretten.
Durch Geistigkeit, deren eigentliches Wesen geistige Liebe ist, erkennen wir, welch tiefe Bedeutung die Christliche Wissenschaft hat, die dem menschlichen Bewußtsein doe Größe und Schönheit der göttlichen Wirklichkeit offenbart. Durch Geistigkeit erfassen wir unser eigenes wahres Sein und unser Einssein, unsere Einheit, mit Gott. Vor unserem vertieften geistigen Verständnis schwinden die Bürden des Materialismus dahin. Die wirkliche Substanz des Menschen und des Universums erscheint gottähnlich, greifbar, erkennbar — die Wirklichkeit des lebendigen, liebenden Ausdrucks vom Gemüt selbst. So wird Vergeistigung — geistige Liebe, Intuition, Einsicht und Weisheit — wenn sie im menschlichen Bewußtsein wirksam gemacht werden, als das Heilmittel für die Materie und ihre Übel erkannt.
