Eines Wintermorgens fand eine Anhängerin der Christlichen Wissenschaft beim Erwachen, daß draußen alles um ihr Haus herum verändert war. Die ganze Landschaft war blendend weiß. Während der Nacht war dichter Schnee gefallen und alles schien verwandelt. Sie schaute die Straße auf und ab, und es war gerade als ob die Häuser sie fragten: „Welches Haus bin ich? Erkennst du mich in meinem neuen Aufputz?“ Dann bemerkte sie ein Fleckchen Boden ohne Schnee, und sie war erstaunt und einen Augenblick verwirrt. Als sie jedoch den elektrischen Transformator entdeckte, begriff sie; da die Erde um ihn herum warm war, war der Schnee nicht liegen geblieben und die Flocken waren geschmolzen, sowie sie den Boden berührt hatten.
Im Laufe des Tages las die Wissenschafterin in dem Buch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ von Mary Baker Eddy und kam an folgende Stelle (S. 250): „Die sterblichen Gedanken jagen einander wie Schneeflocken und fallen dann auf die Erde.“ Sie las diese Zeilen mit großer Freude, wußte sie doch, mit welcher Sorgfalt Mrs. Eddy ihre Worte gewählt hatte. Hier verglich unsere verehrte Führerin sterbliche Gedanken mit Schneeflocken. Es gibt wohl kaum etwas Flüchtigeres und Wesenloseres als eine Schneeflocke. Ihre Beobachtung vom frühen Morgen fiel ihr ein und sie dachte: „Wenn der Boden hart, kalt und trocken ist, sammeln sich die Schneeflocken an und scheinen eine Weile von einiger Bedeutung zu sein. Wenn der Boden jedoch warm ist, schmelzen die Schneeflocken, sowie sie ihn berühren, und hinterlassen keine Spuren.“
Der Christlichen Wissenschaft zufolge hält das lieblose Bewußtsein, das die Wahrheit nicht kennt, sterbliche Gedanken fest, und sie scheinen eine Weile von einiger Bedeutung zu sein. Wenn das Bewußtsein durch Liebe und das Verständnis der Wahrheit erwärmt ist, schmelzen sterbliche Gedanken dahin.
Wenn eine mit Schnee bedeckte Straße passierbar gemacht werden soll, müssen Menschen sie freischaufeln, und das bedeutet viel Arbeit. Der Schnee wird nach links und nach rechts aufgehäuft, stapelt sich zu einem Berg und wird zu einem Hindernis; doch wenn die Sonne strahlend zu scheinen beginnt, so lassen die Menschen sich bei der Arbeit helfen. Der Schnee, der sich auf beiden Seiten angehäuft hat, schmilzt und die Straße wird passierbar. Wenn sterbliche Gedanken in Form von kranken Annahmen mit der Wärme der göttlichen Liebe in Berührung kommen, so schmelzen sie dahin wie Schneeflocken im Sonnenschein.
Krankheit, Disharmonie oder jede andere Form des Bösen ist nie mehr als eine irrige Annahme, wesenlos und kurzlebig, ohne Selbstheit, ohne Prinzip und ohne Stütze; und um auch nur scheinbar zu existieren, muß eine solche Annahme auf einen ihr günstigen Boden fallen wie Unwissenheit, Aberglaube, Furcht oder Stolz.
Solange man sein sterbliches Selbst für den Menschen hält, taumelt man in der kalten Nacht des Materialismus umher und glaubt, man sei den irrigen Annahmen, die einen in den Abgrund stürzen möchten, hilflos ausgeliefert. Wenn die Wahrheit erscheint, lernt man verstehen, daß der Mensch nicht materiell ist, sondern geistig; nicht sterblich, sondern unsterblich; daß er nicht irrt, sondern daß er vom Prinzip gelenkt wird und daß die Liebe ihn erhält und umgibt. Wenn man zu begreifen beginnt, daß das Böse keine Macht ist, sondern lediglich eine Annahme von der Abwesenheit des Guten, so dämmert das Licht; und dieses Licht, das seinen Ursprung in Gott hat, bringt die Wärme der Liebe mit sich. Dann schmelzen sterbliche Gedanken oder Annahmen hin, und der wahre Mensch, der ewig eins ist mit der Liebe, erscheint in Reinheit, Gesundheit, Heiligkeit und Unsterblichkeit. Christus Jesus lehrte die Wärme der Liebe. Er sagte (Joh. 13:35): „Dabei wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habt.“
Die Verfasserin hatte eine Erfahrung, die bewies, wie machtvoll die Berührung der göttlichen Liebe Annahmen von Krankheit verscheucht. Eines Abends, als sie zu Bett ging, fühlte sie sich gar nicht wohl. Nachdem sie die Wahrheit, wenn auch nicht allzu bekräftigend, erklärt hatte, schlieft sie mit dem Gedanken ein, daß nach einer guten Nachtruhe wohl alles in Ordnung sein würde. Als sie jedoch aufwachte, fühlte sie sich recht krank, und es schien ihr schlechter zu gehen. Sie war sehr versucht, sich wieder hinzulegen, aber sie weigerte sich, auf diese Suggestion zu lauschen, die sich ja schon als haltlos erwiesen hatte, denn nach einer Nachtruhe war alles schlimmer als zuvor. Sie nahm die Bibel und das Buch „Wissenschaft und Gesundheit“ zur Hand und begann, die Bibellektion aus dem Christlich-Wissenschaftlichen Vierteljahrsheft zu studieren, aber die Worte weckten keinen Widerhall in ihr. Sie hatte sogar große Schwierigkeiten, der hypnotischen Suggestion des Einschlafens zu widerstehen.
Mit dem aufrichtigen Verlangen, das Rechte zu tun, wandte sie sich an Gott, das Gemüt, brachte den materiellen Sinn zum Schweigen und vertiefte sich bald in die Lektion. In dem stillen Heiligtum des Verständnisses wurde ihr eine Fülle geistiger Ideen zuteil, die sich ihr entfalteten und sie segneten.
Als sie wieder an ihren Zustand dachte, fühlte sie sich viel besser, und ein oder zwei Stunden später war sie vollkommen frei und fühlte sich wohl. Im Lichte der Wahrheit und in der Wärme der Liebe war ihre Krankheit wie eine Schneeflocke in der Sonne dahingeschmolzen. Als es ihr klar wurde, daß das unendliche Gute sie umgab und daß die Liebe allein gegenwärtig war, war sie imstande, sich selbst als den geistigen Menschen zu erkennen, der ewig eins ist mit seiner Quelle, der unendlichen Liebe.
Das Wissen und Verstehen, daß der Mensch untrennbar von der göttlichen Liebe ist, wärmt den menschlichen Gedanken und läßt die Lüge der Krankheit und der Sünde wegschmelzen; denn wenn es verstanden wird, daß Gott sie nicht erschaffen hat, dann wird erkannt, daß sie so wesenlos und kurzlebig ist wie Schneeflocken.
