Durch das Studium und die Anwendung der Christlichen Wissenschaft erlangen wir das geistige Verständnis, das uns befähigt, die Unwirklichkeit des materiellen Schauspiels des Lebens und die Wirklichkeit der vollkommenen Schöpfung Gottes zu erkennen. Christus Jesus sagte von der Volksmenge, die kam, um ihn zu hören (Matth. 13:13): „Mit sehenden Augen sehen sie nicht, und mit hörenden Ohren hören sie nicht; denn sie verstehen es nicht.“
Der materielle Sinn klassifiziert die Sterblichen als gut, schlecht oder mittelmäßig, als Freunde oder Feinde, als in guten materiellen Verhältnissen oder schlechten materiellen Verhältnissen. Das geistige Verständnis dagegen sieht, was dem materiellen Sinn nicht sichtbar ist, nämlich Gott und Seine Idee, den geistigen Menschen, ewiglich vollkommen und harmonisch.
Wenn uns das materielle Bild gefällt, so haben wir die Neigung zu glauben, daß alles in Ordnung ist und daß die Umstände normal sind. Wenn das Bild wechselt und unerfreulich und beunruhigend wird, so ziehen wir den berechtigten Schluß, daß wir uns bemühen sollten, etwas zu unternehmen, um es zu dem zurück zu bringen, was wir normal nennen.
Der Christliche Wissenschafter wendet sich wegen Heilung an Gott, Geist, und weist im Krankheitsfall materielle Mittel oder Methoden zurück. Wenn es sich um einen Fall unharmonischer menschlicher Beziehungen handelt, so weigert er sich ebenfalls, materielle Methoden anzuwenden. Wo sich persönliche Spannungen, Selbstsucht, Ungerechtigkeit und Herrschsucht kundzutun scheinen, lehrt uns die Christliche Wissenschaft, bei der Handhabung dieser Probleme eine von der materiellen radikal abweichende Methode anzuwenden. Die Grundlage dieser Denkweise wird auf Seite 8 des Werkes „Vermischte Schriften“ von Mary Baker Eddy dargelegt; sie lautet: „Betrachte einfach das als deinen Feind, was das Christus-Bild, das du widerspiegeln solltest, befleckt, entstellt und entthront.“
Der allgemein angenommene weltliche Gedanke ist, daß der Feind stets der andere Mensch ist, niemals wir selbst. Mrs. Eddy verwirft diese Art des Folgerns und führt das Problem direkt auf das eigene Bewußtsein zurück. Dies ist die Stätte, wo Herrschaft ausgeübt, wo Gottes Güte, Gegenwart und Macht erfaßt werden kann. Durch die Berichtigung des eigenen Denkens vermeidet man den Aufbau eines Schuldfalls gegen seinen Nächsten und des Redens darüber, wodurch man nur dessen Problem verschlimmert und das eigene Denken vergiftet. Diese Methode des Überwachens und Berichtigens des eigenen Denkens bedeutet nicht, daß man dem Bösen und seinen Machenschaften gegenüber blind sein oder es vertuschen sollte. Sie weist lediglich auf gewisse Irrtümer hin, die beanspruchen, einen Platz in unserm Bewußtsein zu finden, wenn sie als wirklich angenommen werden.
In unserem mentalen Kampf decken wir zuerst einmal den Anspruch des Bösen auf. Zweitens unterwerfen wir das Böse der Zerstörung durch die Christus-Idee, indem wir es in unserem Bewußtsein durch die Wahrheit ersetzen; und drittens beanspruchen wir das Weiterwirken der Heilkraft Gottes in unserem Denken und sichern uns auf diese Weise Schutz vor Gegenangriffen. Das Erkennen und Aufdecken des Irrtums sind die notwendigen ersten Schritte zu seiner Zerstörung. Die Gefahr liegt darin, daß man den Irrtum nicht als Irrtum erkennt. Es ist falsch, nichts zu unternehmen, um ihn zu zerstören. Und es ist ein Fehler, den Irrtum im Denken festzuhalten, sich weitschweifig darüber auszulassen und ihn zu einem unlösbaren Problem zu machen, indem man ihn mit anderen bespricht.
Die Christliche Wissenschaft führt uns zur Bergpredigt zurück, die uns ermahnt (Matth. 5:44): „Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen.“ Dies Gebot verlangt nicht mehr, als betätigt werden kann. Gehorsame Befolgung desselben bedeutet nicht, dem Irrtum oder seinen Wortführen nachzugeben. Jesus gab dem Bösen nicht nach, noch war er unrealistisch in der Handhabung desselben. Er löschte es aus, indem er es als unwirklich zurückwies. Er verweilte nicht auf dem bösen Bilde, sondern schaute auf Gott und Seine unendliche Vollkommenheit und erblickte Gottes Idee, den geistigen Menschen.
Die Offenbarung der Christlichen Wissenschaft, niedergelegt im Lehrbuch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ von Mrs. Eddy, hilft uns, das Leben und die Werke des Meisters Christus Jesus zu verstehen. Mrs. Eddy zeigt uns in ihren Schriften, daß die gesamte materielle Auffassung der Schöpfung, einschließlich des sterblichen Menschen, eine Täuschung ist. Sie ist unwirklich, eine Fälschung der geistig vollkommenen Schöpfung Gottes, welche den Menschen als Gottes Bild und Gleichnis einschließt. Bei der Lösung von Problemen von Groll, Haß oder Furcht, von Krankheit oder Allergien verneint daher die Christliche Wissenschaft die Wirklichkeit der Sünde und des Sünders und sieht statt dessen Gott und Seine vollkommene geistige Schöpfung. Das geistige Bild des Menschen als Gottes Ebenbild und Gleichnis zeigt ihn als liebevoll und liebenswert.
Christus Jesus gab uns viele Beispiele davon, wie er das sterbliche Gedankenbild verwarf und wie er es durch die geistigen Tatsachen ersetzte. Die Erweckung des Lazarus vom Tode ist ein treffliches Beispiel. Kühn verneinte der Meister in diesem Fall den Anschein, indem er erklärte (Joh. 11:11): „Lazarus, unser Freund, schläft.“
Die direkten Nachfolger Jesus verstanden seine Heilmethode und wandten sie an. Paulus Erkenntnis der Notwendigkeit, nur den Gottesmenschen zu sehen, war so klar, daß er erklären konnte (2. Kor. 5:16): „Darum kennen wir von nun an niemand nach dem Fleisch.“
Zuzeiten mag ein Schüler versucht sein zu glauben, daß es eine gar schwierige und vielleicht sogar beschwerliche Aufgabe ist, geistig zu sehen; und es bedarf der Anstrengung und des ehrlichen Ringens. Es ist jedoch tröstlich zu wissen, daß die Last nicht darin besteht, dem Vorbilde des Meisters zu folgen, sondern vielmehr darin, daß wir in dem Hypnotismus des materiellen Bildes verharren. Der Segen des geistigen Sehens besteht nicht lediglich in der Erlösung von körperlichen Problemen, hochwillkommen wie diese auch sein mag, sondern in der Entdeckung der wunderbaren, köstlichen, geistigen Gaben, die uns als Ergebnis solchen Sehens zuteil werden. In ihrem Werk „Vermischte Schriften“ (S. 60) erklärt Mrs. Eddy: „Jede materielle Annahme deutet das Vorhandensein einer geistigen Wirklichkeit an; und wenn die Sterblichen in geistigen Dingen unterrichtet werden, so wird es sich erweisen, daß die materielle Annahme mit all ihren Bekundungen, wenn umgekehrt, als ein Symbol und Vertreter von unschätzbaren, ewigen, stets verfügbaren Wirklichkeiten erfunden wird.“
Ein Schüler der Christlichen Wissenschaft erlebte das folgende Beispiel einer Heilung durch Änderung des mentalen Bildes. Er war gerade vom Militärdienst in Übersee zurückgekehrt und hatte sein Studium an einer Universität begonnen, wo er sich alsbald inmitten nicht vertrauter mentaler Tätigkeiten und Studien befand. Er hegte ernste Zweifel über seine Aussichten, seine Studien erfolgreich fortsetzen zu können. Er nahm nun die Arbeit an diesem Problem vom Standpunkt der Christlichen Wissenschaft auf und vergegenwärtigte sich, daß Gott, das Gemüt, Intelligenz ist; daß Intelligenz und Liebe untrennbar sind, und daß seine Widerspiegelung der Liebe seine Widerspiegelung von Intelligenz einschloß. Er war imstande, das Gefühl von Groll gegen sich selbst, seine Lage und sogar gegen den Lehrkörper durch eine liebevolle Einstellung zu ersetzen, die darauf gegründet war, das geistig Wirkliche statt des sterblichen Bildes zu sehen. Durch seine Widerspiegelung der Liebe tat sich Intelligenz in seinem Bewußtsein kund, und schnell war sein Fortschritt gesichert.
Wenn wir das geistige Bild sehen, ist alles in Ordnung. Solches Sehen bringt Gesundheit, Glückseligkeit und erfolgreiche Tätigkeit im täglichen Leben mit sich. Mrs. Eddy erklärt auf Seite 360 des Lehrbuchs: „Lieber Leser, welches Gemütsbild oder welcher verkörperte Gedanke soll für dich wirklich sein — der materielle oder der geistige? Beide kannst du nicht haben.“
Es gibt unumgängliche Regeln und Bedingungen, die uns zur Vergegenwärtigung unserer von Gott verliehenen Fähigkeit mit Bezug auf geistiges Sehen verhelfen. Mrs. Eddy hat sie in ihren auf den Lehren des Meisters gegründeten Schriften vollständig erklärt. Eine der vielen grundlegenden Anweisungen Jesu, die im direkten Gegensatz zum gewöhnlichen Denken der Welt stehen, ist von Matthäus aufgezeichnet (6:33): „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.“ Wenn wir dieser Ermahnung folgen, so ist uns Heilung gewiß.
