Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommet her zum Wasser! und die ihr nicht Geld habt, kommet her, kaufet und esset; kommt her und kauft ohne Geld und umsonst beides, Wein und Milch!“ Diese Worte aus dem Buch des Propheten Jesaja (55:1) sind symbolisch für den Ruf des Christus, der göttlichen Offenbarwerdung oder des Ideals Gottes, der sich in allen Zeitaltern an die leidende Menschheit richtet.
Der Christus, die Wahrheit, bringt der Menschheit das demonstrierbare Verständnis von dem wahren Wesen des geistigen Menschen als des Kindes Gottes. Sie offenbart, daß der Mensch, das Bild und Gleichnis Gottes, immerdar die Eigenschaften der göttlichen Liebe widerspiegelt und daß er unzerstörbar ist — in reichem Maße mit allem Guten versorgt und ewiglich in der Fürsorge des himmlischen Vaters geborgen.
Die Kranken und Leidtragenden — die Menschen, die unter einer Last der Sorge niedergedrückt sind, oder die das Verlangen haben, frei zu werden von irgendeinem lähmenden, versklavenden oder begrenzenden Zustand — mögen noch Fremdlinge sein für die Wahrheiten über Gott und den Menschen, doch alle können den Ruf des Christus vernehmen; und wenn sie ihm folgen, können sie geheilt und befriedigt werden.
Christus Jesus sagte (Matth. 11:28): „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Scharen von Männern und Frauen strömten zusammen, um ihn zu hören. Einige waren in feines Leinen gekleidet, und andere in Lumpen gehüllt. Einige waren gebildete Menschen, andere dagegen sehr einfach und ungebildet. Kinder wurden zu ihm gebracht, und die Jünger hätten sie am liebsten wieder fortgeschickt. Aber der Meister schloß sie in seine Liebe ein und segnete sie.
Diese Botschaft der Liebe und des Willkommens, die vom Meister vor vielen Jahrhunderten verkündigt wurde, geht auch in diesem Zeitalter wieder aus, um alle Menschen herbeizurufen, damit sie die heilenden Segnungen empfangen mögen. Durch die Christliche Wissenschaft erschallt der Ruf der Christus-Wahrheit inmitten der Düsternis der materiellen Annahmen, um von neuem die frohe Botschaft zu bringen, daß die göttliche Liebe für alle erreichbar ist.
Mrs. Eddy gibt allen Christlichen Wissenschaftern ein Vorbild christusähnlicher Gastfreundschaft, wenn sie in das Kirchenhandbuch den Artikel XVI unter der Überschrift „Das Bewillkommnen von Fremden“ einfügt. Der Abschnitt 1 lautet wie folgt: „Mrs. Eddy bietet ihre Sitzplätze in der Kirche Personen aller Sekten und Konfessionen an, die kommen, um die Sonntagspredigt zu hören, und die nicht anderweitig mit Sitzplätzen versehen sind.“ Der Abschnitt 2 befaßt sich mit einer ähnlichen Pflicht und einem ähnlichen Vorrecht der Ortsmitglieder Der Mutterkirche, nämlich, die Fremden willkommen zu heißen.
Der Rat, den Mrs. Eddy einem Ersten Leser gab, wird, wenn er von allen Mitgliedern einer Zweigkirche beherzigt wird, jene Mitgliederschaft unermeßlich bereichern durch den Geist des Christus, der anzieht und heilt. Sie schrieb in ihrem Buch „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (S. 247): „Ziehen Sie das Gewand Christi an, und Sie werden erhöht werden und alle Menschen zu sich ziehen.“ Und etwas später fügt sie hinzu: „Gott hat Sie zum Menschenfischer berufen. Nicht ein strenger, sondern ein liebevoller Blick veranlaßt die Menschen, zu empfangen, was Sie zu geben haben — weniger Beredsamkeit als gütiges Zureden beseitigt ihre Furcht, denn die göttliche Liebe allein speist sie.“
Nicht nur der Erste Leser, sondern ein jedes Mitglied der Kirche sollte sich davon überzeugen, daß dem Fremdling bei den Gottesdiensten ein liebevolles Willkommen entgegengebracht wird, denn wenn die Mitglieder den Geist des Christus nicht zum Ausdruck bringen, wird die Kirche den Eindruck der Kälte und Freudlosigkeit erwecken. Wie schön das Gebäude auch aussehen mag, es reicht allein nicht aus, um dem Fremden die lebensvolle, herzerfrischende Botschaft des Trostes und der Freude in der Wahrheit zu übermitteln, die die Hoffnung emporhebt.
Wenn jedoch ein ehrlicher Wunsch da ist, daß die Armen und Bedürftigen, die Kranken und die Sünder doch kommen möchten, um die Botschaft des Christus, der Wahrheit, zu hören, und wenn dieser Wunsch durch die selbstlose, liebevolle Anwesenheit der Mitglieder zum Ausdruck kommt, dann kann ein Widerhall nicht ausbleiben. Ebenso wie die Menschenscharen vor Jahrhunderten zu den Füßen Jesu zusammenströmten, so werden sich die Menschen auch heute durch unwiderstehliche Bande der Liebe zu den Türen der Kirche hingezogen fühlen, die auf diese Weise ihren Zweck erfüllen und ihrerseits wiederum einen Segen empfangen wird.
Ein Mann, der sich gerade in einer verzweifelten Notlage befand, kam eines Tages zufällig in eine große christlich-wissenschaftliche Zweigkirche. Er war schon lange Zeit arbeitslos gewesen und machte einen verkommenen Eindruck. Da er sich seiner von aüßerster Armut gekennzeichneten Erscheinung bewußt war, drückte er sich in eine Bank an der Seite, wo er glaubte, allein und unbemerkt von den anderen sitzen zu können.
Ein Mitglied, das bemerkte, daß er ein Neuling in der Christlichen Wissenschaft und in Not war, erhob sich von ihrem Sitz und setzte sich zu ihm. Am Schluß des Gottesdienstes verweilte sie noch einen Augenblick, um ihm Mut zuzusprechen und ihn aufzufordern, doch wiederzukommen und mehr von der Wahrheit zu erfahren, die ihn von seiner Vorstellung von Trostlosigkeit und Armut befreien könne. Dieses Mitglied achtete jeden Sonntag auf den Mann, sie sprach mit ihm und sorgte so dafür, daß er sich wohlfühlte. Sie wurde schon bald belohnt für ihre Liebe, als sie seinen geistigen Fortschritt wahrnahm und eine allmähliche Wandlung zum Guten in seiner Erscheinung und seinem allgemeinen Verhalten bemerkte.
Schließlich wurde seine Haltung aufrecht wie die eines Menschen, der seine Selbstachtung wiedererlangt hat. Er war nicht mehr ein Fremdling gegenüber dem Christus — seiner wahren Natur als Gottes geliebtem Kind — und schämte sich nicht länger, sich zu den anderen Mitgliedern der Gemeinde zu setzen. Er hatte verstehen gelernt, daß er in der menschlichen Gesellschaft gebraucht wurde und auch seinen Beitrag leisten konnte, und so fand er bald Beschäftigung, und sein Wohlstand nahm zu. Durch die praktische Liebe, die von einem Mitglied ausgedrückt wurde, hatte die Kirche von neuem ihre Mission, zu erlösen und zu heilen, erfüllt.
Christus Jesus sprach in Gleichnissen, und die Jünger wußten, daß die Ausdrücke, die er gebrauchte, Sinnbilder waren und eine rein geistige Bedeutung hatten. Bei einer Gelegenheit sagte er (Matth. 13:47, 48): „Abermals ist gleich das Himmelreich einem Netze, das ins Meer geworfen ist, womit man allerlei Gattung fängt. Wenn es aber voll ist, so ziehen sie es heraus an das Ufer, sitzen und lesen die guten in ein Gefäß zusammen; aber die faulen werfen sie weg.“
Diejenigen unter den Jüngern, die Fischer waren, hatten viele Male ihre Netze in das Meer geworfen, als sie ihrem Beruf nachgingen. Für sie war dies ein sehr vertrautes Bild. Doch sie wußten, daß sich der Meister hier nicht auf Fische oder einen materiellen Lebensunterhalt bezog, sondern auf einen geistigen Bewußtseinszustand, der dem Christus innewohnt.
Das Christus-Bewußtsein, das alle einlädt, die Wahrheit anzunehmen, das die Gerechten wie die Sünder zu sich zieht, wendet sich naturgemäß an die ganze Welt. Jeder einzelne, der zu Jesus kam, brachte die Gegenwart der göttlichen Liebe in irgendeiner Form zum Ausdruck, und der Meister erkannte diese Eigenschaften sofort und hielt nicht mit einem Lob zurück. Die bösen Merkmale der menschlichen Natur wurden von ihm verurteilt und zurückgewiesen. Da er erkannte, daß sie einer göttlichen Ursache entbehrten, trieb er sie als unwirklich aus und führte so die Heilung herbei.
Jeder treue Jünger sollte selbst entdecken, daß er in dem Maße, wie er den Christus in seinem Leben zum Ausdruck brachte, ebenso ein Menschenfischer sein und die verschiedenen Arten von Menschen zu sich ziehen würde, die nach einer höheren Lebensauffassung trachteten.
Diese Tätigkeit wird auch heute noch fortgesetzt. Die Liebe und der sanft überzeugende Einfluß des Christus, die von den einzelnen Mitgliedern in unseren Kirchen bekundet werden, ziehen den Fremden ganz natürlich an, so daß er der Segnungen teilhaftig werden kann. Wenn die Mitglieder sich versammeln, um die heilende Botschaft der Lektionspredigt zu hören, wie sie im Vierteljahrsheft der Christlichen Wissenschaft dargelegt ist, erhebt sich ihr Denken zu der Anerkennung der Gegenwart des Guten, während gleichzeitig böse Annahmen als unwirklich ausgetrieben werden. Die Menschen, die nach dem Trost der geistigen Wirklichkeit hungern und dürsten, werden gespeist, und die Mühseligen und Beladenen finden Erquickung.