Die Erfahrung lehrt uns, in unserem täglichen Leben sehr wachsam zu sein, um den Unterschied zwischen dem Wirklichen und dem Unwirklichen zu erkennen. Weiterhin lehrt uns die Erfahrung, daß das alte Sprichwort: „Sehen ist Glauben“, nicht immer wahr ist. Es gibt einige praktische Beispiele hierfür, die uns allen geläufig sind, wie die Täuschungen, daß am Horizont der Himmel die Erde berührt, daß Eisenbahnschienen in einem weit entfernten Punkt zusammenlaufen und daß die Sonne sich um die Erde bewegt.
Das Sinnenzeugnis heißt uns, alle diese Dinge als wahr anzunehmen; doch Erfahrung und Erziehung zeigen uns, daß sie nur optische Täuschungen sind. Die Erkenntnis dieser Tatsache erweitert unsere Handlungsfreiheit beträchtlich; denn wenn wir wirklich das glaubten, was wir sehen, würden wir uns nicht weit von Hause fortwagen und würden nur begrenzte Erfahrungen haben.
So wie die menschliche Erziehung uns von den Begrenzungen der optischen Täuschungen befreit, so macht uns die geistige Erziehung von den Begrenzungen des materiellen Sinnes frei. Jeder, der die Christliche Wissenschaft studiert, ist dankbar für die geistige Erleuchtung, die er durch ihre Lehren gewinnt; denn diese Erleuchtung befähigt ihn, zwischen dem, was wirklich ist, und dem, was eine Illusion ist, zu unterscheiden.
Diese Erkenntnis gewinnt man nur durch vermehrtes geistiges Verständnis, und es ist das Ziel jedes aufrichtigen Christlichen Wissenschafters, sie zu erlangen. Ohne diese wahre Erkenntnis würden wir durch die Argumente des sterblichen Gemüts andauernd zum Narren gehalten werden.
Mrs. Eddy weist auf diese Tatsache hin, wenn sie schreibt (Wissenschaft und Gesundheit, S. 371): „Diejenigen, die in der Christlichen Wissenschaft nicht unterrichtet sind, verstehen in Wirklichkeit nichts von dem materiellen Dasein.“ Wenn wir also verstehen wollen, was in unserer täglichen Erfahrung rings um uns her vorgeht, müssen wir ein besseres Verständnis der Christlichen Wissenschaft zu erlangen suchen, die uns die trügerische Natur der Materialität und die Allheit Gottes, des Geistes, lehrt.
Durch dieses Verständnis erkennen wir, daß nur das, was von Gott stammt, wirklich ist; und da das Wesen Gottes gut ist, muß die ganze Wirklichkeit gut sein. Dies stimmt mit den Lehren der Bibel überein. Im allerersten Kapitel der Bibel heißt es (1. Mose 1:31): „Gott sah an alles, was er gemacht hatte; und siehe da, es war sehr gut.“ Daher müssen wir in jeder Lebenslage Ausschau halten nach Beweisen der reinen Vollkommenheit des Geistes, Gottes.
Wenn es uns nicht gelingt, in einer Lage irgend etwas von Gott, dem Guten, zu finden, können wir sicher sein, daß das, was wir augenscheinlich sehen, nur eine Täuschung der sterblichen Annahme ist und daher in Wirklichkeit überhaupt nicht stattfindet. Dieses Vorgehen könnte man als „den Köder prüfen“ bezeichnen.
Wie wichtig es ist, den Köder zu prüfen, kann am besten am Beispiel eines Anglers veranschaulicht werden. Jeder gute Angler ist mit Angelgerät wohl versehen. Und doch ist das nicht immer eine Garantie dafür, daß er wirklich einen Fisch fangen wird. Er weiß, daß die Ausrüstung allein und das bloße Auswerfen des Angelhakens in das Wasser nicht notwendigerweise bedeutet, daß er überhaupt etwas fängt.
Der Angler muß den Fisch dahin bringen, daß er anbeißt; er wird also versuchen, die Widerhaken an der Angel zu verbergen, indem er einen Köder benutzt. Genau so muß der Fisch, wenn er gefangen werden soll, den Köder als das annehmen, was er zu sein vorgibt, und dabei darf er nicht gewahr werden, was der Köder in Wirklichkeit ist — nämlich eine Falle. In dem Augenblick, in dem der Fisch sich verleiten läßt, den Köder anzunehmen, steht er in Gefahr, gefangen zu werden.
In genau derselben Weise möchte der sterbliche Sinn uns täuschen. Das Böse, das im Buche Hiob als der Satan dargestellt wird, der, „das Land umher durchzogen“ hat (1:7), bietet uns immerfort vielerlei Arten von Ködern an. Ganz ähnlich wie ein Angler, der Standplatz und Köder wechselt, um seine Aussichten auf einen Fang zu verbessern, bietet uns das Böse viele verschiedenartige Argumente an, um uns dahin zu bringen, den Köder anzunehmen.
Wenn wir nicht Gebrauch machen von dem, was uns die Christliche Wissenschaft über die wahre Natur des Seins lehrt, damit wir die Unrichtigkeit der Argumente des Bösen erkennen können, laufen wir Gefahr, uns fangen zu lassen, und wir werden finden, daß wir mit einem Problem zu ringen haben.
Der am häufigsten benutzte Köder ist die Einflüsterung, daß Leben, Wahrheit, Intelligenz, Substanz, Ursache und Wirkung in der Materie seien. Wenn wir diesen falschen Anspruch annehmen, werden Harmonie, Gesundheit, Glück und Freiheit, die unser gottgegebenes Erbe ausmachen, eine Zeitlang verborgen bleiben. Daher ist es so wichtig, jeden Köder, den uns das sterbliche Gemüt vorsetzt, sorgfältig zu prüfen. Falsche Ansprüche, die uns dargeboten werden, können unser Wohlergehen in keiner Weise beeinträchtigen, wenn wir wachsam sind, ihre Falschheit erkennen und sie zurückweisen.
Die Bibel berichtet, daß Jesus „versucht ist allenthalben gleichwie wir, doch ohne Sünde“ (Hebr. 4:15). Jesus war nicht frei von Versuchung; er besaß aber, obwohl er allenthalben versucht war, die geistige Erkenntnis, die ihn befähigte, die Falschheit alles dessen wahrzunehmen, das Gott unähnlich ist.
Wir müssen uns vor Augen halten, daß es keine Sünde ist, in Versuchung geführt zu werden. Die Sünde liegt darin, daß wir der Versuchung nachgeben. Wenn wir uns daher sterblichen Annahmen gegenübergestellt sehen, dann laßt uns dem Rat unserer Führerin folgen (Wissenschaft und Gesundheit, S. 495): „Wenn die Illusion von Krankheit oder Sünde dich in Versuchung führt, dann klammere dich fest an Gott und Seine Idee. Laß nichts als Sein Gleichnis in deinen Gedanken weilen.“ Und weiter unten fährt sie fort: „Laß die Christliche Wissenschaft statt des körperlichen Sinnes dein Verständnis vom Sein tragen, und dieses Verständnis wird Irrtum durch Wahrheit vertreiben, Sterblichkeit durch Unsterblichkeit ersetzen und Disharmonie durch Harmonie zum Schweigen bringen.“
In dem Maße, wie wir alle Phänomene im Licht der geistigen Wirklichkeit prüfen, können wir nicht verleitet werden zu glauben, daß materielle Illusionen irgendein Teil von Gottes unwandelbarer und vollkommener Schöpfung sind.
Dies wurde in der Erfahrung einer ernsthaften Anhängerin der Christlichen Wissenschaft wunderbar bewiesen. Während sie ihre Hausarbeit verrichtete, fiel ihr ein schwerer Staubsauger mit ziemlicher Wucht auf den Fuß. Die Folge davon war eine klaffende Wunde, die quer über die Oberseite ihres Fußes lief. Der Fuß begann anzuschwellen und sich zu verfärben, und das Gehen schien sehr schmerzhaft zu sein. Die Christliche Wissenschafterin öffnete „Wissenschaft und Gesundheit“ und las folgende Stelle (S. 380): „Wenn wir für den Augenschein von Sünde, Krankheit oder Tod streiten und ihren Forderungen willfahren, so streiten wir tatsächlich gegen die Herrschaft des Gemüts über den Körper und leugnen die heilende Kraft des Gemüts.“
Die Anhängerin erkannte, daß das sterbliche Gemüt ihr seinen Köder vorwarf; daß es sie davon überzeugen wollte, daß ein Unfall passiert sei und daß die Materie Empfindung, Leben und Intelligenz besitze.
Es wurde ihr auch klar, daß jedesmal, wenn sie die Annahme zuließ, daß ihr etwas Nachteiliges zugestoßen sei, jedesmal, wenn sie vor Schmerz zusammenzuckte oder sich der Schwellung und Verfärbung des Fußes bewußt wurde, sie „für den Augenschein“ stritt. Ja, sie nahm damit den Köder der sterblichen Annahme an, und wenn sie so weitermachte, würde sie mit Sicherheit an den Angelhaken geraten; denn sie würde die Folgen ihrer Annahme zu tragen haben.
Sie faßte den Entschluß, nicht weiter für den falschen Augenschein zu streiten. Jedesmal, wenn der Köder während der nächsten Stunden ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollte, weigerte sie sich, das zuzulassen, das sie wußte, daß kein Unfall je stattgefunden hatte, weil das Reich Gottes das einzige Reich ist; und das Gott, der Geist, die Substanz alles wirklichen Seins ist, sind die Materie und ihre Ansprüche auf Empfindung nur Illusionen.
Sie beharrte so standhaft auf der Vollkommenheit des Seins, daß sie bald eine völlige Befreiung erlebte. Ihre Heilung war vollständig, und am nächsten Abend besuchte sie einen Vortrag über die Christliche Wissenschaft, wobei sie Schuhe mit hohen Absätzen trug und ohne jede Beschwerde gehen konnte.
Durch das Studium der Christlichen Wissenschaft hatte diese Anhängerin die geistige Natur aller Wirklichkeit erkannt. Indem sie anerkannte, daß Gott, der Geist, alles, was gemacht ist, in sich und aus sich erschafft, hatte sie ein klares Verständnis von der wahren Natur des Menschen und des Universums erlangt, und die falschen Auffassungen der sterblichen Annahme konnten sie nicht täuschen.
Laßt uns lernen, jeden Köder, der uns vorgehalten wird, jegliche Phänomene, die uns dargeboten werden, im Lichte des geistigen Verständnisses, das wir durch unser Studium der Christlichen Wissenschaft gewinnen, sorgfältig zu prüfen. Auch wir können, mit derselben geistigen Erkenntnis, die Elias auf dem Berge ausübte, sehen, daß Gott nicht in irgendeiner physischen oder materiellen Erscheinungsform zu finden ist, die schaden oder zerstören könnte. Wir können uns weigern, den Köder anzunehmen, ob er nun als Wind, Erdbeben, Krankheit oder Sünde in Erscheinung tritt.
Wenn wir dem stillen, sanften Sausen der Wahrheit lauschen, wie es in der Christlichen Wissenschaft offenbart wird, werden wir immer die Wahrheit über jede Situation erkennen und dadurch in der Lage sein, unsere gottgegebene Herrschaft zu allen Zeiten zu beweisen.