Es genügt, diese beiden Worte in Verbindung miteinander zu erwähnen, um im menschlichen Denken die Erinnerung an Reibungen und Spannungen wachzurufen. Die Redewendung scheint in jeder der beiden Gruppen ein Gefühl der Unvollständigkeit auszulösen; jede Seite glaubt, sie sei der vollen Früchte ihrer Arbeit beraubt, weil man gezwungenermaßen aufeinander angewiesen ist. Das menschliche Gemüt hat sich damit abgefunden, die beiden Gruppen als zwei einander feindlich gesinnte soziale und wirtschaftliche Kräfte anzusehen.
Die Ursache für diese unglückselige Auffassung liegt in der falschen materiellen Vorstellung begründet, daß Kapital Geld sei und Arbeit in erster Linie Muskeltätigkeit, wobei jede Seite nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist, ohne Rücksicht auf die rechtmäßigen Interessen des anderen. Zu dieser Vorstellung gehört ferner die Ansicht, daß der Schutz gegen die aggressiven Methoden, die eine Seite gegen die andere anwendet, nur in noch aggressiveren Gegenmaßnahmen gefunden werden kann.
Die Christliche Wissenschaft enthüllt, daß die chronische Unzufriedenheit, die jeder in bezug auf sein eigenes Los empfindet, unnötig, da völlig unwirklich, ist; die Wissenschaft erschließt uns die wahre Auffassung von Kapital sowohl wie Arbeit, ihren Beziehungen zueinander und die Gewißheit eines reichen Gewinns für beide, indem sie sich gegenseitig helfen.
Die Christliche Wissenschaft macht es klar, daß alles Gute von Gott stammt und daher geistig ist; daß aggressive materielle Methoden niemals erforderlich sind, um unseren gerechten Anteil am Guten sicherzustellen, noch uns hindern können, in vollem Maße daran teilzuhaben; daß der Mensch, das Bild und Gleichnis Gottes, durch seine Anwendung der widergespiegelten Intelligenz arbeitet und belohnt wird, ob seine Arbeit nun vom sterblichen Gemüt als intellektuelle Leistung oder physische Arbeit klassifiziert wird.
Hieraus ergibt sich, daß unser wahres Kapital unsere Intelligenz ist, unsere Widerspiegelung der uranfänglichen Eigenschaft des allwirkenden Gemüts oder der göttlichen Liebe. Wir investieren dieses Kapital dadurch, daß wir es tatsächlich jedem und allen gegenüber zum Ausdruck bringen. Es kann nicht brachliegen, denn es erfordert, daß wir es investieren, und so lange, wie wir dies tun, werden wir uns der reichen Früchte und Befriedigung erfreuen, die mit seiner Nutzanwendung verbunden sind. Mit dieser Investition sind keine Risiken verbunden, und sie kann auch unmöglich verlorengehen.
Und was ist wahre Arbeit? Sie besteht darin, die Eigenschaften Gottes widerzuspiegeln. Dieser Tätigkeit wird durch das Gesetz Gottes, unter dem sie vor sich geht, volle Freiheit und ein unendlicher Wirkungskreis verliehen; dieses Gesetz bestimmt auch, daß geistige Widerspiegelung das dauernde und einzige Mittel für den Menschen darstellt, etwas zu vollbringen. Intelligenz ist daher auch unser Produktionsmittel; sie kann nicht im Besitz einzelner noch kollektiv im Besitz des Staates sein, aber sie kann von allen widergespiegelt — nutzbar gemacht — werden. Gottes Gesetz stellt den vollen Gewinn für ihre Nutzbarmachung sicher, und zwar ohne Ungewißheit, ohne Aufhören, ohne Reibung oder Verzug.
Es ist daher offensichtlich, daß Kapital und Arbeit in ihrer wahren oder geistigen Bedeutung ineinander übergehen — im Ursprung, in der Funktion, im Wirkungskreis und in den Segnungen, die sie bringen. Jede Gruppe könnte ohne die andere lediglich als eine unerfüllte Verheißung existieren, nicht aber als die praktische Wirklichkeit des Guten. Keine Gruppe kann die andere ausschließen, ihren Beitrag von der Gesamtheit der Bemühungen und Leistungen zurückziehen oder sich in die rechtmäßigen Interessen der anderen einmischen, ohne sich derselben Rechte und Segnungen zu berauben. Beide existieren und funktionieren vermöge des Christus, der Wahrheit, unter seiner unparteiischen Gerechtigkeit und ausschließlichen Rechtsprechung.
Kapital und Arbeit stehen in Wahrheit nicht im Wettstreit um die Gewinne, sondern haben gleichen Anteil daran, denn die Gewinne des Geistes sind geistiger Art, unendlich und für alle von Gott sichergestellt. Sie müssen zuerst geistig erkannt werden, ehe sie in unserer Erfahrung sichtbare Formen annehmen können. Ob diese Erkenntnis nun einen Tag oder eine Stunde in Anspruch nimmt, hat mit dem Erscheinen der vollen Belohnung selbst wenig zu tun, denn geistige Erkenntnis und Kundwerdung sind nicht an Zeit gebunden.
Und kann nicht gerade in diesem Lichte Christi Jesu Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg verstanden werden? (Siehe Matth. 20.) Diese Geschichte hat vielen zu denken gegeben, denn vom rein materiellen Standpunkt aus erscheint es kaum gerecht, für die Arbeit eines ganzen Tages nicht mehr zu zahlen als für die Arbeit einer einzigen Stunde. Der biblische Bericht erklärt eindeutig, daß der Besitzer des Weinbergs sich nicht durch irgendein Zeitmaß, sondern von seiner Großzügigkeit leiten ließ, als er denen, die er erst eine Stunde vor Tagesende gedingt hatte, einen vollen Tageslohn auszahlte. Doch mag uns das Gleichnis nicht auch lehren, daß ein völliges Sich-Hinwenden zu Gott, ungeachtet eines damit verbundenen Zeitablaufs, zu einer prompten und zufriedenstellenden Demonstration von der göttlichen Substanz führen kann, so daß diese sich in Form eines völlig angemessenen Lohnes zeigt?
Ob wir nun einen Tag oder nur eine Stunde arbeiten, der Lohn wird uns dadurch zuteil, daß wir unser Kapital an widergespiegelter Intelligenz und Liebe vertrauensvoll, freigebig und auf Gebet gestützt investieren. Solch geistiges Handeln stellt unser frohes Eingehen auf die Aufforderung des Christus, der Wahrheit, dar und kann nicht unbelohnt bleiben.
Wenn wir bei unserer Arbeit jedoch nur auf materiellen Gewinn bedacht sind, ohne nach geistigen Segnungen zu verlangen, die von Gott kommen, und ohne die geistige Wertschätzung für das, was wir tun, dann beschwören wir Enttäuschung und Unzufriedenheit herauf. Christus Jesus erkannte diesen materialistischen Beweggrund im Volk, als er ihm sagte (Joh. 6:26, 27): „Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Ihr suchet mich nicht darum, daß ihr Zeichen gesehen habt, sondern daß ihr von dem Brot gegessen habt und seid satt geworden. Wirket Speise, nicht, die vergänglich ist, sondern die da bleibt in das ewige Leben, welche euch des Menschen Sohn geben wird.“
Diese Ermahnung des Meisters gilt ebenso nachdrücklich für die, deren Vorstellung von Kapital, Investition und Arbeit völlig materiell ist, die da glauben, das Geld sei eine Substanz, die ohne die Investition oder Widerspiegelung der Liebe und Intelligenz vermehrt werden könnte, und sie gilt auch für diejenigen, die mit ihrer Investition geizen, weil sie die geistige, unerschöpfliche Natur des wahren Kapitals nicht verstehen.
Für solche hat die Ermahnung Mrs. Eddys eine besondere Bedeutung (Vermischte Schriften, S. 342 ): „Suchet die Wahrheit und folgt ihr nach. Sie sollte euch teuer sein. Ihr seid willig, für Irrtum zu zahlen, und erhaltet nichts dafür; wenn ihr aber den Preis für die Wahrheit zahlt, werdet ihr alles empfangen., Die Kinder dieser Welt sind klüger als die Kinder des Lichtes in ihrem Geschlecht.‘ Sie beobachten den Markt, machen sich vertraut mit den Gepflogenheiten an der Börse und sind für die nächste Schwankung vorbereitet. Wieviel mehr sollten wir getreu sein über den wenigen Dingen des Geistes, die uns weise machen können zur Seligkeit!“
Unsere Treue zum Christus, verbunden mit der Liebe und der wahren Intelligenz, die sich durch sie entfalten, ist unser wahres Kapital; die tatsächliche Anwendung dieses vergeistigten Bewußtseins auf die Probleme des menschlichen Lebens stellt sowohl unsere Investition wie auch unsere Arbeit dar — eine Arbeit, die niemals monoton ist, sondern inspirierend, niemals ermüdend, sondern erneuernd und stützend. Wenn wir getreulich den Lehren der Christlichen Wissenschaft entsprechend leben, dann werden Kapital, Arbeit, Investition und Gewinne in ihrer wahren Bedeutung als unauflöslich miteinander verbunden erscheinen, untrennbar von dem göttlichen Plan für den Menschen, der völlig dazu gerüstet ist, an Gottes unendlichen geistigen Reichtümern teilzuhaben.
