Die industrielle Struktur im freien Wirtschaftssystem kann mit einem dreibeinigen Stuhl verglichen werden. Die drei Beine — Aktionäre, Angestellte und das Geschäftsunternehmen selbst — müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen, und es muß eine rechte Beziehung zwischen ihnen vorhanden sein, wenn die Industrie wie der Stuhl einem nützlichen Zweck dienen soll. Der Geschäftsleitung fällt die Rolle zu, diese drei Faktoren in einer rechten Beziehung zueinander zu halten. Entscheidungen, die solche verschiedenartigen Interessen berühren, müssen in Begriffen der damit verbundenen moralischen und geistigen Werte ausgearbeitet werden.
Obgleich moralische und geistige Werte nicht miteinander identisch sind, zeigt doch die Christliche Wissenschaft [Christian Science], daß sie von Gott hergeleitet und voneinander untrennbar sind. Geistige Werte Vollkommenheit zum Beispiel sind absolut. Moralische Werte wie zum Beispiel Ehrlichkeit sind relativ. Die Wissenschaft weist auch auf die Tatsache hin, daß das Sittliche oder Moralische die Anwendung absoluter geistiger Werte auf relative menschliche Situationen darstellt. Bei dieser Anwendung üben geistige Werte dadurch einen bessernden Einfluß auf die menschliche Situation aus, daß Selbstsucht und Ungerechtigkeiten überwunden werden, bis alle Interessen mit dem göttlichen Prinzip, Gott, in Einklang gebracht worden sind. Dies wird in jener Bitte in dem Gebet des Herrn angedeutet, die lautet (Matth. 6:10): „Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.“
In der Industrie werden die Menschen durch die Begriffe „Geschäftsleitung“, „Arbeiterschaft" und „Aktionäre“ vereinigt, nicht aber getrennt. Jede Gruppe hat gewisse Verpflichtungen, nicht nur den anderen Gruppen gegenüber, sondern auch gegenüber dem Geschäftsunternehmen selbst. Jede Gruppe ist für den Erfolg des Unternehmens wesentlich. Und aus diesem Grunde sollten die Mitglieder jeder Gruppe, da sie zum Wachstum und zur Entwicklung des Geschäftsunternehmens beitragen, ihre ehrlichen Bemühungen beständig auf das richten, was zu ausgewogenen Beziehungen zwischen alle Gruppen führen wird.
Ob es nun als das, was es ist, erkannt wird oder nicht, dieses Verlangen, dieses innere Streben, ist eine Form des Gebets zu Gott, dem göttlichen Prinzip, dessen Wille oder Gesetz Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu ihrem gegenseitigen Nutzen zusammenführt. Die Wissenschaft des Christus vertritt die Ansicht, daß dieses Gesetz Gottes überall zum Ausdruck kommt, wo sich die Menschen gerechter Beziehungen untereinander erfreuen, selbst wenn das Gesetz an sich nicht völlig verstanden oder anerkannt wird. Ein Verständnis dieses Gesetzes und seine Anwendung bieten eine sichere Grundlage für ein Übereinkommen hinsichtlich aller Aspekte dieser einzigartigen Beziehung.
Der Arbeitskampf ist nicht in erster Linie das Aufeinanderprallen von Gruppen, die sich mit menschlicher Willenskraft auseinandersetzen. Er hat mit der Annahme zu tun, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegensätzliche und unvereinbare Interessen vertreten, für die durch Gewaltanwendung eine Lösung gefunden werden muß. Wo solch eine Auseinandersetzung stattfindet, ist es nicht ungewöhnlich, daß eine Seite die Fehler ihrer Gegenspieler aufbauscht und ihre eigenen Fehler als geringfügig darstellt. Mit einem sittlichen Verhalten hat dies jedoch nichts zu tun. Auch hat der Konflikt nicht unbedingt mit Personen zu tun; er hat mit dem zu tun, was recht ist, und dem, was unrecht ist, mit dem, was fair ist, und dem, was unfair ist, mit dem, was gerecht ist, und dem, was ungerecht ist.
Die Christliche Wissenschaft [Christian Science] weist darauf hin, daß es eine Lösung für jede Auseinandersetzung gibt; der Ausgangspunkt hierfür ist die Zustimmung zu der folgenden Tatsache: Weil das göttliche Prinzip allerhaben ist, gibt es eine richtige Verfahrensweise. Wie diese richtige Verfahrensweise aussieht, mag uns im Augenblick noch nicht klar sein; wenn wir aber von der Grundlage ausgehen, daß diese rechte Verfahrensweise besteht und daß durch ein rechtes Verlangen oder Gebet beiden Seiten gezeigt werden kann, was sie tun müssen, dann wird jede Seite in die Lage versetzt, die rechte Lösung für das Problem zu finden, ganz gleich wie kompliziert das Problem auch erscheinen mag oder wie lange es schon besteht.
Wir lesen in der Bibel (Hiob 32:8 Menge-Bibel): „Der Geist ist es in den Menschen und der Hauch des Allmächtigen, der ihnen Einsicht verleiht.“ Wo dieser „Geist in den Menschen“ im Interesse aller Beteiligten wirksam ist, wird die rechte Lösung für jedes Problem gefunden werden.
Mrs. Eddy schreibt in ihrem Buch “The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany” (Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, Seite 210): „Wer recht denkt, bleibt unter dem Schatten des Allmächtigen. Seine Gedanken können nur Frieden, Wohlwollen gegen die Menschen, Gesundheit und Heiligkeit widerspiegeln.“ „Wer recht denkt", ist derjenige, in dem der Geist der Wahrheit und Liebe wirksam ist. Er sucht eine verläßliche Richtschnur, um die Gedanken, die er denkt, bewerten zu können, sowie eine Methode, um seine Gedanken und Handlungen mit jener Richtschnur in Einklang zu bringen.
Wir werden scharfsichtiger in bezug auf das, war wir denken, wenn wir geistiger gesinnt werden. Das heißt, wir wählen uns jene Gedanken aus, die einen bleibenden Wert besitzen, und weisen die anderen zurück. Dies führt dazu, daß sich unser Leben mehr und mehr der Richtschnur der Gerechtigkeit und Unparteilichkeit angleicht. Je näher wir diesem Standard kommen, desto erfolgreicher und zufriedener sind wir.
Christus Jesus gibt uns eine nützliche Veranschaulichung in seinem Gleichnis von dem Unkraut und dem Weizen (siehe Matth. 13: 2430). Der Feind säte Unkraut zwischen den Weizen, während die Menschen schliefen. Wer war dieser Feind? Jesus bezog sich auf ihn an einer anderen Stelle als den Teufel, als einen Mörder, als einen selbsteingesetzten Lügner (siehe Joh. 8:44). Das Unkraut des Feindes muß herausgehalten oder vernichtet werden, wenn die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern fruchtbar und herzlich sein sollen.
Die Forderung Gottes, des göttlichen Prinzips, ruht sowohl auf den Arbeitgebern wie auf den Arbeitnehmern; jede Gruppe kann die Energien, die in unnötigen Auseinandersetzungen vergeudet werden, auf die produktivere Aufgabe richten, den Erfolg des Geschäftsunternehmens sicherzustellen und zu beweisen, daß es kein Gebiet der menschlichen Beziehungen gibt, in dem die Goldene Regel: „Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!“ (Matth. 7:12) nicht anwendbar ist.
