Der einzelne Anhänger der Christlichen Wissenschaft [Christian Science] braucht die Mitgliedschaft in einer Zweigkirche Christi, Wissenschafter, wenn er wachsen soll, geradeso wie diese Kirche ihn braucht, wenn sie wachsen soll. Er erkennt, daß aktive Teilnahme an der Kirchenarbeit wesentlich ist für sein Wachstum im geistigen Verständnis und in der Betätigung des Prinzips der göttlichen Metaphysik, das die göttliche Liebe ist. Der anhaltende Erfolg der Bewegung der Christlichen Wissenschaft bei ihrer Mission, die Menschheit zu heilen und zu erlösen, hängt von dem geistigen Wachstum der einzelnen Christlichen Wissenschafter, von ihren individuellen geistigen Errungenschaften ab.
Die Christliche Wissenschaft [Christian Science] lehrt, daß Erlösung individuell ist. Diese Wissenschaft ist im Bewußtsein der ganzen Menschheit am Werk. Sie erneuert den einzelnen, wenn er den Christus, die wahre Idee Gottes, annimmt und betätigt. Eine Zweigkirche ist eine Arbeitsstätte für gemeinsame Tätigkeit, in der jedes Mitglied unerläßliche Lektionen in bezug auf die Ausarbeitung seiner eigenen Erlösung lernt. Die Kirchenmitgliedschaft gibt dem Christlichen Wissenschafter reichlich Gelegenheit zu lernen, wie er das Böse als unpersönlich beweisen und mit anderen harmonisch zusammenarbeiten kann.
Im Glossarium von „Wissenschaft und Gesundheit“ gibt uns Mrs. Eddy die von allen Christlichen Wissenschaftern geliebte Definition von Kirche. Der erste Abschnitt bietet die absolute — geistige — Natur der Kirche dar. Er lautet (S. 583): „Der Bau der Wahrheit und Liebe; alles, was auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht.“ Diese absolute oder geistige Definition stellt nicht einen abstrakten oder theoretischen Begriff dar. Sie ist eine der mächtigsten, zutiefst erneuernden und heilenden Wahrheiten, die jemals der Welt dargeboten wurden.
Der zweite Abschnitt der Definition sagt uns: „Die Kirche ist diejenige Einrichtung, die den Beweis ihrer Nützlichkeit erbringt und die das Menschengeschlecht hebt, das schlafende Verständnis aus materiellen Annahmen zum Erfassen geistiger Ideen und zur Demonstration der göttlichen Wissenschaft erweckt und dadurch Teufel oder Irrtum austreibt und die Kranken heilt.“
Wenn die geistige Idee Kirche im individuellen menschlichen Bewußtsein wirksam wird, fühlt sich der einzelne angespornt, an der menschlichen Einrichtung mitzuarbeiten. Es ist daher notwendig, eine richtige Auffassung von der wissenschaftlichen Beziehung zwischen dem rein geistigen Begriff von der einen Kirche und ihrer kollektiven menschlichen Offenbarwerdung zu gewinnen. Wir können das vielleicht so zusammenfassen: die göttliche Idee Kirche ist geistig, individuell, unendlich; die Kirche als eine menschliche Einrichtung ist eine kollektive Tätigkeit, in der die einzelnen Kirchenmitglieder die geistige Idee Kirche in ihren menschlichen Angelegenheiten demonstrieren. Die rein geistige oder die göttliche Idee von Kirche erscheint im Bewußtsein des einzelnen, aber wenn diese Idee menschlich ausgedrückt wird, wird sie außerdem zu einer Tätigkeit der Gemeinschaft.
Die Mutterkirche mit ihren Zweigen veranschaulicht das Zusammentreffen des Menschlichen und des Göttlichen. Bei diesem Zusammentreffen wird die Göttlichkeit der geistigen Idee Kirche erkannt, wie sie die Menschlichkeit der Einrichtung oder Organisation umfängt. Über die Beziehung des Menschlichen zum Göttlichen sagt unsere Führerin (ebd., S. 561): „Johannes sah das Zusammentreffen des Menschlichen und Göttlichen, wie es sich im Menschen Jesus zeigte, als die Göttlichkeit, die die Menschlichkeit im Leben und dessen Demonstration umfaßt und die der menschlichen Wahrnehmung und dem menschlichen Verständnis das Leben erschileßt, das Gott ist.“ Nicht die Menschlichkeit umfaßt die Göttlichkeit; die Göttlichkeit umfaßt die Menschlichkeit.
Das Endliche kann das Unendliche nicht erfassen. „Das Endliche muß dem Unendlichen weichen“ (ebd., S. 256). Das Menschliche muß dem Göttlichen weichen. Wenn das Menschliche darum kämpft, das Göttliche zu umfassen, anstatt ihm zu weichen, dann wird die wissenschaftliche Demonstration aufgehalten, bis das Menschliche durch Fehlschläge gezwungen wird, seine Unzulänglichkeit zuzugeben. Vielleicht erklärt dies viele unserer ungelösten Probleme. Wenn das Menschliche dem Göttlichen weicht, erfolgt die Demonstration von Gottes Einheit und Allheit, und die Probleme sind gelöst.
Daß ein starkes Band der Einheit in einer Zweigkirche Christi, Wissenschafter, notwendig ist, bedeutet nicht, daß der einzelne in der Gruppe untertauchen soll, sondern vielmehr, daß die Christusgemäßheit der einzelnen Mitglieder die geistige Einheit der Kirche ausmacht. Im fünften Kapitel des Epheserbriefes legte Paulus die Beziehung zwischen dem Christus und der Kirche dar. Er schrieb: „Christus ist das Haupt der Kirche“ (n. der engl. Bibel). Da eine Zweigkirche eine freiwillige Vereinigung von individuellen Menschen ist, muß jedes Element persönlichen Zwanges oder Herrschenwollens, das von einzelnen innerhalb der Gruppe in dem wohlgemeinten Versuch, sie zu stärken, ausgeübt wird, die Kirche in Wirklichkeit schwächen. Ein solcher Versuch des menschlichen Willens führt dazu, die individuelle Inspiration abzustumpfen; das Licht des heilenden Christus wird im gleichen Maße verdunkelt; es wird weniger sichtbar, daß „Christus das Haupt der Kirche ist“.
Erfahrene Kirchenarbeiter wissen, daß beständige Wachsamkeit vonnöten ist, damit nicht einer falschen Auffassung von Zwang oder einem persönlichen Sinn von Autorität und Verantwortung gestattet werde, ihre Inspiration zu verdunkeln oder ihr Denken zu verwirren. Das erstarkende geistige Wachstum des einzelnen Mitglieds bringt eine wachsende Stärke innerhalb der Gruppe hervor. In Wirklichkeit bedeutet dies die Entfaltung der unendlichen geistigen Idee Kirche im Bewußtsein des einzelnen, denn jedes wahre geistige Wachstum ist individuell.
Ein richtiges Verständnis von Freiheit ist oft das Element, das am meisten vonnöten ist, um in einer Kirche ein kräftiges, gesundes Wachstum hervorzubringen. Wahre Freiheit ist die Grundlage für wahre Freude. Paulus sagte (2. Kor. 3:17): „Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ Freiheit, ein Attribut des Geistes, kommt im menschlichen Leben in einer Befreiung von Beschränkungen zum Ausdruck, die die spontane schöpferische Energie des einzelnen als einer Widerspiegelung des Geistes zu hemmen suchen. Diese Freiheit — dieses Freisetzen von schöpferischer Energie — wird in immer steigendem Maße erlebt, wenn sich der einzelne in seiner gesamten Kirchenarbeit von Gott regieren läßt.
Der unschätzbare Geist der Freiheit des einzelnen, sich an Gott um Führung zu wenden, der in unseren Kirchen gehegt und gepflegt wird, läßt den heilenden Christus, den Geist der Wahrheit und Liebe, in unseren Gottesdiensten spürbar werden. Auf diese Weise ziehen unsere Gottesdienste die empfänglichen hungernden Herzen an. Wenn wir den Christus in unseren Herzen erhöhen wollen, müssen wir einen fortwährenden Kampf mit unserer persönlichen Auffassung vom Selbst führen. Wenn unser Begriff von Kirche durch den persönlichen Sinn befleckt ist, scheint dieser Kampf eine schwere Prüfung zu sein. Wenn wir jedoch die Kirche erkennen als „alles, was auf dem göttlichen Prinzip beruht und von ihm ausgeht“, dann ist der Kampf immer eine Freude.
Gelegentlich hört man, daß sich jemand von der Kirche zurückziehen möchte, da er glaubt, auf diese Weise mehr Fortschritt zu erzielen. Das ist ein bedauerlicher Fehler. In unserer Kirchenarbeit gleichen wir einem Haufen Steine, die aneinander gerieben werden, damit die scharfen Kanten abgeschliffen werden. Wenn wir dieses Verfahren nicht aushalten können, ziehen wir uns zurück — und behalten die scharfen Kanten. Kirchenarbeit, die im Geiste einer selbstlosen Liebe getreulich getan wird, befähigt uns, unsere eigenen begrenzenden Idiosynkrasien aufzudecken und uns in fortschreitendem Maße von ihnen zu befreien.
Unsere Führerin hat im Handbuch Der Mutterkirche Vorkehrungen für die demokratische Verwaltung jeder Zweigkirche getroffen (siehe Art. XXIII Abschn. 10). Diese Verwaltung ermöglicht es, daß Menschen, aus allen Lebensgebieten kommend und auf verschiedenen Stufen der geistigen Entwicklung stehend, harmonisch zusammenarbeiten und ein kräftiges, individuelles geistiges Wachstum im Rahmen der Kirchenorganisation erleben können.
Da jedes Mitglied einer Zweigkirche dafür betet, von Wahrheit und Liebe regiert zu werden, und darauf vertraut, daß jedes andere Mitglied genauso regiert wird, wird ein Geist individueller Freiheit herrschen. Jeder hat unbegrenzte Gelegenheit, sich vorbehaltlos an Gott, das eine göttliche Gemüt, zu wenden. Oft kommt das Erwachen zur Bedeutung der Demokratie in einer Zweigkirche erst, wenn die Mitglieder aus vergeblichen Erfahrungen gelernt haben, daß das Vertrauen des einzelnen auf Gott der einzige Weg ist, durch den eine Kirche wirklich wachsen kann. Während diese Lektion gelernt wird, muß der fortgeschrittene Arbeiter sich beständig bewußt bleiben, daß Gott, das göttliche Prinzip, Alles ist und alles regiert.
Das erfahrene Mitglied weiß, daß es wachsam sein muß, um sich zu vergegenwärtigen, daß die Kirche eine unbergenzte Macht zum Guten ist, die weder entstellt noch umgekehrt werden kann. Es weiß, daß die menschliche Einrichtung, die in der Göttlichkeit der individuellen wissenschaftlichen Demonstration einbegriffen ist, niemals zum Mittel werden kann, durch das Christliche Wissenschafter dazu gebracht werden könnten, sich gegenseitig in Gedanken oder in der Tat zu schaden. Der einzige Begriff von Kirche, den es in seinem Bewußtsein duldet, ist derjenige, den unsere Führerin in der Definition von Kirche dargelegt hat. Es entdeckt sofort alle Einflüsterungen des Bösen, die diese Definition umkehren wollen, und weist sie standhaft als falsch zurück.
Das treue Mitglied liebt die menschliche Einrichtung, Die Mutterkirche und ihre Zweige genannt, von ganzem Herzen. Es fühlt sich geliebt und sicher, wenn es im Rahmen der im Kirchenhandbuch vorgesehenen Regeln für die Verwaltung der Kirche arbeitet, und freudig erkennt es diese Tatsache an und bejaht sie. Der Geist der Christusgemäßheit keimt in seinem Bewußtsein auf und strömt von ihm zu seiner Zweigkirche, stärkt sie und bringt sie zum Wachsen. Dieses Mitglied bringt Heilung in seine Zweigkirche; die Zweigkirche bringt Heilung dem Gemeinwesen; alle Zweige Der Mutterkirche zusammen bringen Heilung den Völkern, indem sie die göttliche Umarmung der Mutterschaft des Prinzips für die ganze Menschheit demonstrieren.
 
    
