Wenn sich ein Christlicher Wissenschafter vor eine Krankheit gestellt sieht, die seinen eigenen Bemühungen oder denen eines Ausübers nicht gewichen ist, sollte er sich dann entmutigen lassen, so daß die Gemeinschaft mit Gott im Gebet für ihn immer schwieriger wird? Nein! Er sollte in diesem Augenblick vielmehr klar erkennen, daß ein sehr wichtiger Bestandteil der Heilarbeit in der Christlichen Wissenschaft [Christian Science] die geistige Wiedergeburt ist. Dies war auch der Punkt, den Christus Jesus in seiner Unterhaltung mit Nikodemus betonte, als dieser Oberste der Juden erklärte (Joh. 3:2): „Meister, wir wissen, daß du bist ein Lehrer von Gott gekommen; denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.“
Jesus erwiderte: „Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen.“
Als Nikodemus fragte, wie jemand von neuem geboren werden könnte, wenn er alt wäre, antwortete Jesus: „Es sei denn, daß jemand geboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“
Aus Wasser geboren zu werden hat mit der Reinigung zu tun, während aus dem Geist geboren zu werden mit der Vergeistigung des Denkens zu tun hat. Beides ist notwendig, damit wir uns der Herrschaft der Ordnung und Harmonie, dem Reich Gottes, ergeben können.
Die Christliche Wissenschaft [Christian Science] legt großen Nachdruck auf die Läuterung als eine tatsächliche Reinigung vom Materialismus in allen seinen Phasen. Mrs. Eddy erklärt in ihrem Buch „Vermischte Schriften“ (S. 18): „Die Läuterung oder wiederholte Taufe durch Geist entfaltet Schritt für Schritt das Urbild des vollkommenen Menschen und löscht das Zeichen des Tieres aus.“
Auf der vorhergehenden Seite schreibt Mrs. Eddy: „Diese geistige Geburt eröffnet dem entzückten Verständnis eine höhere und heiligere Wahrnehmung von der Allerhabenheit des Geistes und vom Menschen als Seinem Ebenbild, wodurch der Mensch die göttliche Kraft widerspiegelt, die Kranken zu heilen.“
Hier mag sich der Leser fragen, was dies mit jemandem zu tun hat, der danach ringt, von einer Beschwerde geheilt zu werden, die nicht zu weichen scheint. Es hat gerade für einen solchen Menschen eine besondere Bedeutung. In dem Maße, wie ihm daran liegt, „aus Wasser und Geist“ geboren zu werden, stellt er fest, daß ihm Inspiration und Erleuchtung von Gott zuteil werden. Und dies ist es, was er braucht, um der Trägheit des sterblichen Denkens zu begegnen und sie zu überwinden, jene Trägheit, die ihn unter der Knechtschaft von Schmerz und Leiden zu halten scheint.
Wenn wir danach ringen, von dem geheilt zu werden, was eine ernste körperliche Beschwerde zu sein scheint, mag sich unser Denken allmählich so ausschließlich auf einen unharmonischen physischen Körper gerichtet haben, daß alles, dessen wir im Augenblick fähig zu sein scheinen, eine Wiederholung von Wahrheitserklärungen oder ein flehentlicher Ruf nach Erleichterung ist.
Solch ein Gedankenzustand wird in mesmerischer Weise dazu gebracht, alles zu akzeptieren, was der materielle Sinn hinsichtlich der Situation einflüstert. Das getrübte Denken, das so für die Suggestionen des sterblichen Gemüts empfänglich gemacht worden ist, ist weniger empfänglich für den Geist der Wahrheit, der uns befähigt, von göttlichen Ideen Besitz zu ergreifen, die läutern, stärken, neu beleben und heilen.
Wenn wir uns nach der inneren Umwandlung — nach der geistigen Wiedergeburt — sehnen und dieses Verlangen größer ist als der Wunsch nach Heilung, so können wir gewiß sein, daß wir beides erlangen werden; wenn wir aber unser Denken allein auf die Heilung konzentrieren, so bewirkt das oft eine Verzögerung in der Heilung.
Wenn wir neu geboren werden aus dem Geist, tritt eine neue und herrliche Selbstheit in Erscheinung, in der jede Gabe, Fähigkeit und Eigenschaft von unserem himmlischen Vater hergeleitet wird und unter Seinem Schutz steht. Dies ist der Mensch, der wir wirklich sind und während der ganzen Zeit gewesen sind, und zwar trotz allem, was der materielle Sinn fälschlicherweise von uns bezeugt hat. Der fleischliche Begriff von uns selbst, der leidet und vielleicht versucht ist aufzugeben, ist lediglich ein falscher Begriff von unserer wahren Selbstheit.
Der neue Mensch, der in dieser geistigen Wiedergeburt erscheint, ist die Selbstheit, in der unsere wahre göttliche Natur ans Licht gebracht wird. Dies ist nicht eine andere Selbstheit, denn obwohl es zwei Selbstheiten zu geben scheint, eine materielle und eine geistige, gibt es in Wirklichkeit nur eine, denn die materielle ist unwirklich. Wir mögen uns nicht darüber im klaren sein, aber womit wir uns im Grunde beschäftigen sind Begriffe. In dem Verhältnis, wie wir den wahren Begriff von uns selbst als Kinder Gottes annehmen und den falschen Begriff, der besagt, wir seien Sterbliche, eregisch zurückweisen, wird die Illusion von einer materiellen Selbstheit aufgelöst.
Hier ist ein Punkt, der insbesondere dann in Betracht gezogen werden muß, wenn sich eine Heilung zu verzögern scheint: Wollen wir wirklich der neue Mensch sein, den die Wissenschaft hervorbringt, oder liegt uns lediglich daran, daß sich der alte Begriff von uns selbst ein wenig wohler in der Materie fühle? Wollen wir an der fleischlichen Auffassung von uns selbst festhalten und diese Auffassung auf irgendeine Weise von der Krankheit befreit haben? Dies mag das sein, was der materielle Sinn einflüstert, aber es ist nicht das, was die Wissenschaft fordert.
Gesundheit ist geistig. Sie ist eine immergegenwärtige, unzerstörbare Eigenschaft vom wirklichen Sein des Menschen. Der Mensch ist geistig. Er ist es immer gewesen. Dies ist der Mensch, der der scheinbar leidende wirklich ist. Wenn wir „neu geboren“ werden, das heißt „aus Wasser und Geist“, werden wir uns des Menschen bewußt, der wir stets gewesen sind, und wir hören auf zu glauben, daß wir der Sterbliche seien, der wir niemals waren.
Mrs. Eddy erklärt in ihrem Buch „Vermischte Schriften“ (S. 17): „Mit der geistigen Geburt dämmert, durch die Wehen des sterblichen Gemüts, durch enttäuschte Hoffnungen, vergängliche Freuden und sich mehrende Schmerzen der Sinne, das urtümliche, sündenlose, geistige Dasein des Menschen im Gedanken auf; er büßt sein materielles Selbst ein und gewinnt eine klarere Anschauung vom Geist und vom geistigen Menschen.“