Der echte Fortschritt eines einzelnen oder eines Volkes wird an geistigen Idealen gemessen, nicht an materiellen Errungenschaften. Ein reifender Begriff von Schöpfer und Schöpfung belohnt das Forschen nach einem tieferen Sinn des Daseins als ihn das flüchtige sterbliche Leben und die flüchtigen sterblichen Ziele zu bieten vermögen. Ein rechter Begriff von Gott bringt Fortschritt mit sich und führt aus Begrenzungen, aus dem Bösen und der Verzweiflung heraus.
Die Christliche Wissenschaft [Christian ScienceSprich: kr'istjən s'aiəns.] zeigt, daß die menschliche Erfahrung ein subjektiver Zustand ist, der beständig das Gemüt widerspiegelt, das ihn hervorbringt, und daß wir um so mehr Herrschaft über unsere Erfahrung haben, je näher wir der Wahrheit über Gott kommen. Und gleichzeitig bekommt unser Leben einen tieferen geistigen Sinn. Mary Baker Eddy sagt in ihrer Predigt „Die allgemeine Anschauung der Menschen von Gott“ (S. 6): „Zeiten und Völker werden durch ihre höchsten oder niedrigsten Ideale gekennzeichnet, durch ihren Gott und ihren Teufel.“
Die langwierige Entwicklung von der primitiven Unwissenheit über die Gottheit zu dem Verständnis der in der Bibel offenbarten Tatsache, daß Gott Liebe ist, muß fortdauern, bis diese große Wahrheit, die in dem Leben und in den Werken Christi Jesu so anschaulich dargestellt wurde, von allen Menschen angenommen und von ihnen bewiesen wird. Jesus erklärte nicht nur den höchsten Begriff — die tatsächliche Wahrheit — von Gott, sondern er arbeitete ihn auch auf praktische Art und Weise aus. Er vertrat keine seichte Lehre ohne Werke. Er war hier, um der Menschheit zu zeigen, daß Gott ein unendlich liebevoller Vater ist, der Gesetzgeber, der Gehorsam fordert, der gerechte und barmherzige Geist, der Sünde und ihre Strafen vergibt, indem er beide aus dem Denken auslöscht. In Jesu Mission war das Heilen als ein grundlegender Beweis des wahren Gottesbegriffs, den er lehrte, eingeschlossen.
Doch das erhabene Beispiel des Erlösers, der uns zeigte, was eine ausgereifte Gotteserkenntnis für die Menschheit tun kann, ist selbst von den Christen, die sich als seine getreuen Nachfolger angesehen haben, nur wenig verstanden worden.
Viele Menschen haben ein Leben von hoher Moral geführt und einen wohltuenden Einfluß auf die Welt ausgeübt. Doch ihrem Begriff von Gottesverehrung fehlte es an Tiefe, weil sie einen unreifen Begriff von Gott und Seinem Menschen hatten und unwissend waren über die trügerischen Machenschaften des Bösen. Sie sind nicht sehr weit fortgeschritten in der Demonstration der geistigen Herrschaft über Sünde, Krankheit und Tod, weil sie glaubten, das Böse sei wirklich und mächtig. Sie glaubten, die Materie sei Substanz, und das trotz der offensichtlich flüchtigen und gottlosen Natur der Materie. Ihr Leben hat sie nicht sehr weit in die geistige Wirklichkeit hineingetragen, weil ihr Begriff von Gott oberflächlich war.
Diese oft unbefriedigten Christen haben im wesentlichen nicht verstanden, was Jesus meinte, als er sagte: „Das Fleisch ist nichts nütze“ (Joh. 6:63), und vom Teufel: „Die Wahrheit ist nicht in ihm“ (Joh. 8:44). Viele haben geglaubt, daß Jesus in der Himmelfahrt in die Luft zu einem höheren Bereich erhoben wurde; die Christliche Wissenschaft [Christian Science] dagegen zeigt, daß er sich mental zu einem geistigen Bewußtseinszustand erhob, den die groben materiellen Sinne nicht wahrnehmen konnten. In allem, was er vollbrachte, demonstrierte Jesus sein wirkliches Selbst, den Christus, der die Vollkommenheit des Menschen als Gottes Ebenbild offenbart. Er schritt über die seichte, materielle Auffassung vom Leben hinaus in die tiefere geistige Erkenntnis vom unsterblichen Leben des Menschen im Geist.
Mrs. Eddy sagt in ihrem Buch „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 181): „Fortschritt ist geistig. Fortschritt ist der reifende Begriff von der göttlichen Liebe; er demonstriert das wissenschaftliche, sündlose Leben des Menschen und das schmerzlose Weitergehen des Sterblichen von der Materie zum Geist, doch nicht durch den Tod, sondern durch die wahre Idee des Lebens — des Lebens nicht in der Materie, sondern im Gemüt.“
Der Christliche Wissenschafter weiß, daß er Gott als die Liebe in dem Maße anbetet, wie er selbst liebt. Und er liebt wahrhaft oder wissenschaftlich, wenn er die Reinheit bekundet, die des Menschen Vollkommenheit im Gemüt erkennt. Diese Art der Liebe kümmert sich nicht nur um das persönliche Wohlergehen des Nächsten, sondern sie heilt ihn auch von seinen Irrtümern und seinen Krankheiten, weil sie seinen geistigen Sinn wiederherstellt. Diese Art der Liebe geht in die Tiefe. Sie gehorcht dem „neuen Gebot“ unseres Meisters, zu lieben, wie er liebte (Joh. 13:34).
Das innige Verlangen zu wissen, was Gott ist, wie Er in die Angelegenheiten der Menschheit Eingang findet, wie Er das Universum regiert und wie Er den Sinn vom Bösen zerstört, ist schon an sich ein tiefes Gebet. Es bewirkt einen Gottesbegriff, der sich zu größerer Reife erhebt, denn wahres Verlangen wird erfüllt. Solch ein Verlangen hat oft dazu geführt, daß jemand die Christliche Wissenschaft [Christian Science] gefunden hat, die alle Fragen über Gott und den Menschen beantwortet. Die Tatsache, daß sie durch ihre Theologie eine große Anzahl von Menschen geheilt hat, hat sie für alle kommenden Zeiten als eine gültige Offenbarung begründet.
Ein reifender Begriff von Gott als Liebe gibt der Anbetung sowohl einen weiteren Gesichtskreis als auch Tiefe. Wir erleben dieses Heranreifen als eine zunehmende Erkenntnis von der Allheit Gottes, von Seiner Allgegenwart, Seiner Einheit, Seiner unendlichen Güte, Seiner Macht, Seinem Getrenntsein vom Bösen und der Materialität und doch Seiner Nähe und Erreichbarkeit. Wir mögen uns danach sehnen, bei unserer Anbetung des Vaters in die Tiefe zu gehen, aber wir werden diese Tiefe erst dann finden, wenn wir unseren Glauben an das Böse, an das Zeitliche und Endliche, an das Materielle und Körperliche, die kein Element der Ewigkeit besitzen, aufgegeben haben.
Mit einem reifenden Gottesbegriff erlangen wir Frieden und die Fähigkeit, die Herrschaft der Liebe über unseren Körper und unsere Umgebung zu beweisen. Wir können kein größeres Ziel haben als die Entschlossenheit, Gott so zu erkennen, wie Er in der göttlichen Wissenschaft ist. Unser Ideal von Gott wird unsere Erkenntnis von allem bestimmen, was wirklich und wahr ist.
 
    
