Eine berühmte Karikatur in der englischen Zeitschrift Punch zeigte einen Jungen, der hinter seiner kleinen Schwester herrief: „Komm her, ich brauche dich!“ Das kleine Mädchen antwortet: „Ich brauche mich selbst!“
Menschen, die moralische und geistige Werte zu schätzen wissen, geben gute Kollegen und gute Spielkameraden ab. Sie drücken leicht Eigenschaften aus, die die Menschheit veranlassen, ihnen zuzurufen: „Kommt her, wir brauchen euch!“ Aber allzuoft möchte die Welt solche Menschen unter Bedingungen haben, die, wenn die Betreffenden diesen nachkämen, ihre Erkenntnis, daß die Selbstheit geistig ist — die Hauptursache für ihre anziehenden Eigenschaften —, untergraben würden. Um ihrer selbst und der Welt willen tun diese Menschen dann am besten zu antworten: „Aber ich brauche mich selbst!“
Es ist für jeden von uns wichtig, zu verstehen, welch einen großen Schatz die geistige Selbstheit, die geistige Individualität und Identität darstellt, die wir — wie uns die Christliche Wissenschaft [Christian Science
Sprich: kr'istjən s'aiəns.] lehrt — alle besitzen, und zu lernen, wie wir diesen Schatz angesichts der gegenwärtigen, ihm geltenden Herausforderungen am besten verteidigen und pflegen können.
Hier drängen sich nun drei Fragen auf: Welcher Art ist denn genau genommen der Druck, der zur Zeit auf die Individualität ausgeübt wird? Warum ist dieser Druck heute so akut? Wie können wir ihm am besten begegnen?
Welcher Art ist er? Der Druck, der darauf hinzielt, zu vereinheitlichen und die Individualität zu untergraben, trägt viele Masken. In den letzten Jahren sind in Büchern und Zeitschriften eingehende Berichte darüber erschienen, wie einige große Geschäftsunternehmungen danach streben, ihre Angestellten bis in jede Einzelheit ihres Lebens so zu formen, daß sie dem Gesamtbild des Unternehmens entsprechen. Einige in großem Umfange propagierte Gedankensysteme behaupten, daß, während Gott ewig ist und sich im Menschen kundtut, Seine individuellen Offenbarwerdungen nur flüchtige Seifenblasen ohne fortdauernde Identität seien.
Folgendes sind nun einige der Masken: gewinnsüchtige Geschäftspraktiken, unduldsame Ideologien der extremen Linken oder Rechten, religiöse oder philosophische Lehren, die eine fortdauernde Individualität außer acht lassen, aggressive physiologische und psychologische Einstellungen, die einem rein materialistischen Automatismus verbunden sind, statistischer Zwang, der sich auf ein umfangreiches Zahlenmaterial gründet, oder die Forderung nach einer bloßen sozialen Anpassung, Gemeinsamkeit um jeden Preis, die Erwartung, daß jeder genau dasselbe tun wird wie sein Nachbar oder sein Geschäftskollege oder sein Mitstudent.
Durch die Christliche Wissenschaft [Christian Science] vermögen wir diese Masken zu erkennen, ohne uns jedoch zu dem Glauben verleiten zu lassen, daß irgendeine dieser Masken die tatsächliche Ursache des Druckes sei. Wir werden auch nicht glauben, daß Personen, einzeln oder in Gruppen, die tatsächlichen Urheber des Druckes seien. Das lateinische Wort persona bedeutet Maske. Der persönliche Vermittler dieses Druckes ist selbst dessen Opfer, wird als eine der Masken benutzt und hat selbst Befreiung nötig.
Nur wenn der Druck, der auf Vereinheitlichung ausgeht und zu erreichen sucht, daß wir unsere Identität aufgeben, jeder seiner Masken beraubt ist, wird er als das erkannt, was er ist: die unpersönliche, mesmerische Suggestion, daß der Mensch von dem einen Ich oder Ego, das Gott ist, getrennt werden könnte oder daß er je aufhören könnte, dieses Ego in unendlicher und ewiger Vielfalt kundzutun.
Und nun die zweite Frage: Warum ist der Druck heute so akut? Der Auslandsreisende hütet sorgfältig seinen Paß. Dieser Paß identifiziert den Inhaber gewöhnlich durch eine Fotografie und einige Angaben über körperliche Merkmale. Für die Welt gilt im allgemeinen der physische Körper als Identifikation, zuerst zur Ausstellung einer Geburtsurkunde, dann für eine Reihe von Jahren zur Ausstellung eines Passes oder ähnlicher Dokumente und schließlich für die Schlußeintragung in die über den einzelnen geführten Akten. Es wird somit von der Materie behauptet, daß sie die Identität zunächst festlegen und sie dann aufgeben könne — durch einen physischen Körper, der aus ein wenig Eisen, Zucker, Kalk, anderen geringen Bestandteilen und einem oder zwei Eimer Wasser besteht.
Wie anders ist doch das Zeugnis der Bibel in bezug auf Identität! Im Alten Testament erkannte Moses Gott als den Ich bin. Im Neuen Testament sagte Christus Jesus in seiner unfehlbaren Erkenntnis von Gott als seinem himmlischen Vater (Joh. 10:30): „Ich und der Vater sind eins.“ Jesus lehrte dies nicht nur. Soweit es innerhalb der menschlichen Laufbahn eines einzelnen möglich war, veranschaulichte er das göttliche Ego im täglichen Leben und zeigte, daß die wahre Selbstheit des Menschen geistig ist, nicht von der Materie umrissen oder durch materielle Bedingungen begrenzt.
Mit der unpersönlichen Christus-Wissenschaft die der Welt durch Mary Baker Eddy, die Entdeckerin und Gründerin der Christlichen Wissenschaft [Christian Science], geschenkt wurde, ist heute die volle und endgültige Offenbarung der Selbstheit zu uns gekommen. Durch die reine Wissenschaft wie auch durch christliches Leben ist Gott, Geist, als das eine unendliche Ego offenbart worden, das innerhalb Seiner göttlichen Unendlichkeit alle Individualität erschafft und aufrechterhält — klar und spezifisch, vollkommen und unzerstörbar.
In ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ schreibt Mrs. Eddy (S. 70): „Das göttliche Gemüt erhält alle Identitäten klar erkennbar und ewig, vom Grashalm an bis zum Stern.“ Und ferner (S. 513): „Geist vermannigfaltigt, klassifiziert und individualisiert alle Gedanken, die so ewig sind wie das Gemüt, das sie empfängt, aber die Intelligenz, das Dasein und die Fortdauer aller Individualität bleibt in Gott, der das göttlich schöpferische Prinzip derselben ist.“
Der akute Druck, der heute auf Vereinheitlichung hinzielt, ist der offensichtliche Widerstand der materiellen Trägheit gegenüber der gegenwärtigen Demonstration dieser vollen und endgültigen Offenbarung des göttlichen Egos, das der Mensch widerspiegelt.
Und nun zur letzten Frage: Wie können wir dem Druck am besten begegnen?
Es gibt ein Sprichwort:
Wer da kämpft und läuft davon,
muß noch einmal an den Kampf heran.
Der Verfasser hat eine abgeänderte Formulierung dieses Ausspruchs gehört, in der mehr Wahrheit liegt: „Wer da kämpft und läuft davon, erlebt, daß er nochmals läuft davon.“ Wer sich von dem aggressiven Druck, sich in irgendeinem Punkt anzugleichen, herumschieben oder zerren läßt, wird sehr wahrscheinlich feststellen, daß er dies mehr und mehr und in allen Einzelheiten erleben wird.
Lernen, allein zu stehen, ist die beste Vorbereitung für wahre, konstruktive Gemeinsamkeit. In einem kürzlich erschienenen Buch „Plain Talk from a Campus“ (Offene Worte von einer Hochschule) von John A. Perkins wird Benjamin Franklin mit dem modernen Konformisten verglichen. Es heißt da: „Franklin opferte bei der Nutzbarmachung der Gruppendynamik nicht seine Individualität. Anstatt sich einer allgemein gehegten Auffassung anzupassen, bediente er sich vielmehr menschlicher Manipulationen, um eine unpopuläre Anschauung zur vorherrschenden zu machen.“
Der Christliche Wissenschafter wird danach streben, jede Betätigung dieser Art, die er ausüben mag, zu einer göttlichen anstatt zu einer menschlichen zu machen. Solche Betätigung, die Göttlichkeit widerspiegelt, sollte ihn befähigen, der Welt zu helfen — ohne jedoch Druck auf irgend jemandes Individualität auszuüben —, die Vorteile zu erkennen, die darin liegen, wenn man ihn, sei es für Arbeit oder Spiel, unter Bedingungen akzeptiert, die seine Individualität und seine Auffassung, daß die Selbstheit geistig ist, respektieren.
Archimedes, der große Physiker des Altertums, sagte: „Gib mir einen Punkt, wo ich stehen kann, und ich werde die Erde aus den Angeln heben.“ Jedes lohnende Unternehmen muß eine feste Operationsbasis haben. Wir können keine unerschütterlichere Grundlage für die Aufrichtung wahrer Gemeinsamkeit haben als das Verständnis, daß Gott das Ego ist, das alle widerspiegeln, wir selbst und die anderen Menschen.
Nun zum Schluß. Das göttliche Ego ist in Fragen des Verhaltens nicht vage. Gott, der sich Moses als Ich bin offenbarte, gab ihm auch die Zehn Gebote. Der himmlische Vater, mit dem Jesus die wahre Selbstheit identifizierte, inspirierte Jesus zu den Seligpreisungen.
Weil die Gebote und Seligpreisungen von dem einen Ego herrühren, sind sie nicht Verhaltungsmaßregeln, die uns von außen her aufgezwungen werden. Mrs. Eddy schreibt in ihrem Buch „Nein und Ja“ (S. 11): „Der Mensch hat eine fortdauernde Individualität; und Gottes Gesetze und ihr intelligentes und harmonisches Wirken bilden seine Individualität in der Wissenschaft der Seele.“ Die Gesetze Gottes, nicht ein physischer Körper, der sich aus Eisen, Zucker, Kalk und Wasser zusammensetzt, sind die Bestandteile unserer Identität. Gottes Gesetze zu befolgen ist normal und natürlich, weil wir in diesem Befolgen ganz wir selbst sind.
Wer sein tägliches Leben nach den Geboten und Seligpreisungen ausrichtet und in seinem metaphysischen Denken unerschütterlich anerkennt, daß der Mensch stets mit dem göttlichen Ego eins ist, hat eine sichere Schutzwehr gegen allen Druck, der auf seine Individualität oder Identität ausgeübt wird, und eine feste Basis für Unternehmungen, die der ganzen Welt zum Segen und von Nutzen sein können.
