Im Matthäusevangelium finden wir einen von Jesu Aussprüchen, der wegen seiner Logik und hohen Ethik so schön ist, daß er seitdem die Goldene Regel genannt wird. Er heißt (7:12): „Alles nun, was ihr wollt, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch! Das ist das Gesetz und die Propheten.“
Es ist offenkundig, daß sich die Weltlage sehr verbessern würde, wenn jeder einzelne diese Regel auch nur einmal am Tage anwenden würde. Daher bemühen sich die Christen im allgemeinen ständig, sie unaufhörlich anzuwenden. Die Christlichen Wissenschafter schätzen diese Regel sehr hoch ein.
In „The First Church of Christ, Scientist, and Miscellany“ (Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, und Verschiedenes, S. 5) schreibt Mary Baker Eddy: „Das Erste Gebot des hebräischen Dekalogs, ,Du sollst keine anderen Götter neben mir haben', und die Goldene Regel sind das Alles-in-allem der Christlichen Wissenschaft [Christian Science]. Sie sind der geistige Idealismus und Realismus, die — wenn man sie sich vergegenwärtigt — einen Christlichen Wissenschafter ausmachen, die Kranken heilen, die Sünder umwandeln und dem Grab den Sieg rauben.“
Jeder Anhänger der Christlichen Wissenschaft [Christian Science] muß anderen das tun, was er will, das sie ihm tun sollen; und um dies zu erreichen, muß er sich demütig von Gott leiten lassen, um auch den Standpunkt seines Nächsten erkennen zu können. In neun von zehn Fällen stellen sich Mißstimmungen ein, wenn einer auf seinem Standpunkt beharrt, anstatt zuzugeben, daß auch sein Mitmensch von dem einen Gemüt regiert wird, das Gott, das Gute ist.
Eine Christliche Wissenschafterin hatte Verwandte, ein jung verheiratetes Ehepaar und dessen Sohn, die sich ebenfalls für die Wissenschaft interessierten. Die Großeltern des Kindes waren Gegner der Wissenschaft, und jedesmal, wenn das Kind mit ihnen allein gelassen wurde, schien es einen Unfall zu haben oder krank zu werden. Eines Sommers wurde beschlossen, daß das Kind zwei Wochen bei seinen Großeltern verbringen sollte, und seine Mutter bat die Verwandte, im Gebet beschützende Arbeit für das Kind zu tun
Die Wissenschafterin griff ihre Arbeit vom Standpunkt der Goldenen Regel an. Sie sagte sich: „Wenn ich mich an die Stelle der Großeltern versetze, dann wäre ich froh, wenn die Last der Furcht von meinen Schultern genommen würde. Daher muß ich die Großeltern lieben und segnen, anstatt sie zu verurteilen.“ Sie wußte, daß die unendliche Liebe, die die Furcht austreibt, immer gegenwärtig ist, daß sich keine Disharmonie einstellen kann, wo die Liebe gegenwärtig ist, und daß alle Wirklichkeit von dieser göttlichen Liebe erhalten wird.
Den Großeltern wurde keine Behandlung erteilt, aber die Wissenschafterin heilt an diesen Wahrheiten fest und machte sich klar, daß das unendliche Gemüt immer gegenwärtig ist, um zu führen und richtig zu leiten. Die Ferien waren harmonisch und erfreulich, nicht nur für die Großeltern, sondern auch für das Kind. So hat wahres Gebet dazu beigetragen, zur Freude und zum Glücklichsein aller Beteiligten Harmonie zu schaffen.
Etwa zwei Monate danach entdeckte die Wissenschafterin, als sie in einen Spiegel sah, daß eine häßliche Falte, die früher in ihrem Gesicht stand, vollständig verschwunden war. Daraufhin erinnerte sie sich, daß Mrs. Eddy uns in ihrem Buch „Wissenschaft und Gesundheit“ sagt (S. 518): „Die geistig Reichen helfen den Armen in einer großen Brüderschaft, und alle haben dasselbe Prinzip oder denselben Vater, und gesegnet ist der Mensch, der seines Bruders Not sieht und ihr abhilft und das eigene Gute in dem des anderen sucht.“
Man kann eigentlich nicht ganz frei sein, wenn man nicht die Freiheit anderer respektiert. In „Wissenschaft und Gesundheit“ sagt uns Mrs. Eddy (S. 276): „Wenn die göttlichen Weisungen verstanden werden, dann enthüllen sie die Grundlage der Brüderschaft, in der ein Gemüt nicht mit dem anderen im Streit liegt, sondern alle einen Geist, Gott, eine intelligente Quelle haben, in Übereinstimmung mit dem Befehl der Schrift:, Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war.' “
Der Christliche Wissenschafter verläßt sich gänzlich auf das göttliche Gemüt, das Christus Jesus so vollkommen zum Ausdruck brachte, weil er aus Erfahrung weiß, daß es vergeblich wäre, erfolgreiche menschliche Pläne zu gestalten, solange er die Wahrheit mißachtet, daß die „eine intelligente Quelle“ nicht nur seine eigene, sondern auch die seines Nächsten ist. Der materielle Sinn hat ihn vielleicht versucht, das Gegenteil zu glauben; aber wenn er es aufgibt, seinen Nächsten als einen Sünder zu sehen oder als einen Sterblichen mit einem Gemüt, das von dem einen Gemüt getrennt ist, und ihn als das sieht, was er wirklich ist, nämlich die vollkommene Widerspiegelung des göttlichen Gemüts, das vollkommene Kind Gottes, dann segnet der Wissenschafter seinen Nächsten, und dadurch wird Gott verherrlicht werden.
