Mary Baker Eddy schreibt in ihrem Buch „Vermischte Schriften“ auf Seite 308: „Wer sich immer um seiner Gesundheit oder Heiligkeit willen an mich als Person wendet, geht in die Irre.“ Und auf der folgenden Seite sagt sie: „Wenn wir über die endliche Person Jesu, den Sohn des Menschen, nachdenken, so erreichen wir nicht auf dieser Bahn des Gedankens den Christus oder den Sohn Gottes, die wahre Idee vom göttlichen Prinzip des Menschen.“ Wer die Wahrheit sucht, sollte sich niemals eine Persönlichkeit zum Vorbild nehmen.
Der Glaube an Personen ist ein Glaube an viele selbständige Gemüter neben Gott und ist der Anlaß zu allen menschlichen Reibereien, angefangen vom kleinsten Neidgedanken bis zum Krieg. Wahrer Friede auf Erden wird deshalb nur dann Wirklichkeit werden, wenn die Tatsache erkannt wird, daß der Mensch eine geistige, individuelle Idee ist, durch die Gott, das eine und einzige Gemüt allen Seins, sich ausdrückt.
Der sich seiner Einheit mit Gott bewußte demütige Nazarener lehnte entschieden jede Verherrlichung seiner menschlichen Person ab und ermahnte seine Nachfolger, ihn nicht als eine endliche Person zu ehren, sondern den Vater zu ehren. Zu einem Mann, der ihn mit „guter Meister“ anredete, sagte er: „Was heißest du mich gut? Niemand ist gut als allein Gott“ (Mark. 10:17, 18). Auch bekannte er offen vor aller Welt: „Der Sohn kann nichts von sich selber tun, sondern nur was er sieht den Vater tun; und was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn“ (Joh. 5:19). Diese letzte Schriftstelle wirft helles Licht auf das Wort „Widerspiegelung“, wie es in der Christlichen Wissenschaft gebraucht wird.
Der größte Metaphysiker aller Zeiten nahm keinerlei Ruhm für sich in Anspruch, und seine Selbstverleugung wurde damit dem Pharisäertum in allen Jahrhunderten zum peinlichen Vorwurf. Seine Werke haben die Zeiten überdauert und werden sie überdauern, weil sie nicht aus persönlichen Impulsen hervorgingen, sondern ganz natürliche göttliche Widerspiegelungen darstellten. Ein jeder Arbeiter im Weinberg des Herrn sollte sich dessen bewußt sein und niemals die menschliche Person zum Faktor seiner christlichen Arbeit machen!
Im Überschwang der Freude über die gefundene Wahrheit mag der Neuling in der Christlichen Wissenschaft seine übertriebene Bewunderung solchen Personen entgegenbringen, die ihn geheilt und zu Gott geführt haben. Wenn er aber im Laufe der Zeit geistig wächst, dann wird sich sein Blick mehr und mehr von der Person abwenden und auf das göttliche Prinzip richten.
Solange wir uns noch an Personen klammern, mögen wir vor menschlichen Enttäuschungen nicht bewahrt bleiben. Insbesondere ist der Neuling geneigt, von den Fehlern, die noch von den Christlichen Wissenschaftern gemacht werden, auf die Christliche Wissenschaft zu schließen.
Wir beurteilen die Mathematik nicht nach den Rechenfehlern eines Schülers; so werden wir, wenn wir weise sind, auch die Christliche Wissenschaft niemals nach den Fehlern beurteilen, die ihre Anhänger machen. Weil die Menschen jahrhundertelang falsch erzogen worden sind, nämlich zu glauben, daß sie körperlich und sterblich sind, scheint es ihnen unmöglich, ihre Fehler innerhalb eines Tages abzulegen. Der Weg vom Sinn zur Seele — von der menschlichen Persönlichkeit zur geistigen Idee — ist nicht das Werk eines Augenblicks oder einiger weniger Jahre.
Das Lebenselement des Christentums ist Liebe. Also sollten wir uns allen Ernstes fragen: Können wir wirklich unseren Nächsten lieben, solange wir eine körperliche Person als eine Realität hinnehmen? Weil wir diesen Irrtum annehmen, ist auch das Gebot: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Matth. 19:19), so schwer zu erfüllen. Das endliche, persönliche Ich — halsstarrig, egoistisch, parteiisch, ungehorsam, schnell beleidigt und gekränkt — ermangelt der Elemente der reinen Liebe wie Reinheit, Selbstlosigkeit und Beständigkeit. Dieses Ich mag uns veranlassen, danach zu trachten, unseren Nächsten von einem theologischen Standpunkt aus zu lieben, aber es kann nicht etwas demonstrieren, was es nicht versteht. Auf Schritt und Tritt steht es immer sich selbst im Wege.
Das Handbuch Der Mutterkirche von Mary Baker Eddy enthält „Eine Richtschnur für Beweggründe und Handlungen“ (Art. VIII Abschn. 1), die mit den Worten beginnt: „Weder Feindseligkeit noch rein persönliche Zuneigung sollte der Antrieb zu den Beweggründen oder Handlungen der Mitglieder Der Mutterkirche sein.“
Egoismus, persönliche Beliebtheit, Rivalität, gedankliche Beeinflussung und alle anderen weiterverzweigten und versteckten Etceteras des persönlichen Ichs, oder sterblichen Gemüts, haben keinen Platz im „Bau der Wahrheit und Liebe“ — was eine von Mrs. Eddys Definitionen für die geistige Idee Kirche ist (Wissenschaft und Gesundheit, S. 583). Kein treuer Schüler wird je der Versuchung erliegen, sich selbst oder irgendeine andere Person zum Mittelpunkt der Aufmerksamkeit in seiner Zweigkirche zu machen. Die geistige Idee Kirche schließt — das steht fest — führende Eigenschaften in sich, jedoch sollten diese als göttliche Eigenschaften erkannt und entsprechend respektiert werden. Wenn alle Mitglieder wachsam sind, werden persönliche Antriebe als solche erkannt werden, denn sie bringen einer Kirche weder Segen noch Wachstum.
Das persönliche Ich abzulegen ist sicherlich keine leichte Aufgabe. Aber niemand kann diese Aufgabe umgehen und standhaft bleiben, wenn er hinsichtlich seiner Erlösung aufrichtig ist und sich den Namen „Nachfolger Christi“ verdienen will. Selbst die kleinste ehrliche Bemühung in dieser Richtung schließt großen Segen in sich und trägt zur Hebung des Menschengeschlechts bei. Wenn wir uns bewußt sind, daß unser Bruder den gleichen Kampf auf sich genommen hat, wird es uns leichter sein, ihm „siebzigmal siebenmal“ (Matth. 18:22) zu vergeben.
Die Erste Kirche Christi, Wissenschafter, mit ihren Zweigen in aller Welt hat keinen persönlichen Prediger oder keine persönlichen Predigten, denn das Wort Gottes, wie es in der Bibel und in „Wissenschaft und Gesundheit“ von Mary Baker Eddy zu finden ist, ist ihr Prediger. Sie vereint alle diejenigen, die ernsthaft bereit sind, den alten Menschen mit seinen Werken auszuziehen, ja alle, die Gottes Wort hören und es in die Demonstration des vollkommenen Gottes und vollkommenen Menschen umsetzen.